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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 74.1924

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Aus dem Leben des Vereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.8625#0057
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tut nichts anderes, als jeder Geschäftsinhaber, der sich nach seinem
Ermessen dasjenige für sein Geschäft aussucht, was ihm ent»
spricht. Der Unterschied liegt nur darin, daß dies dem Zweck
des Vereins entsprechend hier nach reinen kunstgewerblichen
Gesichtspunkten geschieht. Wählt ein Geschäftsinhaber von zehn
ihm angebotenen Studien drei aus, so ist der anbietende Kunst*
gewerbler erfreut und befriedigt. Tut es die Jury,so isterergrimmt,
daß ihm sieben Stücke „abgelehnt" worden sind, es muß aber
bedacht werden, daß auch der Kunstgewerbeverein schon aus
Rücksichten auf den Raum nicht alles nehmen kann, auch nicht
alles Gute. Er soll für eine große Zahl von Einzelbetrieben
das gemeinsame räumlich begrenzte Auslagefenster sein.

Naturgemäß werden für Beschickung von Messen und nament»
lieh von Ausstellungen andere Maßstäbe angewendet, insbe»
sondere in der Beziehung, daß bereits dutzendmal verkaufte
Stüdce, auch wenn sie noch so gut sind, sich z.B. nicht mehr für
eine Kunstausstellung eignen. Auch der bei Ablehnung für den
Einzelverkauf so oft vorgebrachte Einwand, ein Stück sei doch
seit x Jahren, „immer angenommen worden", wäre in diesem
Sinne zu überdenken. Auch bleibt zu beachten, daß eine An-
häufung von Gegenständen gleicher Art nicht immer günstig ist,
daß also die Einsender solcher Stücke, die ihrer Größe oder ihrer
Augenfälligkeit halber sich nicht in großen Mengen ausstellen
lassen, von vornherein nur mit einer teilweisen Annahme rechnen
können. Der Kunstgewerbeverein pflegt bekanntlich keine be-
stimmte Stilrichtung oder Mode, er will vielmehr den Erzeugern
guten Kunstgewerbes aller Richtungen durch Absatz vorwärts
helfen und dazu beitragen, daß sie bekannt werden. Aber er kann
unmöglich deshalb deren Gesamtproduktion aufnehmen.

Geschweige denn, daß von einer Abschaffung der Jurierung, wie
sie auch vielfach vorgeschlagen wird, die Rede sein könnte. Die
sichere Folge wäre eine Überschwemmung der Ausstellungshalle
mit Gegenständen, die in der Mehrzahl minderwertig wären, es
müßte aus Platzmangel die Aufnahme doch immer solange ge-
sperrt werden, bis wieder Luft ist. Nur käme dann immer der
zuerst daran, der am längsten ansteht. Ob eine so ausgestattete
Ablagerungshalle große Anziehung auf das kaufende oder gar
auf das kunstsinnige Publikum ausüben würde, wird der Über-
legung empfohlen.

Die Vorschläge über die Zusammensetzung der Jury
die uns periodisch zugehen, verteilen sich ziemlich gleichheitlich
auf folgende Ideen:

1. Ausschaltung aller Nichthandwerker, vor allem der Pro-
fessoren, der Vollständigkeit halber sei daran erinnert, daß damit
der Kontakt mit der Kunst aufhören würde.

2. Ausschaltung allerHandwerker, Zusammensetzung der
Jury nur aus solchen Kunstgewerblern die nicht ausübende
Kunstgewerbler sind..

Der Zweck ist, Konkurrenten aus der Jury auszuschalten. Nicht-
ausübende Kunstgewerbler gibt es sehr wenige und sie stehen
auch oft zu sehr außerhalb des kunstgewerblichen Lebens. Die
gegenwärtige Regelung scheint immerhin ein diskutables Mittel-
ding zwischen den beiden obigen Extremen darzustellen.

