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Jn solchcr von der wärmenden Sonne
echt katholischer Religiosität und zärtlicher
Elternliebe durchleuchteter Atmosphäre
wuchs der junge Albrecht heran, entfaltete
sich sein Sinn, hier im Elternhaus liegen
die Hauptwurzeln seines späteren Wesens
und zugleich seiner Kunst, das tief Gemüt-
volle und die aufrichtige Frömmigkeit.
Man knnn Dürers herzige Madonnenbild-
chen kaum so recht verstehen, denkt man
nicht dabei an des Künstlers eigene Kind-
heitstage dort im Pirkheimerschen Hinter-
haus unter der Obhut der ärmlichen, an
Liebe so reichen Mutter.
Doch wir sind dem Gang der Ereig-
nisse in Dürers Leben vorausgeeilt. Der
Vater schickte den jungen Albrecht in die
Schule und nahm ihn hierauf selbst in die
Lehre; ein Goldschmied lvie der Vater
sollte er wcrden. Aber den Knaben zog es
mitMacht zurKunst und nach anfänglichem
Widerstreben gab ihn der Vater auf drei
Jahre als Lehrling in die Werkstätte des
angesehenen Nürnberger Malers Michel
Wolgemut.
„Jn der Zeit", schreibt Dürer später,
„verliehe mir Gott Fleiß, daß ich wohl
lernete." Freilich hatte der schüchterne, in
sich gekehrte Junge, als welcher er sich
in einemSelbstbildnis vom Jahre1484
darstellt, viel von den Gesellen zu leiden.
Nach vollendeter Lehrzeit zog Albrecht
nach zünstigem Handwerksbrauch auf die
Wanderschaft, die ihn ins Elsaß, nach
Basel und auch über die Alpen irach
Venedig führte. Das Selbstporträt vom Jahre 1493 zeigt den 22jährigen als emen aus-
geschossenen Jüngling mit inädchenhaft bartlosem Antlih. Die kleinen Augen schauen beobachteil-
den Blickes in die Welt, die Dürersche Phpsiognomie ist schon voll und ganz ausgebildet: Dle ossene
Stirn, die stark vortretende Nase mit dem breiten Rücken, das ausdrucksvolle Kinn, der weiche, imn-
liche Mund. Wie ein leiser Hauch von Wanderburschen-Keckheit liegt es chber den jugendltchen Zugeil.
Das Bildnis ist wohl in der Fremde entstanden und von dort nach Hause geschickt worden. ,0»i
den immer noch von manchen in Abrede gestellten ersten Aufenthalt Dürers in Jtalien rst übrigcnv schon
die blaue Blume auf diesem Porträt ein durchschlagender Beweis, denn diese Blume (er^uAium ametkxsti-
num) kommt nur jenseits der Alpen vor und galt wahrscheinlich damals als eine Art Wahrzeichcn
dafür, daß man in Jtalien geivesen.
1494 nach Pfingsten kehrt Dürer von der Wanderschaft zurück in die Heimat, rvo er sich nun
als selbständiger Meister nicderläßt und einen eigenen Hausstaud gründet. „Hanns Frei handelt im
meinem Vater und gab mir seine Tochter mit Namen Jungfrau Agnes." . a r ^
Die erste Großtat des jugendlichen Dürerschen Genius waren die vierzehn gelvaltigcn ^o z-
schnittblätter der Apokalypse. Die geheime Offenbarung des hl. Johannes, eine gigantische, un-
heimliche Welt, voll Dunkelheit, voll düsterer schrecklicher Visioneu, das war der erste L)toss, l er i e^
jungen Künstlers Gestaltungskraft reizte. Daß er sich diesem Stofse zuwandte, lag uicht allein m >. cr
religiös aufgewühlten Stiminung seiner Zeit, sondcrn entsprach auch dem religiösen und dabei gruvlerisll)-
tiefsinnigen Grundzug seines eigenen Wesens. Die „/Ipoüalipsis cam 6§ueis" ist das Hauptwerl oer
Sturm- und Drangpcriode in des Künstlers geistiger Entwicklung. ^ ^
Wir sind erstaunt, menn wir unter diesem Gesichtspunkte das Selbstbildniv von 14. e-
trachten. Da ist nichts Wild-Genialisches — ein junger Mann in elegantem, fast stutzerhastem ise-
wande, mit sorgfältig gekräuseltem Lockenhaar blickt uns mit klaren, snnften, etmas träumerischen Kugen
an. Wir haben hier übrigens, was Porträtähnlichkeit anlangt, sicher das beste Lildms
Jn dem berühmten Selbstporträt der Münchner Pinakothe k (sigmert loOO) hat ^urir
die reine Frontalansicht gewählt. Die am meisten charakteristischen Lmien semer Physwgnomie ge)e
dabei verloren, freilich zugunsten einer Verschönerung und Jdealisierung der Zuge. Die sugenoucse
Jn solchcr von der wärmenden Sonne
echt katholischer Religiosität und zärtlicher
Elternliebe durchleuchteter Atmosphäre
wuchs der junge Albrecht heran, entfaltete
sich sein Sinn, hier im Elternhaus liegen
die Hauptwurzeln seines späteren Wesens
und zugleich seiner Kunst, das tief Gemüt-
volle und die aufrichtige Frömmigkeit.
