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spielt die Szene auf dem hohen Stadtturm, vor
der Stube des Feuerwächters. Die Tubabläser
intonieren das „Ehre
sei Gott in der Höhe
und Friede auf Erden"
(Bild 34), in welches der
Präzeptor und sein Chor
hellstimmiger, von Wind-
lichtern beleuchteterSchü-
lerlein notenfest einfallen.
Untenaberregt sich frohes
Leben hinter lichtstrah-
lenden Fenstern.
„Christ ist geborenl Freuc
dich, freue dich, ChristenheitN'
nd nunführtRichter, gleich
Albrecht Dürer, in den
armen, strohgedeckten
Stall, wo die selige Mur-
ter den anbetenden und
schalmeienden Hirtenkin-
dern den himmlischen
Christ zeigt, welcher, wie
WalthervonderVogelweideso tiefsinnig schön sagt,
„Als Mensch so jung,
AlS Gott so alt"
demütig im armen Bettlein ruht (Bild 33). So
variiert der Künstler immer neu das göttliche
Mysterium mit einem Quartett Gloria-singender
Engel und armer, anbetender Hirten.
* :s:
Abermaligen Ausschwung nahm seine holde
Kunst mit den von ihm selbst erdachten Bil-
derzyklen, welche, aus seinem tiefsten Jnnern
entsprungen und langsam ausgereift, einen wah-
ren Kronschatz deutscher, tiefsinniger Kunst dar-
stellen. Vorerst die „B e s ch a u l i ch e s u n d E r-
bauliches" betitelte Sammlung und die nach
den vier Jahreszeiten geordneten Hefte „Fürs
Hau s", eine wahre Dichtung in Bildern, in
welcher Richter in 60 Blättern die seinfühligsten
Beziehungen zwischen Menschenleben, Natur und
Kirche in die wohltönendsten Akkorde brachte,
eine solche Fülle poetischer Anschauungen, daß
BUd 82. Zwei Nutzknacker. Ferd. Rtehm, Leipzig.
gewißjederdavon erbaut, gehoben und mit besseren
Vorsätzen ausgerüstet jeden Zyklus weglegt und
immer wieder zu neuer Erquickung zur Hand
nimmt. Mit dem Winter, Neujahr und Epiphania
beginnt das erste Heft. Neben den anbetenden
und geschenkbringenden Königen und Hirten kniet
neben einer Frau und einem niedlichen Mägdlein
ein mittelbejahrter Mann, wohl Richter selbst,
bereit, demhimmlischenKinde sein„Christ-Freude"
betiteltesBüchlein alsAngebinde zuüberreichen,—
ein auch bei Moritz von Schwind häufig vor-
kommender liebenswürdiger Zug, sich und seine
Freunde auf verschiedenen Schöpfungen porträt-
mäßig mitspielen zu lassen. Bei der Familien-
gratulation am Neujahrsmorgen erscheinen vor
demkommendenBriefträger die ihreWünsche in ge-
Bild 83. Christi Geburt. Aus Richter-Sturm, Kinderleben I.
I. F. Steinkopf, Stuttgart.
bundener und extemporierender Weise darbringen-
den holden Sprossen des Hauses, von dessen mit
Blumen- und Fruchtgirlanden geschmücktem Dache
die Engelein ihre schneeigen Bettkissen nieder-
streuen, wie es im Volksliede heißt: „Die Engele
habe 's Bett gemacht, die Federe fliege runne!"
Allerlei Szenen aus der Kinderstube, das Wänne-
leinbad der „chleinen Pumpernickel", die fleißige
Spinnerin, das süße, im Mutterarm träumende
„Schlafgesindel" das doppelbesetzte Quartett des
kindlichen Karnevalzuges, die Schlittenfahrt mit
Schneemann-Bombardement, Fütterung der armen
Vögelein (Bild41)und um mildeGabe heischenden
Bettelkinder. das Dämmerstündchen am warmen
Ofen, dieWunder der klarenSternennacht und die
Freuden der Hausmusik ziehen vorüber. Oster-
glockenklang und der Frühlingseinzug (mit Poccis
spielt die Szene auf dem hohen Stadtturm, vor
der Stube des Feuerwächters. Die Tubabläser
intonieren das „Ehre
sei Gott in der Höhe
und Friede auf Erden"
(Bild 34), in welches der
Präzeptor und sein Chor
hellstimmiger, von Wind-
lichtern beleuchteterSchü-
lerlein notenfest einfallen.