Gegen die Jury wird auch sehr oft der Vorwurf erhoben, sie
hätte ein Stück abgelehnt, das nachweislich sehr gerne gekauft wird.
Damit haut man aber daneben, denn Verkäuflichkeit beweist für die
kunstgewerbliche Qualität bekanntlich gar nichts, sonst könnten
nicht so viele und zum Teil ausgedehnte „kunstgewerbliche" Be-
triebe blühen, die mit Kunstgewerbe wenig zu tun haben. Auch
ist für die Auswahl der Jury wie schon gesagt, n i ch t wie beim
Geschäftsinhaber die Verkäuflichkeit das Leitmotiv, sondern die

kunstgewerbliche Leistung. Gegen die Ablehnung wird ferner
zuweilen ins Feld geführt, der Hersteller sei in wirtschaftlicher
Notlage oder „er sei seit 28 Jahren Mitglied des Vereins". Dem-
gegenüber muß aber festgestellt werden, daß der Verein kein
Linterstützungsverein ist, daß vielmehr jedes Abweichen von der
gegebenenRirhtschnur, auch wenn es aus begreiflicher Mildherzig-
keit geschähe, das Gesamtniveau drückt und damit allen sdiadet,
auch dem Tüchtigen. Die Ausstellungshalle darf doch nicht zum
Wohltätigkeitsbazar gemacht werden, so hart das für Einzelne
sein mag. Auch geschieht die Vorlage der Stüdce an die Jury ohne
Namensnennung und es ist natürlich ausgeschlossen, die Jury mit
Vermögens-und Familienverhältnissen derEinsender u. ä.zu be»
helligen. Die Annahme von Stücken kann aber auch nicht, wie
bei Leibrenten oder bei einem Aussteuerverein eine Prämie für
jahrelange Beitragszahlung sein, auch das wolle zu Ende gedacht
werden. Der Verein hat doppelt so viel fördernde als ausübende
Mitglieder. Die Drohung auszutreten, wenn die Jury sich nicht
gefügig zeige, da „das Verbleiben im Verein keinen Zwedi (!) mehr
habe", ist schon deshalb hinfällig, bringt aber auch eine sehr
materialistische und egoistische Auffassung über Mitgliedschaft
zum Ausdruck.

Eher lassen sich vielleicht Einwände hören, das abgelehnte
Stück sei bereits im Glaspalast ausgestellt gewesen oder andere
wärts von einer Künstlerjury angenommen worden. Uns sind
'solche Fälle bekannt und es steht auch jetzt wieder im Glas»
palast eine Plastik, die beim Verein abgelehnt worden ist.
Aber erstens gibt es in Geschmadcsfragen letzterdings keine apo-
diktischen Urteile, kommen doch schon bei der juristischen Urteils»
findung ganz erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ge»
richtshöfen vor. Zweitens aber muß bei diesen, übrigens doch
verschwindend seltenen Vorkommnissen berücksichtigt werden,
daß die reine Künstlerjury in der Regel nur nach Gesichtspunkten
der reinen Kunst, jedenfalls viel weniger nach der Materialgerecht-
heit und technischen Behandlung urteilt, als dies bei einer kunst»
gewerblichen Jury der Fall sein muß. Der Kunstgewerbeverein
kann nicht Keramiken annehmen, die selbst bei höchster künst-
lerischer Vollendung bedenkliche technische Mängel aufweisen oder
Holzplastiken, die einwandfrei in Form, in der Oberflächen»
behandlung des Holzes anderes Material nachahmen, um nur
willkürliche Beispiele zu nennen.

Bei unbefangenem Nachdenken wird alles dies begreiflich, wer
sich in die unangenehme Lage der Juroren versetzt und deren
mühsame und undankbare Tätigkeit überdenkt, kann sich der
Einsicht nicht verschließen, wer gar den Sitzungen der Jury öfters
angewohnt hat, wird sich rasch die Überzeugung gebildet haben,
— daß hier eine verantwortungsvolle und von größter Gewissen»
haftigkeit getragene Arbeit mit Aufopferung und ohne Anspruch
auf Anerkennung geleistet wird. Es ist menschlich zu verstehen,
daß der von einer Nichtannahme Betroffene Unwillen empfindet,
dem aber in unüberlegten Reformvorschlägen wildester Art oder
gar in persönlichen Verdächtigungen Luft zu machen, ist weder
notwendig noch erfolgversprechend und zeugt nicht von edler
Sinnesart. Wichtiger erscheint es uns, den Einsendern abgelehnter
Stücke auf Wunsch die Gründe der Ablehnung zugänglich zu
machen und es sind seit V> Jahr erhebliche Anstrengungen ge-
macht worden, um das allgemein durchzuführen. Nur müssen,
bei der großen Zahl der Einsendungen solche Rückfragen jeweils
postwendend entweder schriftlich (an das Sekretariat) oder
mündlich (jeden Montag nachm. 5 Uhr) angebracht werden, weil
sonst die nachträgliche Feststellung der Gründe oft sehr schwierig
ist. Beschwerden über Entscheidungen der Jury oder Versuche
mittels der Urteile einer anderen Jury oder einzelner namhafter

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