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Die Kunst dem Volke <München> — 1909 (Nr. 1-4)

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Albrecht Dürer
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https://doi.org/10.11588/diglit.21073#0040
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man sehe die aufgeregte
Partie rechts, mit den
Pferdebeinen und d^r-
ausgeftreckten Hand. Jn
geschlosfenech'Reihe, un-
aufhaltsam, umvidersteh-
lich brausen die gespensti-
schen R-eiter heran, selbst
des Todes dürres Röß-
lein trabt mit und alles
mird niedergeritten, nie-
mand verschont, nicht
MannnochWeib;Priester
und Laien, Volk und
König, alle sinken sie vor
dieser grausigen Schar
dahin. Und hinter dem
Tod zieht die Hölle ein-
her mit aufgerissenem
Rachen, um alles zu ver-
schlingen. Oben fliegt
ein Engel, der den Rei-
tern Weisungen erteilt.
Man mag in dem Bilde
einzelne Verzeichnungen
undHärtenherausfinden,
aber als Ganzes ist es
ein Kunstwerk von ge-
radezuungeheurer,dämo-
nischer Kraft und Größe.

Ein weiteres Blatt
gibt eine Jllustration zu
Kap. IX der Geh. Offen-
barung. Sieben Engeln
werden sieben Posaunen
gegeben und beim Schalle
einer jeden kommt ein
neues Weh über die
Menschheit. Hier ist dar-
gestellt der sechste Po-
saunenschall und seine
Wirkungen. Von den
vier Ecken des goldenen
Altares, der vor Gottes
Angesicht steht, erschallt

Die Begegnung Joachims und Annas unter der goldenen Pforte ^ Stimme: Löse die

Holzfchnitt aus dem Marienleben, 1504 vier die "gebunden

sind am großen Strome

Euphrat", die bestimmt sind, den dritten Teil der Menschheit zu töten. Jn den Wolken unterhalb des
Altares erscheint ein Reiterheer, das gesandt ist, die Menschen zu verderben. Aus den Rachen der
Löwenrosse geht „Feuer, Rauch und Schwefel" hervor. Der künstlerisch bedeutendere Teil des Blattes
ist die untere Hälfte mit dcn vier Todesengeln. Das sind allerdings keine Engel, wie sie gewöhn-
lich abgebildet werden, da ist nichts Zartes oder gar Sentimentales, das sind starke, knorrige Gottes-
knechte, die in schauerlicher Mordwut ihren Austrag erfüllen. Da hilft kein Flehen, da gitt kein An-
sehen der Person, selbst Papst und Kaiser fallen unter ihren schrecklichen Schwerthieben. Von grausiger
Schönheit ist besonders der vordere Engel, der sich mit der Gier eines 3taubtieres anf sein Opfer wirft.
Der prachtvolle, gotische Faltenwurf seines langen Gewandes verstärkt den Eindruck der heftigen Be-
wegung.

Das XII. Kap. der Apokalppse enthält den bekannten Bericht über Michaels Kampf mit
dem Drachen. „Es erhob sich ein großer Streit im Himmel: Michael und seine Engel stritten mit
dem Drachen. . . und es ward hinabgeworfen jener große Drache, die alte Schlange..." Dürer läßt
unten eine schöne, freie Landschaft sich entsalten, oben aber in den Lüften tobt der Kampf der himm-
 
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