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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 76.1926

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Hildebrand, Adolf von: Einiges über die Bedeutung von Grössenverhältnissen in der Architektur von Adolf Hildebrand
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Von der Macht der Schönheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7093#0118

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bungen,insofern diese durch Gegenstandsvorstellungen
angeregt werden, zu dem Zwecke benutzt, etwas größer
oder kleiner aussehen zumachen, als es faktisch ist (in-
dem sie vergrößert oder verkleinert zur Darstellung
kommen). Hier wird denn also die Gegenstandsvor-
stcllung nicht in dem Sinne benützt, um ihre Bedeutung,
ihren Inhalt auch in dem anderen Maßstabe festzuhalten
und der Phantasie zu übermitteln, wie beim verklei-
nerten Turm, sondern nur, um die mit ihr verbundene
Größenvorstellung zu verwerten und damit den Grö-
ßeneindruck des Ganzen zu steigern oder zu schwächen,
je nachdemdieangewandte Größenvorstellung vergrö-
ßert oder verkleinert auftritt. Gäbe ich, um ein recht
drastisches Beispiel zu geben, einem Brünnchen von
einem Meter Durchmesser die Form, die an ein Wasch-
becken erinnert, so erscheint dies Brünnchen groß, weil
wir die Form eines Waschbeckens mit einer geringeren
Größenvorstellung verbinden. Gebe ich jedoch einem
Waschbecken von dreißig Zentimeter Durchmesser
eine Art Brunnenform, so verkleinert sich das Wasch-
becken, weil wir einen zusammengeschrumpften Brun-
nen erblicken. Hier geht die Benutzung und Übertra-
gung der Gegenstandsform darauf aus, die Größen-
empfindung zu beeinflussen und die auf solche Weise
entstandene Größenempfindung beruht auf der Form-
gebung und hat nichts mit der wirklichen Ausdehnung
des Gegenstandes, mit der Dimension des Ganzen zu
tun. Es ist dieser geistige, innere Maßstab nicht der
äußere, der da entscheidet. Dieser innere Maßstab wird
aber nicht nur durch Gegenstandsvorstellung vermit-
telt, sondern auch durch die räumliche Disposition, in

der das Einzelne zueinander und zum Ganzen steht, in-
dem es aus dem Ganzen einen einfachen oder kompli-
zierten Gegenstand macht. So kann der innere Maß-
stab einer kleinen Hausfassade viel größer sein, als der
einer großen Kaserne. Das eng aufeinander folgende
und doch getrennte Fenstermotiv der Kaserne hat an
sich einen kleinlichen Maßstab, der sich durch endlose
Fortsetzung nicht ändert, während die breitgelagerten
wenigen Fenster des kleinen Hauses das Gefühl einer
größeren Räumlichkeit erzeugen. So erscheint der an-
tike Tempel viel größer als er ist, weil er als ein aus
ganz wenigen mächtigen Teilen gebildeter Parterre-
raum einen einfachen großen Gegenstand bildet, im
Gegensatze zu einem vielstöckigen Haus gleicher Aus-
dehnung. Das Gesamtmotiv des antiken Tempels ist an
sich ein groß wirkendes und bedarf deshalb nicht des
Mittels der faktischen Ausdehnung, um mächtig zu wir-
ken. Oder, um ein ganz anderes Beispiel zu wählen,
wenn ich einer Figur von bestimmter Größe die Pro-
portionen einer gedrungenen kleinen Statur gebe, so
wirkt sie bedeutend größer, als wenn sie die schlanke
Proportion eines langen Menschen hat.

Es mag dies genügen, um verständlich zu machen,
welcher Art die Konsequenzen der Maßstabsverhält-
nisse und wie endlos die Verknüpfungen dieser Kon-
sequenzen zu einem Gesamteindruck sind. Das Gefühl
für diese natürlichen Konsequenzen, die Fähigkeit mit
ihnen zu schalten und zu walten, um sie zu einer Ein-
heitswirkung zu führen, macht die künstlerische Fähig-
keit des Architekten aus. (Aus Pan V.Jahrg. 1899.)

(Abgedruckt aus „Gesammelte Aufsätze von A. v. Hüdebrand , Straßburg,
J. Heitz)

VON DE R M ACHT

.. „Ich wollte die altertümliche Marmorgestalt be-
trachten. Selbst heute in dem bleiernen Lichte, das
durch die Glaswölbung, welche noch dazu durch das
auf ihr rinnende Wasser getrübt war, gleichsam träge
niederfiel, war die Erscheinung eine gewaltige und er-
hebende. Die hehre Jungfrau, sonst immer sanft und
hoch, stand heute in den flüssigen Schleiern des dump-
feren Lichtes zwar trüb, aber mild da, und der Ernst des
Tages legte sich auch als Ernst auf ihre unaussprechlich
anmutigen Glieder. Ich sah die Gestalt lange an, sie

DER SCHÖNHEIT

war mir wie bei jedem erneuerten Anblicke wieder
neu. Wie sehr mir auch die blendend weiße Gestalt
der Brunnennymphe im Sternenhofe nach der jüngsten
Vergangenheit als liebes Bild in die Seele geprägt
worden war, so war sie doch ein Bild aus unserer Zeit
und war mit unseren Kräften zu fassen: hier stand das
Altertum in seiner Größe und Herrlichkeit. Was ist der
Mensch, und wie hoch wird er, wenn er in solcher Um-
gebung, und zwar in solcher Umgebung von größerer
Fülle weilen darf..." Aus A. Stifter, Der Nachsommer.

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