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Die Kunst dem Volke <München> — 1909 (Nr. 1-4)

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Albrecht Dürer
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https://doi.org/10.11588/diglit.21073#0050
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oder eine Schöllkrautstaude, oder ein andersmal geradezu nur ein einfaches, grünes Stück Rasen mit
seinem Gewirre von Halmen und Stengeln wiedergegeben sind, Blätter, die uns zeigen, wie Dürer
bei aller seiner Meisterschaft sich doch stets als demütigen Schüler und Lehrling gefühlt hat, als Lehr-
ling der unerreichbaren Meisterin Natnrr Leider verbietet uns der hier verfügbare Raum, auf diese
Handzeichnungen Dürers näher einzugehen. Ein paar Beispiele hiefür bieten uns die Porträtzeich-
nung von Dürers Mutter, das reizende, segnende Christkind, das ivir hier reproduzieren und die
berühmte, ivunderbare Zeichnung des Kopfes eines alten Mannes, vor der alle Worte verstummen
müssen.

Wir haben den Rundgang durch Dürers Kunst beendigt. Es ist kein Gang durch eine fremde
Welt, alles mutet uns so heimisch an und so vertraut, es ist ja echt d eutsch es Wesen, deutsches
Gemüt in seiner Frömniigkeit, in seiner Tiefe, in seiner schlichten Lauterkeit, ivas uns daraus ent-
gegenivcht. Könnte das deutsche Volk je sich selbst verlieren, hier in Meister Albrechts Kunst, in dieser


Das Jesuskmd

Getuschte Handzeichnung, auf Pergament, t493

christlichen „Germania", könnte es das Jnnerste und Beste seines Wescns iviederfinden. Von Dürers
Werken geht man reicher und besser fort, als man zu ihnen gekommen. Man lernt aus ihnen den
Meister nicht bloß kennen und bewundern, man muß ihn lieben. Es ist, wenn wir Dürers Werke
an uns vorüberziehen lassen, als wanderten wir durch den deutschen Wald. Welch srischer Hauch,
welch vielgestaltiges Leben, welch geheimnisvolle Stimmen! Und wenn wir über das knorrige Wurzel-
werk tiefer und tiefer hineinschreiten, dann wird es um uns wie in einem Dom, die Stämme ragen
wie Säulen, das ernste, selige Blau des Himmels blickt durch die Wipfel, und Gedanken der Ewigkeit
durchschauern uns. Und dann wiederuin beugen wir uns nieder zum bunten Blümlein und zur
niedrigen Moosstaude und es bewegt uns das Herz, wie in Allem nnd Allem, im Großen wie im
Kleinsten Ein großer, herrlicher, gütiger Geist waltet und schafft. Und was einer von Deutschlands
edelsten Dichtern vom deutschen Walde singt, das gilt auch von der Kunst des großen Nürnberger
Meisters, auch in ihr

„... fteht geschrieben ein stilles, ernstes Wort

Vom rechten Tun und Lieben und was des Menschen Hort."
 
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