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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 74.1924

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Fischer, Josef Ludwig: Jubiläumsausstellung des Wiener Kunstgewerbevereins: Geschichte der Ausstellung
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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8625#0112
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Schreibgarnituren, bronze»patiniert mit Alabaster nach
Entwürfen von Bildhauer Rudolf Oppitz, ferner Ar»
beiten von Karl Hagenauer. Verhältnismäßig gering
ist die Zahl der ausgestellten Stoffe und Handarbeiten.
Unter den Stoffen herrschen Batiken vor: die zahlreichen
Sofa» und Ottomanenkissen, die wir in den Räumen
finden, sind fast ausschließlich Batikmuster, mehr Tö»
nungen wie Farben, besonders zahlreich aus denWiener
Werkstätten. Auf dem Gebiete der Spitzen und feinen
Handarbeiten scheint Ida Krüh führend zu sein.

Auf dem Gebiete der graphischen Reproduktion hat
sich besonders die photochemigraphische Kunstanstalt
A. Krampolek, die aus kleinen Anfängen zu einem
führenden Unternehmen gewachsen ist, große Ver»
dienste erworben und einzelne markante Erzeugnisse
ausgestellt. Ein anderer Schrank enthält den Beweis,
daß auch auf dem Gebiete des künstlerischen Buchein»
bands, dessen Reform und künstlerische Veredelung
am längsten auf sich warten ließ, Bedeutsames geleistet
wird. Führend scheint in dieser Sache die Kunstwerk»
stätte für Buchbinderei Albert Günther zu sein, von der
die handgearbeiteten Luxuseinbände in einer eigenen
Vitrine ausgestellt sind.

Fassen wir zusammen: Die Jubiläumsausstellung
des Wiener Kunstgewerbevereins ist somit eines der
bedeutsamsten Ereignisse in der Entwicklung des
Kunstgewerbes. Zunächst nach den beiden Seiten der
reinen Manufaktur und der mehr fabrikmäßigen Er»
zeugung. Wie wir in den Titeln angegeben haben,
nennen sich eine Reihe der größten Firmen schlechtweg
Fabriken. DieZahl der Einzelwerkstätten steht Ziffern»
mäßig hinter den großen Betrieben zurück. Dies liegt

natürlich zunächst in den wirtschaftlichen Verhältnissen
begründet: Die Einzelwerkstätte ist nicht so leicht in
der Lage auf Vorrat, auf Ausstellung zu arbeiten oder
zu schaffen, wenn ihr das Geschenk der Stunde einen
Einfall gibt, weil es ihr sehr häufig an den Betriebs»
mittein fehlt. Andererseits ist es ein Glück, wenn der
Fabrikationsbetrieb von dem Strudel der Geschmacks-
läuterung erfaßt wird, wenn gerade die in größerer
Masse an das Volk sich wendende kunstgewerbliche
Arbeit unter der künstlerischen Verantwortung beru»
fener Männer steht. Wien hat ferner begriffen, daß das
Kunstgewerbe nicht etwa, wie die absolute Kunst, den
Stimmungen undLaunen prinzipiell gefestigter Fahnen*
träger des Fortschritts ergeben sein darf, sondern den
Zusammenhang mit dem Volke behalten und dazu
noch auf die Gebrauchsmöglichkeit, auf das vielfältige
Material Rücksicht nehmen muß. Dieser unbedingte
Verlaß auf die Gebrauchslinie hat zweifellos den Besuch
so außerordentlich günstig beeinflußt und die Nach»
frage erhöht. Es sind eine Reihe von Gegenständen
zum dritten» und viertenmal verkauft und wäre die
wirtschaftliche Lage der kulturtragenden Mittelschicht
nicht so unverhältnismäßig ungünstig, so wäre auch
das Kaufergebnis ein starker Aktivposten in der ge»
samten- künstlerischen und finanziellen Ausstellungs»
bilanz geworden. Jedenfalls ist der Zweck der Aus»
Stellung, den ich im ersten Artikel angegeben habe,
glänzend erfüllt. Es istmeines Erachtens die erste kunst»
gewerbliche Ausstellung, in durch und durch modernem
Geist, die nach der Gärung den Satz des Übertrie»
benen und Unreifen am Boden gelassen hat.

Dr. Josef Ludwig Fischer, München.

KLEINE MITTEILUNGEN.

Die Wiener Porzellanfabrik im Augarten. Schon in jenen
glanzvollen Zeiten, als Wien noch die Hauptstadteines mächtigen
Reiches gewesen ist, waren die Wiener Frauen, die Wiener
Musik und das Wiener Porzellan weltberühmt. Alle drei wurden
von Kennern geschätzt und geliebt, wie die kostbaren Blüten
eines gepflegten Gartens. Und selbst die Schrecken des Welt»
krieges vermochten es nicht, den Wiener Frauen ihre Anmut,
der Wiener Musik ihren zauberisdien Klang zu rauben, ja sogar
die dritte Blüte Alt=Wiens ist zu neuem Leben erwacht, als man
vor etwa zwei Jahren daranging, die alte „k. k. Porzellanfabrik"
wieder zu errichten.

Diese uralte, 1718 in der Wiener Vorstadt Roßau etablierte
Kulturstätte, die mit Meißen, Nymphenburg und Sevres in einem
Atem zu nennen war und unter Sorgenthal den Gipfel ihres
künstlerischen Ruhmes erreicht hatte, wurde 1864 aufgelöst, weil
man damals den Grundsatz aufstellte, daß eine Staatsfabrik
eigentlich keine Berechtigung habe und nur geeignet wäre, private
Interessen zu schädigen. Während in Frankreich, Bayern, Sachsen
und Preußen der Staat seine, im wahrsten Sinne des Wortes
„königlichen" Manufakturen durch reiche Dotationen unterstützte

— der sächsische Landtag bewilligte im Jahre 1858 für den Aus»
bau der Porzellanfabrik in Meißen 300000 Thaler — ließ das
alte Österreich seine berühmtePorzellanmanufakturaus rein finan-
ziellen Bedenken zugrunde gehen. Nach fast sechs Dezennien fanden
sich opferwillige und kunstfreudige Männer aus Bayern und
Österreich zusammen und beschlossen, mit aller Energie die mut»
willig verstreuten, aber glücklicherweise nicht verloren gegangenen
kulturellen Werte zu sammeln und den 1864 abgeschnittenen
Faden der alten Wiener Tradition wieder anzuknüpfen Da die
alte „k. k. Porzellanfabrik" in der Roßau schon lange einem
modernen Bau hatte weichen müssen, in dem sich heute die öster»
reichische Tabakregie in der Porzellangasse befindet, mußte vor
allem ein neues würdiges Heim gefunden werden. Kein Haus
schlechtweg, sondern eine Stätte mit historischer und künst«
lerischer Vergangenheit sollte es sein, in der die dort Schaffenden
wertvolle Anregungen für ihre Arbeiten suchen und finden
würden. Die Wahl des österreichischen Staates, der bei der
Wiederbelebungseiner einst weltberühmten Porzellanmanufaktur
im Verein mit bayerischen und österreichischen Kunstfreunden
größtes Entgegenkommen zeigt und, ebenso wie die Stadt Wien,

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