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dazu bei, der Erscheinung der Aiutter höhere Bedeutung und Würde, zugleich auch in dem Wechsel
von Licht und Schatten dem Ganzen mehr Leben und Zierlichkeit zu geben.
Aus demselben Jahre 1503 stammt das feine Blatt mit dem Wappen des Todes. Eine
reichgekleidete,geschmückte
Schöne mandelt zierlichen
Schrittes ihren Weg da-
her. Da fühlt sie sich von
einem kecken Verehrer an
den üppigcn Haarflechten
ergriffen, ein bärtiger
Kopf neigt sich über ihre
Schulter, um sie zu küs-
sen. Mit lcichtem, koket-
tem Widerstreben läßt sie
es lächelnd geschehen, sie
ahnt nicht, daß es derKuß
dcs Todes ist, den sie
empfängt. Durch diesen
pspchologisch feinen Zug
erhält die Szene etwas
viel Grausigeres, als
wenn, wie es in gleich-
zeitigen Totentänzen vor-
kommt, das Sichsträuben
des Opfers geschildert
wäre. Der Tod ist hier
nicht als Skelett darge-
stellt, sondern alszottiger,
wilder Mann, als der ge-
waltige Ritter, der auch
Wappen und Helmzier
führt. Jn diesem orna-
mentalen Teil des Blat-
tes ist besonders die feine
Charakterisierung des
Stofflichen bewunderns-
wert, man glaubt es zu
fühlen, das Trocken-
Brüchige des Schädels,
die kalte harte Glätte des
spiegelnden Stahlhelms,
den iveichen Flaum der
Flügcl rc.
Die Geburt Christi.
Dieser Stich hat sehr viel
Verwandtschaft mit der
Darstellung des etwa
gleichzeitigen Paumgart-
ner-Altars, nur daß hier
die Schilderung der Ruine
eigentlich zur Hauptsache
und das Figürliche fast
nur zur Staffage gewor-
den ist. Auch ist hier der
idyllische, liebenswürdig-
kleinbürgerliche Zug noch mehr ausgeprägt. Während Maria in die Anbetung des Kindes vertieft ist,
sind dem hl. Joseph die häuslichen Arbeiten zugefallen, die er mit ernsthafter Geschäftigkeit verrichtet.
Mit welcher Liebe hat Dürer die heimeligen, halbdunklen Winkel, Gänge und Treppen, die Mauerbogen,
das Balken- und Sparrenwerk und jede Ritze des alten Gemäuers wiedergegebenl Man fühlt sich
unwillkürlich an die gemütliche, naiv-kindliche Kleinwelt alter deutscher Weihnachtskrippen erinnert.
Dieselbe unendliche Liebe zum Detail bildet den Grundzug des merkwürdigen, schönen Blattes,
das den Titel „D er hl. Eustachius" trägt. Man sieht es auf den ersten Blick, die eigentliche Szene
Die Geburt Christi
Kupferstich, 1504
dazu bei, der Erscheinung der Aiutter höhere Bedeutung und Würde, zugleich auch in dem Wechsel
von Licht und Schatten dem Ganzen mehr Leben und Zierlichkeit zu geben.
Aus demselben Jahre 1503 stammt das feine Blatt mit dem Wappen des Todes. Eine
reichgekleidete,geschmückte
Schöne mandelt zierlichen
Schrittes ihren Weg da-
her. Da fühlt sie sich von
einem kecken Verehrer an
den üppigcn Haarflechten
ergriffen, ein bärtiger
Kopf neigt sich über ihre
Schulter, um sie zu küs-
sen. Mit lcichtem, koket-
tem Widerstreben läßt sie
es lächelnd geschehen, sie
ahnt nicht, daß es derKuß
dcs Todes ist, den sie
empfängt. Durch diesen
pspchologisch feinen Zug
erhält die Szene etwas
viel Grausigeres, als
wenn, wie es in gleich-
zeitigen Totentänzen vor-
kommt, das Sichsträuben
des Opfers geschildert
wäre. Der Tod ist hier
nicht als Skelett darge-
stellt, sondern alszottiger,
wilder Mann, als der ge-
waltige Ritter, der auch
Wappen und Helmzier
führt. Jn diesem orna-
mentalen Teil des Blat-
tes ist besonders die feine
Charakterisierung des
Stofflichen bewunderns-
wert, man glaubt es zu
fühlen, das Trocken-
Brüchige des Schädels,
die kalte harte Glätte des
spiegelnden Stahlhelms,
den iveichen Flaum der
Flügcl rc.
Die Geburt Christi.
Dieser Stich hat sehr viel
Verwandtschaft mit der
Darstellung des etwa
gleichzeitigen Paumgart-
ner-Altars, nur daß hier
die Schilderung der Ruine
eigentlich zur Hauptsache
und das Figürliche fast
nur zur Staffage gewor-
den ist. Auch ist hier der
idyllische, liebenswürdig-
kleinbürgerliche Zug noch mehr ausgeprägt. Während Maria in die Anbetung des Kindes vertieft ist,
sind dem hl. Joseph die häuslichen Arbeiten zugefallen, die er mit ernsthafter Geschäftigkeit verrichtet.
Mit welcher Liebe hat Dürer die heimeligen, halbdunklen Winkel, Gänge und Treppen, die Mauerbogen,
das Balken- und Sparrenwerk und jede Ritze des alten Gemäuers wiedergegebenl Man fühlt sich
unwillkürlich an die gemütliche, naiv-kindliche Kleinwelt alter deutscher Weihnachtskrippen erinnert.
Dieselbe unendliche Liebe zum Detail bildet den Grundzug des merkwürdigen, schönen Blattes,
das den Titel „D er hl. Eustachius" trägt. Man sieht es auf den ersten Blick, die eigentliche Szene
Die Geburt Christi
Kupferstich, 1504