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Die Kunst dem Volke <München> — 1909 (Nr. 1-4)

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Albrecht Dürer
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https://doi.org/10.11588/diglit.21073#0012
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Anbetung der hl. drei ^önige. )504
Florenz, Uffiziengalerie

Doch, wie die von Pirkheimer verfaßte Grabschrist sagt: nur „was an Albrecht Dürer sterblich
war", liegt dort begraben, seine Werke aber sind unvergänglich und werden bewundert und geliebt
bleiben, solange es Menschen gibt, die in der Kunst das Tiefe und dabei Gesunde und Schlichte, das
Kernig-Wahre und Kraftvvlle schätzen.

An Dürer hat die religiöse Kunst ein Vorbild, die heiligen Gestalten und Begebenheiten fromm
und innig darzustellen, ohne falsches Jdealisieren, ohne gespreiztes Pathos, ohne schwächliche Senti-
mentalität.

Für die deutsche Kunst ist Dürer, in dessen Werk sich deutsches Wesen und deutsche Art so
unvergleichlich treu und wahr spiegeln, der Prüfstein, inwieweit sie ihres deutschen Namens würdig
ist und ihrer nationalen Aufgabe gerecht ivird. Fürs deutsche Volk aber, fürs deutsche Haus, für
das ja der große Meister in erster Linie gearbeitet, sollte Dürers Kunst ein bleibender Jungbrunnen
der Veredlung und tausendsältigen Genusses, sollte daher vor allem auch heute noch lebendiges Be-
sitztum sein.

Leider ist dem nicht so. llnser inneres wie äußeres Volksleben ist vielzusehr nivelliert, der
Geschmack des Volkes in dcr Richtung auf das Glatte, Süßliche, Oberflächliche verbildet. Dürers
Kunst hat nichts auf den ersten Blick Bestechendes. Wer sich durch das Rauhe, Knorrige seiner
Formensprache, durch das für unseren heutigen Geschmack Krause und Verworrene in manchen Werken,
wer sich z. B. durch die unserem Empfinden ost rätselhaften, üppigen, spätgotischen Knitterfalten gleich
abstoßen läßt, kann in ein Verständnis dieses Meisters nicht eindringen. Dürer kennen lernen, namentlich
in seinen Holzschnitten und Stichen, heißt sich in seine Werke versenken mit aufmerksamem Auge und
warmem Herzen. Dann aber lernt man ihn gewiß verstehen und hochschätzen. Man findet — anfangs
überrascht — in seinen Gemälden, besonders in den schlichten Blättern seiner Stiche und Holzschnitte einen
Reichtum von Empfindung, von charaktervoller Schönheit, wie ihn vielleicht kein zweiter Künstler bietet.
 
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