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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 80.1930

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Aus früheren Jahrgängen der Zeitschrift "Kunst und Handwerk"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7097#0010
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AUS FRÜHEREN JAHRGÄNGEN DER ZEITSCHRIFT
»KUNST UND HANDWERK«

Zweckmäßigkeit, Güte und Wohlfeilheit find die unerläß-
lichen Bedingungen für die Erzeugniffe des Gewerbefleißes.
Allein die Erfahrung lehrt, daß ein Volk, fobald es nur einen
mäßigen Grad von Bildung erlangt hat, über die Befriedigung
des Notdürftigen hinaus noch höhere Anforderungen macht,
daß es von Allem, was ihm das äußere Leben erhält und
fördert, auch noch eine Nahrung für den Geilt verlangt: die
Freude, die aus der Anregung guter und heiterer Gedanken,
wohltuender Empfindungen kommt, kurz zu dem Guten das
Schöne.

Der Formenfinn ift aber nicht allein Ausdruck der verfchie-
denen Gefühlsweifen eines Volkes, fondern weil er die Art
und den Grad der Bildung desfelben abfpiegelt, auch zugleich
das Merkmal einer beftimmten Zeit, die ebenfo gut, wie die
Nation im allgemeinen das Recht einer befonderen Form-
gebung in Anfpruch nimmt. So erhalten die Umwandlungen
des Formenfinns ihre Bedeutung in der Bildungsgefchichte
der Menfchheit.

Bei der Gründung diefes Vereins zur Ausbildung der Ge-
werke mußte vor allem die Art und Weife der beabfichtigten
Ausbildung durch die Künfte ins Auge gefaßt werden. Skulp-
tur und Malerei haben, wie bereits erwähnt wurde, in der
neuen deutfchen Kunft einen felbftändigen Weg eingefchla-
gen; hier wäre ein fefter Anhaltspunkt geboten.Tonangebend
aber für die Bildung des allgemeinen Formenfinnes ift nur
die Architektur und diefe gerade hat faß alle offenen Wege
betreten und keinen eigenen gebahnt. Für die Zwecke aber
unferes Vereins kann fie nicht fchwankend bleiben; denn
nichts hindert die Ausbildung mehr als Unentlehiedenheit der
Lehre, Unficherheit der Richtung, Unbeftimmtheit des Zieles.
Der Grund wenigftens für die Ausbildung muß feft begrenzt
und ficher fein.

Schloß mit Kaftcn aus gegoffenem Metall
Entwurf Architekt Berger, t8;i

Ueberall aber, wo die Architektur den Ton angibt für die
Formengebung, werden willig oder felbft unwillig fämtliche
Baugewerke und die ihnen naheftehenden Gewerbe in die-
felbe Richtung gezogen, und es wird für fie von Wichtigkeit,
in den Stand gefetzt zu fein, den von diefer Seite fich meh-
renden Anforderungen auf möglichft vollkommene Weife zu
entfprechen. Dies aber ift gerade das Augenmerk und die klar
ausgefprochene Aufgabe unferes Vereins. Denn indem wir
die »Ausbildung der Gewerke« als unfer Ziel fetzen, können
wir an keine andere, als an eine nationale und zeitgemäße
Ausbildung denken, an eine Entwicklung felbftändiger im
Volksbewußtfein und in dem Geifte der Gegenwart wur-
zelnder Kräfte.

In der bloßen Wiederholung des Dagewefenen erftirbt die
Lebenswärme; nur das Neue genügt dem immer neuen Leben;
aber im alten Stamme und nur in ihm liegt die Triebkraft
und die Nahrungsquelle für das Neue. Auch dürfen wir uns

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