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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 78.1928

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Zum "Jüngsten Gericht" von Josef Bergmann in der ev. St. Johanneskirche in München-Haidhausen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7095#0069
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ZUM »JÜNGSTEN GERICHT«

VON JOSEF BERGMANN

IN DER EV. ST. JOHANNESKIRCHE IN MÜNCHEN-HAIDHAUSEN

Es ift heute eine offene Frage, ob die
Künftler für die monumentalen Aufgaben
der Wandmalerei, nach denen heute ein ern-
ftes Bedürfnis verlangt und für die die Auf-
träge in erfreulichem Maße zunehmen, einen
neuen, aus unferer Zeit geborenen Stil er-
finden können und follen oder ob Tic bei jenen
Meiftern in die Schule gehen follen, die einen
kirchlichen Darftellungsftil für Europa ge-
fchaffen haben. Die Frage läßt fleh nicht fo
leicht mit Ja oder Nein beantworten. Seit
Jahrhunderten, feit dem Mittelalter hat es
einen hieratifchen Stil nicht mehr gegeben,
diefer Stil ift aber jedem fubjektiven Emp-
finden und Wollen foweit entrückt, beruht
fo fehr auf eigenen, feftftehenden Gefetzen,
daß ein Einzelner in einer fo zerriffenen Zeit
wie unferer Gegenwart feine Grundlagen
gar nicht neuerfchaffen kann. Jedenfalls ift
die Erneuerung des alten, mittelalterlichen
Stiles, wenn fie mit aller künftlerilchen Ge-
wiffenhaftigkeit durchgeführt wird, allen nur
perfönlichen Verfuchen von der Balis unferer
Tafelmalerei aus für das jetzige Stadium der
Entwicklung weit vorzuziehen. Das fcheint
rnir ein Freskenwerk wie Jofef Bergmanns
»Jüngftes Gericht« in der Haidhaufener St.
Johanneskirche wieder zu beftätigen.

Betritt man die St. Johanneskirche, fofteht
man einer hohen, weitflächigen Stirnwand
gegenüber, die eine Apfide einrahmt und mit
einem breitgefpannten Gewölbebogen ab-
fchließt. Diele Wand ift wie vorausbeftimmt
für eine monumentale Malerei, aber als die
Kirche erbaut wurde, war die Zeit zur Erfül-

lung einer folchen Aufgabe noch nicht ge-
kommen. Erft in unferen Tagen, nicht zuletzt
unter Einwirkung des Expreffionismus, lind
die Vorausfetzungen für die kirchliche Wand-
malerei wieder gefunden worden. Der Bek-
ker-Gundahlfchüler Jofef Bergmann hat in
feinen Fresken der Olchinger Kirche den
Grund gelegt zu feinem reifen technifchen
Können und zu feiner künftlerifdien Erfah-
rung. Als die Gemeinde von St. Johann im
Einverständnis mit dem Kultusminifterium
ihm den Auftrag zur Bemalung der Kirche er-
teilte, dachte er zuerft an die Kreuzigung und
den Weinberg für die Altarwand und die
Apfide. Seine damaligen Entwürfe waren vor
zwei Jahren im Glaspalaft ausgeftellt. Aus
weiteren Verhandlungen ging das endgül-
tige Projekt hervor, das dann in den Sommer-
monaten 1927 vom Juni bis Oktober nach
gründlichften Vorftudien ausgeführt wurde.
Die Apfis blieb vorläufig unbemalt, aber an
der Wand entftand die fymbolifche Darftel-
lung des »Jüngften Gerichts« mit den Begleit-
figuren der vier Evangeliften.

Das fertige Werk macht fchon durch feine
räumliche Größe bei einfachfter ftrengftcr
Teilung einen feierlichen Eindruck. In der
Mitte fteht Chriftus mit fegnender Gebärde,
durch eineMandorla aus der Fläche noch be-
sonders herausgehoben und in der Proportion
alle anderen Figuren weit überragend. Durch
diefes Hauptthema wird die ganze Kompo-
fition in ihrer vertikalen und horizontalen
Gliederung in beruhigendfter Weife be-
ftimmt. Vier Engel des Jüngften Gerichtes

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