Man knnn Dürers herzige Madonnenbild-
chen kaum so recht verstehen, denkt man
nicht dabei an des Künstlers eigene Kind-
heitstage dort im Pirkheimerschen Hinter-
haus unter der Obhut der ärmlichen, an
Liebe so reichen Mutter.
Doch wir sind dem Gang der Ereig-
nisse in Dürers Leben vorausgeeilt. Der
Vater schickte den jungen Albrecht in die
Schule und nahm ihn hierauf selbst in die
Lehre; ein Goldschmied lvie der Vater
sollte er wcrden. Aber den Knaben zog es
mitMacht zurKunst und nach anfänglichem
Widerstreben gab ihn der Vater auf drei
Jahre als Lehrling in die Werkstätte des
angesehenen Nürnberger Malers Michel
Wolgemut.
„Jn der Zeit", schreibt Dürer später,
„verliehe mir Gott Fleiß, daß ich wohl
lernete." Freilich hatte der schüchterne, in
sich gekehrte Junge, als welcher er sich
in einemSelbstbildnis vom Jahre1484
darstellt, viel von den Gesellen zu leiden.
Nach vollendeter Lehrzeit zog Albrecht
nach zünstigem Handwerksbrauch auf die
Wanderschaft, die ihn ins Elsaß, nach
Basel und auch über die Alpen irach
Venedig führte. Das Selbstporträt vom Jahre 1493 zeigt den 22jährigen als emen aus-
geschossenen Jüngling mit inädchenhaft bartlosem Antlih. Die kleinen Augen schauen beobachteil-
den Blickes in die Welt, die Dürersche Phpsiognomie ist schon voll und ganz ausgebildet: Dle ossene
Stirn, die stark vortretende Nase mit dem breiten Rücken, das ausdrucksvolle Kinn, der weiche, imn-
liche Mund. Wie ein leiser Hauch von Wanderburschen-Keckheit liegt es chber den jugendltchen Zugeil.
Das Bildnis ist wohl in der Fremde entstanden und von dort nach Hause geschickt worden. ,0»i
den immer noch von manchen in Abrede gestellten ersten Aufenthalt Dürers in Jtalien rst übrigcnv schon
die blaue Blume auf diesem Porträt ein durchschlagender Beweis, denn diese Blume (er^uAium ametkxsti-
num) kommt nur jenseits der Alpen vor und galt wahrscheinlich damals als eine Art Wahrzeichcn
dafür, daß man in Jtalien geivesen.
1494 nach Pfingsten kehrt Dürer von der Wanderschaft zurück in die Heimat, rvo er sich nun
als selbständiger Meister nicderläßt und einen eigenen Hausstaud gründet. „Hanns Frei handelt im
meinem Vater und gab mir seine Tochter mit Namen Jungfrau Agnes." . a r ^
Die erste Großtat des jugendlichen Dürerschen Genius waren die vierzehn gelvaltigcn ^o z-
schnittblätter der Apokalypse. Die geheime Offenbarung des hl. Johannes, eine gigantische, un-
heimliche Welt, voll Dunkelheit, voll düsterer schrecklicher Visioneu, das war der erste L)toss, l er i e^
jungen Künstlers Gestaltungskraft reizte. Daß er sich diesem Stofse zuwandte, lag uicht allein m >. cr
religiös aufgewühlten Stiminung seiner Zeit, sondcrn entsprach auch dem religiösen und dabei gruvlerisll)-
tiefsinnigen Grundzug seines eigenen Wesens. Die „/Ipoüalipsis cam 6§ueis" ist das Hauptwerl oer
Sturm- und Drangpcriode in des Künstlers geistiger Entwicklung. ^ ^
Wir sind erstaunt, menn wir unter diesem Gesichtspunkte das Selbstbildniv von 14. e-
trachten. Da ist nichts Wild-Genialisches — ein junger Mann in elegantem, fast stutzerhastem ise-
wande, mit sorgfältig gekräuseltem Lockenhaar blickt uns mit klaren, snnften, etmas träumerischen Kugen
an. Wir haben hier übrigens, was Porträtähnlichkeit anlangt, sicher das beste Lildms
Jn dem berühmten Selbstporträt der Münchner Pinakothe k (sigmert loOO) hat ^urir
die reine Frontalansicht gewählt. Die am meisten charakteristischen Lmien semer Physwgnomie ge)e
dabei verloren, freilich zugunsten einer Verschönerung und Jdealisierung der Zuge. Die sugenoucse