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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 81.1931

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Ewige Formen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7098#0004

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Blick dutch vier Vittinen: »Kugelformen«, »Auffatz«, »Kugel mit Flafchenhals«, »Teekannen und Keffel« (Photo Reidt)

EWIGE FORMEN

Es gibt mehr als eine Möglichkeit der Deutung menfehlicher Kulturformen. Die im Wefentlichen auf wiffen-
fchaftliche Erkenntnis gerichtete Betrachtung, die unferer Zeit die vertrautefte ift, faßt die Erlcheinungen
zeitlich und örtlich zufammen, und grenzt Tie ab in ihrer Befonderheit und Vereinzeltheit, in ihrer Ge-
bundenheit an zeitliche und räumliche Umgebung. Sie führt zu dem, was wir in der Architektur und den
Werken der angewandten Kunft als den Stil einer Zeitepoche oder eines Volkes bezeichnen. Und sie
führt weiter in der Herauslöfung des mehr und mehr Bezeichnenden und des nicht Wiederholbaren, deffen
Höhepunkte als die Markfteine der Kunftgefchichte anzufehen find.

Einer weniger durch wiffenlchaftliche Vorausfetzungen beftimmten, rein künftlerifchen Betrachtungsweife
erfchließen fich noch andere Gegenfätze und Abgrenzungen als die der Individualitäten ethnilcher und
zeitlicher Ausdrucksformen.

In ihrer Befchränkung auf das unmittelbar Ausdrucksmäßige begegnet diefe Auffaffung der allem Menfch-
lichen zutiefft liegenden Polarität des Individuellen und Allgemeinen, des Perfönlichen und Ueberperfön-
lichen, des Zeithaften und des Ueberzeitlichen, des Romantiichen und des Klaffilchen als einer in verfchie-
denen Ebenen des menlchlichen Gefühlslebens liegenden Erfdieinungsform.

Den Stilformen, die als folche Ausdruck eines regional, völkifch und zeitperiodifch Individuellen, Einzig-
artigen find, in denen fich Raffen, Landfchaften, Religionen und Erkenntnisftufen dokumentieren, ftehen
überall und zu allen Zeiten vorkommende Formen gegenüber, die von allen diefen Bindungen frei, ein
Abfolutes, Ewiges darfiellen.

Diefe Formen, die von der jüngeren Steinzeit bis zu unferen Tagen in allen Kulturen zu finden find,
bilden ausdrucksmäßig eine überrafchende Einheit; eine künftlerhche Einheit, der gegenüber die Frage
nach Herkunft und zeitlichem Urfprung zu geringer Bedeutung herabfinkt, eine Einheit, deren Wurzel
im Geiftigen liegt, infoferne als fie unmittelbarer Ausdruck einer dem Menkfien innewohnenden unab-
änderlichen Gefetzlichkeit ift. v. Wer/in

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