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Die Kunst dem Volke <München> — 1909 (Nr. 1-4)

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Ludwig Richter
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Bild 48. Am Brunncn. Aus „Hermann und Dorothea". G. Wigand, Leipzig.

len und Jucheien zu den Klängen zweier dämoni-
schenMusikanten; auf der anderenSeite gehen, un-
beirrt durch den lockenden Zuruf, drei Mägdelein
mit Blumen und Kränzen zur nahen Kapelle.
Jn vielverschlungenem Ornamentenfries darüber
spielt Reineke den Gänsen auf.

Auf dem letzten Blatt tritt der Todesengel
in die Hütte der Armut und nimmt die Seele
der sterbenden Mutter aus dem Kreise der jam-
mernden Kinder. Erlöse uns von allem Übel.
Amen!

* *

*

Da sich bei Richter alles harmonisch fügt und
rundet. so ist er auch Meisterdes Humors.
Seiner Vorliebe zur Darstellung der gemütlichen
Philisterhaftigkeitistschon eingangs gedacht. Dabei
wird derKünstler, wenn er auch der heiterenLaune
den Zügel schießen läßt, niemals Karikaturist.
Davor bewahrte ihn schon sein feiner Takt. Man
nehme beispielsweise das „Richter-Album"^) zur
Hand und blättere nach Belieben. Da ist der kühne
Schneider,welcher „SiebenaufeinenStreicherlegt"
(Bild 13), nicht allein ein meisterlicher Holzschnitt
undMuster nadelspitzen Heldenmutes; der langsam
feilende und doch so schnell essende, von Grübel
in Nürnberger Mundart besungene Schlosserge-
selle 20), der von fröhlicher Jugend umringte

„Bildermann", jene an Chodowieckys „Hei-
ratsanträge" erinnernde Werbung eines be-
haglich gerundeten, sächsischen „Bonwiwang"
bei der von Lieblingshunden umringten
Madame —einGroßvater von Eduard Jlles
„Biedermaier", die gemütlicheJunggesellen-
Fraubaserei. Die Bilder zu Hebel gehören
überhaupt zu den echtesten Perlen Richters,
der sich mit größter Sorgfalt ins Aleman-
nische vertiefte, „wo mer's Kacheletrinke und
Ankeweckli drin dunke", wie anderswo den
„Bliemchegafö, mitButterbehmche" alsSpe-
zialitätbetreibt; dieüberallmöglichenSieben-
Schwaben-Geschichten sBild 14 u. 15), dann
der lustige Schneider Meckmeck, welcher die
dummen Teufel in der Hölle fashionable zu-
stutzt, oder der Schwan-kleb-an mit Zubehör:
das ist doch herzerfreuende, kerngesunde
Fröhlichkeit, die keinem Menschen wehe tut.

Ebenso bleibt immer bewundernswert
Richters bis ins einzelnste gehende Durch-
bildung der Form. Auch der kleinste Zug
ist nicht willkürlich beigefügt, sondern ge-
hört untrennbar zum Ganzen. Wie hat
Richter z. B. die Hunde behandelt, welch
charakteristische Exemplare von Möpsen,
Spitzen und anderen Rassen sind seinen
Philistern beigegeben! Der Hund tritt aber
auch im Ernste auf, als des Menschen
treuester Begleiter, Freund und Schützer;
dann hat er wieder den Ehrenplatz, sitzt mit-
ten unter
denKindern
als ihr
Spielzeug
und bester Kame-
rad, lebt in der
Familie, teilt als
Jagd- und Zug-
tierdieArbeit und
Erholung des Ta-
ges und liegt ge-
duldig als Wäch-
ter und Beschützer
an der Kette. Und
dann erstRichters
lauernde, nasch-
süchtige, spielen-
de Kätzchen und
Katzen; dieVögel:
die dicken Gimpel,

Meisen, Schwal-
ben, Stare, Tau-
ben und Sper-
linge; seine gravi-
tätischen Störche
und dazu die gak-
kernden oder in
ratloser Eile slie-
henden Hühner

und stolz ihrer Bil) 1S. Aus Bechsteins Märchenbuch
^ugend vorschrei- Der Mann ohns Hcrz.
 
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