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Die Kunst dem Volke <München> — 1909 (Nr. 1-4)

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Ludwig Richter
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https://doi.org/10.11588/diglit.21073#0062
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— 10 —


Bild 1S. Aus Bechsteins Märchenbuch: Die sieben Schwaben.

Bilder durch Gruppen gleichmäßig dem Beschauer
näher zu führen und durch entsprechendeStaffagen
den Charakter einer Gegend zum allgemein ver-
ständlichen Ausdrucke zu bringen (Bild 4, 5 u. 6).
Jedermann kennt z. B. die köftliche Empfindung,
welche nach heißer Wanderung der Anblick eines
ersrischendenBrünnleins gewährt oder nachAbzug
eines Gewitters die einfachste Gegend hervorruft.
Richter spannt darüber noch einen glückverheißen-
den, glänzenden Regenbogen und schildert den
Jubel fröhlicher Kinder, welche in die
erfrischte Natur hinauseilen, während
die Mutter das jüngste Nesthühnchen
auf den Armen emporhält, diesem die
sonnige Pracht und taufrische Herr-
lichkeit zu zeigen. So stellt gleichsam
auch in Figura ein rechtes Wort zu
guter Zeit sich ein!

Jm Sommer 1826, nach dreijäh-
rigem Aufenthalt, hatte Richter sein
Ränzchen gepackt und, wie es damals
bei deutschen Malern meist der Brauch
war, wiederum ehrsam zu Fuß die
Rückwanderung über das schöne Flo-

renz, Carrara, über Mailand,
durch die Schweiz usw. ange-
treten.

Die Aussichten in der Hei-
mat waren für einen Maler
wenig günstig. Kunstvereine
gab es noch nicht, und in Elbe-
Florenzwaren außer dem sam-
melfleißigen Herrn v. Quandt,
welcher zwei Bilder Richters
erwarb — ihm entsprach zu
Augsburg-München etwa die
kunstliebende Familie des Ba-
rons von Lotzbeck zu Weyarn —
nur wenig private Mäzene. So
übernahm Richter, um der Un-
sicherheit zu entkommen, im
Februar 1828 gerne eine sehc
bescheidene Stelle an jener mit
der berühmten Porzellanfabrik
zu Meißen verbundenen Zeich-
nungsschule. Sie gewährte bei-
läufig den gewünschten Rück-
halt, umeinen häuslichenHerd
zu bauen und eine Ehe zu
schließen, welche fünfundzwan-
zigJahre lang dasGlück seines
Lebens begründete"). Als
Maler fühlte er sich freilich
sehr abgetrennt von allem Ver-
kehr mitKunstgenossen und an-
regenden Freunden; so zehrte
er denn an römischen Erinne-
rungen und Studien.

Man denke: acht Jahre in
Meißen — nach einem dreijäh-
rigen Aufenthalt in Jtalien!
Kein Wunder, wenn sich
seiner eine wahre Sehnsucht nach dem Süden
bemächtigte. Hatteeraus der „l^ontunu ckiDi-ovi"
getrunken oder

Von des Lotos süßer Kernfrucht,

Die der Heimat Angedenken

Und der Rückkehr Sehnsucht austilgt,

gekostet? Das krankhaste hesperische Heimweh
steigerte sich umsomehr, je ferner die Aussicht
rückte, bei so beschränkter Konstellation der Ver-
hältnisse eine solche Reise mit der gelicbten Gattin
zu wagen. Endlich schien der Verkauf
eines größeren Bildes die heißen
Wünsche zu ermöglichen. Aber da kam
unerwartet eine lange Krankheit seiner
Frau, und nach deren glücklicher Ge-
nesung war nicht allein die Zeit ver-
flossen, sondern auch durch Arzt, Apo-
theke und Pflege der kleine Schatz zer-
ronnen.

Zur Erholung von den schweren
Sorgen undMühen unternahmRichter
einen Ausflug das Elbetal entlang,
aufwärts über Aussig und Kamaik bis
Lowofitz, und entdeckte dabei — die

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