Untenaberregt sich frohes
Leben hinter lichtstrah-
lenden Fenstern.
„Christ ist geborenl Freuc
dich, freue dich, ChristenheitN'
nd nunführtRichter, gleich
Albrecht Dürer, in den
armen, strohgedeckten
Stall, wo die selige Mur-
ter den anbetenden und
schalmeienden Hirtenkin-
dern den himmlischen
Christ zeigt, welcher, wie
WalthervonderVogelweideso tiefsinnig schön sagt,
„Als Mensch so jung,
AlS Gott so alt"
demütig im armen Bettlein ruht (Bild 33). So
variiert der Künstler immer neu das göttliche
Mysterium mit einem Quartett Gloria-singender
Engel und armer, anbetender Hirten.
* :s:
Abermaligen Ausschwung nahm seine holde
Kunst mit den von ihm selbst erdachten Bil-
derzyklen, welche, aus seinem tiefsten Jnnern
entsprungen und langsam ausgereift, einen wah-
ren Kronschatz deutscher, tiefsinniger Kunst dar-
stellen. Vorerst die „B e s ch a u l i ch e s u n d E r-
bauliches" betitelte Sammlung und die nach
den vier Jahreszeiten geordneten Hefte „Fürs
Hau s", eine wahre Dichtung in Bildern, in
welcher Richter in 60 Blättern die seinfühligsten
Beziehungen zwischen Menschenleben, Natur und
Kirche in die wohltönendsten Akkorde brachte,
eine solche Fülle poetischer Anschauungen, daß
BUd 82. Zwei Nutzknacker. Ferd. Rtehm, Leipzig.
gewißjederdavon erbaut, gehoben und mit besseren
Vorsätzen ausgerüstet jeden Zyklus weglegt und
immer wieder zu neuer Erquickung zur Hand
nimmt. Mit dem Winter, Neujahr und Epiphania
beginnt das erste Heft. Neben den anbetenden
und geschenkbringenden Königen und Hirten kniet
neben einer Frau und einem niedlichen Mägdlein
ein mittelbejahrter Mann, wohl Richter selbst,
bereit, demhimmlischenKinde sein„Christ-Freude"
betiteltesBüchlein alsAngebinde zuüberreichen,—
ein auch bei Moritz von Schwind häufig vor-
kommender liebenswürdiger Zug, sich und seine
Freunde auf verschiedenen Schöpfungen porträt-
mäßig mitspielen zu lassen. Bei der Familien-
gratulation am Neujahrsmorgen erscheinen vor
demkommendenBriefträger die ihreWünsche in ge-
Bild 83. Christi Geburt. Aus Richter-Sturm, Kinderleben I.
I. F. Steinkopf, Stuttgart.
bundener und extemporierender Weise darbringen-
den holden Sprossen des Hauses, von dessen mit
Blumen- und Fruchtgirlanden geschmücktem Dache
die Engelein ihre schneeigen Bettkissen nieder-
streuen, wie es im Volksliede heißt: „Die Engele
habe 's Bett gemacht, die Federe fliege runne!"
Allerlei Szenen aus der Kinderstube, das Wänne-
leinbad der „chleinen Pumpernickel", die fleißige
Spinnerin, das süße, im Mutterarm träumende
„Schlafgesindel" das doppelbesetzte Quartett des
kindlichen Karnevalzuges, die Schlittenfahrt mit
Schneemann-Bombardement, Fütterung der armen
Vögelein (Bild41)und um mildeGabe heischenden
Bettelkinder. das Dämmerstündchen am warmen
Ofen, dieWunder der klarenSternennacht und die
Freuden der Hausmusik ziehen vorüber. Oster-
glockenklang und der Frühlingseinzug (mit Poccis