Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 76.1926

DOI Artikel:
Kiener, Hans: Glaspalast 1926
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7093#0120

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
GLAS PALAST i92ö

Vermag sich die Ausdrucksfähigkeit der Malerei
und der Plastik, besonders zu Zeiten der Herrschaft
des Malerischen bis zur Wiedergabe des Dramatischen,
des Momentanen und seelisch Pointierten zu steigern,
so erscheint die Skala der Ausdrucksmöglichkeit in
der Architektur eingeschränkt auf die großen „Daseins-
gefühle", des Hochgernuten und des Gedrückten, des
Düsteren und Heiteren, des Freien und des Befangenen
und anderer mehr (H. Wölfflin). Für das Kunstge-
werbe gilt grundsätzlich das gleiche, nur mit dem Ab-
maß, daß die Skala der Ausdrucksmöglichkeiten aber-
mals reduziert erscheint: Alles was mit absolut großen
Ausmaßen zusammenhängt, die Sphäre des Groß-
artigen und des Erhabenen scheint der Architektur
vorbehalten.

Gegenstand des Kunstgewerbes sind nicht nur kost-
bare Prunkstücke — es hätte seine Aufgabe nie ärger
verkannt werden können — sondern auch und ge-
rade die Dinge des täglichen Lebens. Die Dinge des
Gebrauches sind wichtig als Ausdruck der ganzen
seelischen Haltung, der geistigen Atmosphäre, in der
ein Mensch atmet, in der er sich wohlfühlt.

Das 19. Jahrhundert hat seine Signatur davon, daß
einzelne große Kunstwerke einsam und darum auch
ohne starken Wiederklang (Marees, Leibi) aus einer
trüben Atmosphäre künstlerischer Unkultur aufragen.

Eine innerlich vorbereitete allgemeine Aufnahme-
fähigkeit für große Kunst kann nur in einem Volke
sein, das auf Schritt und Tritt in künstlerischer Atmo-
sphäre atmet. Das war bei uns früher in hohem Maße
der Fall. Nicht etwa erst seit der Renaissance, sondern
schon und gerade im Mittelalter.

Am stärksten aber war das der Fall bei den Griechen.
Und es gibt zu denken, wenn Maxime Collignon in
der Vorrede zu seiner berühmten Geschichte der grie-
chischen Plastik schreibt: „Keinem Volke fehlt so völlig
wie dem griechischen die von den neueren aufge-
stellte Unterscheidung zwischen hoher Kunst und
Kunstgewerbe. Eine Münze, ein Tonfigürchen, ein
eherner Spiegel, ein Waffenstück sind wirkliche Kunst-
werke und spiegeln alle Eigentümlichkeiten der Plastik
treu wieder."

Da ist denn ein tröstlicher und erhebender Eindruck,
den man beim Betreten der Räume des Glaspalastes,

die dem Kunstgewerbe gewidmet sind, hat: Es ist eine
kleine Schau erlesener Dinge.

Es ist nicht leicht, eine Reihe von Einzeldingen in
einer künstlerisch möglichen, ja sogar guten Art unter
einen Hut zu bringen: die gute räumliche Anordnung
fällt auf und nicht minder empfindet der Feinfühlige
es als eine Wohltat, sich in einer Welt ruhiger auf
einander abgestimmter Farben bewegen zu können.

Eine streng sichtende Auswahl gewährleistet ein
hohes Niveau. Es ist nichts da, wo nicht ein ganz be-
stimmter künstlerischer Stimmungston mit Takt und
Geschick gewollt wäre.

Es seien nur ein paar Dinge herausgegriffen.

Da ist ein Sekretär von Ed. Pfeiffer, Professor an
der Staatlichen Kunstgewerbeschule, ein prächtiges,
repräsentatives Stück: das ist patrizische Lebenskultur,
das ist patrizische, straffe seelische Haltung. Dies selbst-
sichere Dastehen, die steilen Schultern und der di-
stinguierte Kontur des Gesimses! Gleichfalls von den
Deutschen Werkstätten ausgeführt sind zierliche rote
Schleiflackmöbel. Vornehm wirkt der Tisch von Seid-
lein. In der zeichnerisch und farbig guten Platte von
Weech ist die alte, dankbare Scagliolatechnik mit
Geschick zu neuer Wirkung gebracht.

Dann geschliffene und gravierte Gläser von Hein-
rich Sattler, von der Fachschule Zwiesel (Dir. Mauder)
und Hans Mauder, graziös, formsicher und umspielt
von dem pikanten malerischen Reiz des Lichtes. Sehr
hübsch sind auch die blauen Glasfläschchen von Grimm.

Wie das Glas zieht das Edelmetall seinen Reiz aus
den zwei großen künstlerischen Lebenskreisen: der
Form und dem Lichte. Da ist das vornehme aus Silber
getriebene Service von A. von Mayerhofen Was die
Form betrifft: Es ist ein Konzert distinguierter Kurven,
keine Linie, die nicht gefühlt wäre, die nicht von vor-
nehmer Gesinnung zeugte. Und doch stehen diese
Linien im Dienste der Formklärung, es ist eine Abfolge
von Linien und aus diesem regelmäßigen Wechsel von
Graten und Furchen erblüht nun der Schimmer des
kostbaren Materials. Von entgegengesetzter, farbig
kühler und in der Form knapper, aber sehr feiner Hal-
tung ist Mayerhofers Schale in Email cloisonne. Von
den Schmucksachen muß eine Halskette aus Gold mit
Goldgranulierung von J. M. Wilm erwähnt werden.

110
 
Annotationen