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Die Kunst dem Volke <München> — 1909 (Nr. 1-4)

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Albrecht Dürer
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https://doi.org/10.11588/diglit.21073#0029
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Das Schweitztuch Lhristi von zwei Engeln gehalten
Kupseritich, 1518

N - vor Kaiph as. Eines der schönsten, seelisch tiefsten Blätter der „kleinen Passion".

^orne, hell beleuchtet, der Hohepriester. Der reichgekleidete, ivohlgenährte Herr ist durch die Ant-
6^3 außer Fassung geraten, sein Gesieht glüht vor giftiger Erregung, in heuchlerischer
sitriisiung zerreißt er mit den fetten Händen sein Gewand. Jm Halbdunkel des Gemachs, dessen
^mtergrund von Hellebarden und Spiehen starrt, steht vor ihm der Heiland, mit Ketten und Stricken
gefessitt, aber in munderbarer Hoheit. Aus dem Antlitz spricht das Bewußtsein der llnschuld und
Kuinmer- und Liebevolles. Der eine Scherge holt eben zum Backenstreiche aus, ein
i sirsi intcresianter, scharf ausgeprägter Charakterkopf ist der andere, zur Rechten Jesu.
onin - ^u'illantes Blatt, ein unübertreffliches Meisterwerk stecherischer Feinheit ist das um 1512

«i -bivenw appen mit dcm Hahn (s. letzte Seite). Man sehe nur die geradezu frappierende

° Körperlichkeit, ivomit der Stahlhelm gegeben, die Subtilität, ivomit das Gefieder des

moni' Federchen durchgearbeitet ist, ganz besonders das slatternde heraldischc Ranken-

kanm " feinster Durchbildung bis ins Einzelnste hinauszukommen, ist cigentlich

dui-l-bnösrs 7 ' das ^tzte Endchen und Blättchen so zarl, lebendig und individuell plastisch

Do,- ?och tritt keines besonders hervor und ist jede Spur von Kleinlichkeit vermicden.

aibl boi, l?' swgewogene Wcchsel von Licht und Schatten, wobei doch alle Härte vermieden ist,
- prnchtvoller Lebendigkeit und Frische. Welchen gewaltigen Fortschritt zeigt dies
bb-ib»,, Zeiten ein Vorbild eleganter, schwung- und geschmackvoller Ornamentik

.r'M noch spröden, saftlosen Ranken im Wappen des Todes!
iit ^ uieniger vollendet — man sehe nur die Haare, Flügel und Gewänder der Engel —

Fnde^n'bi^b^ E' welches das von zwei Engeln gehaltene Schweißtuch des Herrn darstellt.
Hcilanb-Ümiu ^^gl der Schwerpunkt dieses Stiches, sondern in dem überaus tief empfundenen
SchwcißtucheL sch uiehmütig und doch voll Hoheit und göttlicher Liebe aus den Falten des

verdanken wir den inhaltstiefen Stich, dem wir, an des Meisters eigene
si,-i nti ^ Titel „D cr N itter" geben. Die vielfach übliche Bezeichnung „Der

in bi-m- zutreffend, da jede Beziehung auf das Religiöse fehlt. lleberhaupt ist

ni„Nisi Ochueingeheimnist worden, obwohl der Sinn ganz klar zutage liegt. Dürer
bai ^chach den tapseren Ritter, den „Ritter ohne Furcht" darstellen. Seine sichere Burg droben
sipni i reitet nun unerschrocken in eine unheimliche, finstere Schlucht ein. Tod und

- - krsterer ein gekröntes Gespenst, das Antlitz von den Schlangen der Fäulnis mnringelt,
^^.6^"ffelte, gehörnte, bocksfüßige Schreckgestalt — umdräuen ihn, er achtet's gar nicht,
nicht lmks noch rechts, ein überlegenes Lächeln schwebt auf seinen wetterfesten Zügen. Auch

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