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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 76.1926

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Goethe über die Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7093#0027

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DÜLL=PEZOLD Kleinplastik (Musikant)

GOETHE ÜBER DIE BAUKUNST.

„Ein edler Philosoph sprach von der Baukunst als
einer erstarrten Musik, und mußte dagegen man-
dies Kopfschütteln gewahr werden. Wir glauben
diesen schönen Gedanken nicht besser nochmals ein-
zuführen, als wenn wir die Architectur eine ver-
stummte Tonkunst nennen."

„Man denke sich den Orpheus, der, als ihm ein großer
wüster Bauplatz angewiesen war, sich weislich an dem
schicklichsten Ort niedersetzte und durch die beleben^
den Töne seiner Leier den geräumigen Marktplatz um
sich her bildete. Die von kräftig gebietenden, freundlich
lockenden Tönen schnell ergriffenen, aus ihrer massen^
haften Ganzheit gerissenen Felssteine mußten, indem
sie sich enthusiastisch herbeibewegten, sich kunst- und
handwerksgemäß gestalten, um sich sodann in rhyth-
mischen Schichten und Wänden gebührend hinzuord-
nen. Und so mag sich Straße zu Straße anfügen! An

wohlschützenden Mauern wird's auch nicht fehlen."

„Die Töne verhallen, aber die Harmonie bleibt. Die
Bürger einer solchen Stadt wandeln und weben zwi-
sehen ewigen Melodieen, der Geist kann nicht sinken,
die Thätigkeit nicht einschlafen, das Auge übernimmt
Function, Gebühr und Pflicht des Ohres, und die
Bürger am gemeinsten Tage fühlen sich in einem
ideellen Zustand,- ohne Reflexion, ohne nach dem
Ursprung zu fragen, werden sie des höchsten sitt-
liAen und religiösen Genusses theilhaftig. Man ge-
wöhne sich in Sanct Peter auf und ab zu gehen,
und man wird ein Analogon desjenigen empfinden, was
wir auszusprechen gewagt."

„Dagegen in einer schlechtgebauten Stadt, wo der
Zufall mit leidigem Besen die Häuser zusammen^
kehrte, lebt der Bürger unbewußt in der Wüste eines
düstern Zustandes . . ." Aus den „Sprüdien in Prosa".

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