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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 76.1926

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Nasse, Hermann: Marschierende Krieger: Relief von Karl Knappe
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München in der Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.7093#0097

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wird sich der großen Wirkung dieser wohl abgewo-
genen Verteilung der Figuren und dieser Rhythmisie-
rung eben jener Lichtwirkung entziehen. Der Rhyth-
mus und der Gleichklang der Marschbewegung der
Massen in Feldgrau klingt musikalisch aus diesen sum-

marischen Formangaben und Umrissen. Der Ein-
druck des einheitlichen, nimmer mehr zu hemmen-
den Willens einer zum Kampf entschlossenen Masse,
eines von einem Willen beseelten Volkes in Waf-
fen, ist da. He rmann Nasse

MÜNCHEN IN DER LITERATUR

„... Mit dem Sonnenuntergänge des zweiten Tages
erreichte ich das Ziel meiner Reise, die große Haupt-
stadt, welche mit ihren Steinmassen und großen Baum-
gruppen auf einer weiten Ebene sich dehnte. Meinen
verhüllten Totenkopf in der Hand, suchte ich bald das
notierte Wirtshaus und durchwanderte so einen guten
Teil der Stadt. Da glühten im letzten Abendscheine
griechische Giebelfelder und gotische Türme; Säulen-
reihen tauchten ihre geschmückten Häupter noch in
den Rosenglanz, helle gegossene Erzbilder, funkelneu,
schimmerten aus dem Helldunkel der Dämmerung, wie
wenn sie noch das warmeTageslicht von sich gäben, in-
dessen bemalte offene Hallen schon durch Laternenlicht
erleuchtet waren und von geputzten Leuten begangen
wurden. Steinbilder ragten in langen Reihen von hohen
Zinnen in die dunkelblaue Luft, Paläste, Theater, Kir-
chen bildeten große Gesamtbilder in allen möglichen
Bauarten, neu und glänzend, und wechselten mit dunk-
lenMassen geschwärzter Kuppeln undDächer der Rats-
und Bürgerhäuser. AusKirchen und mächtigen Schenk-
häusern erscholl Musik, Geläute, Orgel- und Harfen-
spiel; aus mystisch verzierten Kapellentüren drangen
Weihrauchwolken auf die Gasse; schöne und fratzen-
hafte Künstlergestalten gingen scharenweise vorüber,
Studenten in verschnürten Röcken und silbergestickten
Mützen kamen daher, gepanzerte Reiter mit glänzenden
Stahlhelmen ritten gemächlich und stolz auf ihreNacht-
wache, während Kurtisanen mit blanken Schultern nach
erhell tenTanzsälen zogen, von denenPauken undTrom-
peten herabtönten. Alte dicke Weiber verbeugten sich
vor dünnen schwarzen Priestern, die zahlreich umher-
gingen ; in offenen Hausfluren dagegen saßen wohl-
genährte Bürger hinter gebratenen jungen Gänsen und
mächtigen Krügen; Wagen mit Mohren und Jägern
fuhren vorbei, kurz, ich hatte genug zu sehen, wohin
ich kam, und wurde darüber so müde, daß ich froh
war, als ich endlich in dem mir angewiesenen Zim-
mer des Gasthofes Mantel und Totenkopf ablegen
konnte..."

Aus Gottfried Keller, Der grüne Heinrich.

1853. III. Teil, 10. Kap.

„.. .DieseResidenzistgegenallesFremdeinfortwäh-
rendem Verteidigungszustande: schon ein weites Stück
vor den Toren harren mit Soldaten gefüllte Wacht-
häuser der Ankommenden und beginnen das erste
Examen, sobald man aber die Stadt betritt, da wehen
einem mit frischer Kühle die klarsten architektonischen
Gedanken entgegen, es empfängt einen die breite
Ludwigstraße, und wie stumme Götteraugen ruhen
links und rechts alle die neuen sauberen Gebäude
von klarster Schönheit. Es ist ein Entree, das die alten
Gedanken an Athen und Florenz aufweckt in der stau-
nenden Brust. Und selbst die Gebäude, welche nicht
fertig sind, erfrischen und stärken das Auge durch
die Sauberkeit ihres Negliges. Die Ziegel ordnen sich
wie gemalt, die Gerüste und Apparate sind mit Deli-
katesse eingerichtet, es hat alles ein so appetitliches
Ansehen, als wären es lauter Meisterstücke, wo wirk-
liche Künstler die Steine aufeinandergelegt hätten, an
welche keines faulen, kalkschmierigen Maurers un-
reine Hand gekommen wäre.

Es ist nicht zu leugnen: reifer geläuterter Geschmack
baut in München. Nicht jene plumpe antiquarische
Kenntnis, welche die Schönheit der Dinge auf Auk-
torität annimmt, nicht jene plumpe historische Pietät
ist's, welche in Bayern eine Residenz Griechenlands
baut, es ist ein feiner, gebildeter Schönheitssinn.

Wir fuhren Schritt für Schritt durch diese kühl
und vornehm stolze Ludwigstraße, als würden die
indifferenten Postgäule eingeschüchtert durch die still
harrenden Paläste und ihre marmornen Augen. Das
sauber Tatsächliche lächelt dem raffiniertesten Ideo-
logen ins Gesicht.

Der Max-Palast, die Ludwigskirche und noch neuere
Bauten stehen da in ungeschminkter Grazie wie Sta-
tuen mit tadellosem Mantelwurf, und doch so fein,
daß man süße Taillen in ihnen zu erblicken meint.
Wie eine rätselhafte Sphinx ruht das Theater auf
schweren, gewichtigen Säulen, keine seiner schweig-
samen, klassischen Mienen verrät, ob Ernst oder Scherz
hinter den stolzen Brauen wohne..."
Aus H.Laube,Reisenovellen, I. Bd. 18. München. 1834-37.

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