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Die Kunst dem Volke <München> — 1909 (Nr. 1-4)

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Albrecht Dürer
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Auch die Töne sind voll Kraft und Lebendigkeit, den tiesen Schatten setzen sich feinverteilte, helle
Flächen entgegen, der Holzschnitt ist in diesem prachtvollen Blatte fast zu malerischer Wirkung empor-
gehoben.

Technisch vielleicht der vollendetste unter Dürers Holzschnitten und auch, lvas den geistigen Gehalt
anlangt, ein wundervolles Blatt ist „Die HI. Dreifaltigkeit". Es ist die dem Mittelalter geläufige
Auffassung des sogenannten Gnadenstnhles, die der Mcister hier (wie in dem „Allerheiligenbild") ge-
wählt hat. Hoch über den vier Winden hält Gott Vater den toten Sohn in den Armen und zeigt
ihn der Welt — eine Jllustration zu dem bekannten Schristwort: „So sehr hat Gott die Welt geliebt,
daß er seinen cingebornen Sohn für sie hingab."

Man weiß nicht, was man mehr bewundern soll, das unendlich huldvolle, milde, wahrhaft
väterliche Antlitz des mit der päpstlichen Tiara gekrönten Gottes des Vaters, der mit so zarter Liebe
den Leichnam des Sohnes hält und an sich drückt, oder die Gestalt des toten Heilandes. Mit seinen
schlaffen, vom Tode gelösten Gliedern, mit dem Antlitz, auf dem das Leben, aber nicht der süße
Ausdruck der Erlöserliebe erstorben ist, liegt er wirklich als ein Schlachtopfer der Liebe in des Vaters
Armen. Dienend und die Leidenswerkzeuge haltend schweben zu beiden Seiten himmlische Geister und
geben ihrem Schmerz und ihrer Bewunderung Ausdruck. Wenn es je einem Künstler gelungen ist,
die tröstliche Wahrheit von Gottes nnaussprechlichem Erbarmen in sinnenfällige Forin zu kleidcn, dann
hatDürer diese Aufgabe,
die zu den höchsten der
christlichenKunstgehört,
in diesem grandiosen
Blatt gelöst.

Mit dcm schönen
„Abendmahl" vom
Jahre 1523 wollen wir
dieBetrachtungderHolz-
schnitte Dürers be-
schließen. Jn srüheren
Darstellungen dieses
Gegenstandes hatte der
Meister auf das Beiwerk
großen Fleiß verwendet,
etwaaufdieSchilderung
der Oertlichkeit, oder er
hatte aus einen kunst-
vollen Lichteffekt hinge-
arbeitet, oder das Tisch-
gedeck ausführlich be-
schrieben. Das alles ist
hier fast vernachlässigt,
dem Künstler ist es nur
mehr um den eigent-
lichen Kern der Sache
zu tun. Der Abend-

ihncn befindlichen Verräter auf sie macht, das bringt uns wiederum die ganze Meisterschaft und Gedanken-
ticfe Dürers zum Bewnßtsein. Die drei am rechten Ende des Tisches sind in ernstem, erregtem Gespräch
über das Unerhörte, das sie eben vernommen, eine besonders schöne Gestalt ist der Nächste, mit dem
sorgenvoll sinnend vorgebeugten Haupt, der Folgende schlägt entsetzt die Hände zusammen und blickt
schaudernd im Kreis seiner Mitapostel herum, andere lauschen in ängstlicher Spannung, ob sie auch
recht gehört, suchen dns llnbegreifliche zu verstehen, oder sind in dumpfes Grübeln darüber versunken.

Wenn wir den schlichten Holzschnitt mit Lionardos bekanntem unsterblichen Meisterwcrk ver-
gleichen, so muß allerdings, lvas Wohllaut und harmonische Durchbildnng anlangt, das Werk des
Nürnberger Meisters wcit zurückstehen, an innerer Größe kommt es ihm von allen übrigen Abend-
mahlsbildern vielleicht am nächsten.

Gerade solche, von tiefer Frömmigkeit durchhauchte Werke, wie dieses „Abendmahl" und be-
sonders der Holzschnitt der „allerheiligsten Dreifaltigkeit" lassen uns auch in dcs Meisters eigene Ge-
sinnung einen tiesen Blick tun. Sie zeigen uns Dürer nicht bloß als Künstler allerersten Ranges,
der mit so einfachen, technischen Mitteln das Tiefste auszudrücken versteht, was das Menschenherz be-
wegt, sie zeigen uns ihn anch als wahrhaft christlichen Künstler. Nur ans der Fülle eines in
der christlichcn Gnade und Wahrheit lebenden Herzens heraus könncn solche Wcrke entstehen. Wie
tief muß zumal der Gedanke an das Leiden Christi in Seele und Phantasie Dürers Wurzel ge-
schlagen, wie innig nmß er diesen Gegenstand „betrachtet" haben, der sich nicht genug darin tun

Titelbild zur kleinen Passion, t5tl

mahlssaal ist so schlicht
als möglich gegeben, an
Geräten ist nur vor-
handen, was unbedingt
zur Kennzeichnung der
Situation nötig ist,
außerdem haben Korb,
Kanne und Platte im
Vordergrund den künst-
lerischenZweck, die Tiese
des Raumes deutlicher
hervortreten zu lassen.
Jn der Figur des hl.
Johannes ist die alter-
tümliche, uns unnatür-
lich und hart vorkom-
mende Darstellung des
Liegens an der Brust
Jesubeibehalten. Dürer
will nicht durch änßer-
liche Originalität wir-
ken. Aber wie nun
die einzelnen Apostel in
ihremverschiedenenCha-
rakter, nnd mie der Ein-
druck geschildert ift, den
Jes uWort von dem unter


 
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