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Die Kunst dem Volke <München> — 1909 (Nr. 1-4)

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Ludwig Richter
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https://doi.org/10.11588/diglit.21073#0088
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Bild 59. Heiinweh. Farbig getönte Federzeichnung. Jn Privatbcsitz.

Richter ehrlich und nach besten Krästen in seiner
Weise mit an der Lösung der sozialen Frage.
Wenn nun „unsere Kinder unter solchen Ein-
drücken und solchen Einflüssen heranwachsen, so
müssen sie daraus einen Schatz mit ins Leben
hineinnehmen, der nicht ohne treibende Früchte
bleiben kann"!

Es war wirklich der Mühe wert, alles zu-
sammenzustellen und genau zu verzeichnen, was
dieser liebenswürdige Meister schuf. I. Fr. Hoff,
einer seiner zahlreichen Schüler, hat sich noch zu
Richters Lebzeiten, aus den sichersten Quellen
schöpfend, dieser ebenso erfreulichen wie müh-
samen, bibliographisch-trockenen Arbeit unter-
zogen?°) Darin beziffert sich die Zahl der eigent-
händigen Radierungen Richters auf 240 Num-
mern. Dann kommt die erstaunliche Reihe von
Holzschnitt-Zeichnungen, welche in runder Zahl
2530 Stück ergeben (wovon 1048 in der Zeit von
1850—56 entstanden); ferner 245 Radierungen
und Stiche nach Richters Werken nebst 175
Lithographien und 91 durch Photographie und
Lichtdruck (bis l877) vervielfältigten Blättern,
so daß über dreitausend Werke von dem unermüd-
lichen und immer gleich originellen Künstler nach-
gewiesen werden?Z Die Zahl seiner überallhin
zerstreuten Handzeichnungen ist geradezu unbe-
stimmbar; an eine Sammlung seiner Briefe hat
noch niemand gedacht!

Sein äußerer, teilweise schon angedeuteter Le-
benslauf sei nachträglich kurz erzählt. Der Mann,
dessen Kunst alles tat, um seine Mitmenschen froh,
heiter, glücklich zu machen, hatte vieles zu ver-
winden. Jm Jahre 1847 starb unter scbweren
Leiden eine achtzehnjährige Tochter, bald darauf
seinVater, dereine ehrendeStellung noch erreichte.

Durchüberarbeitungstelltesich beiRichter eineNer-
venverstimmung ein, wogegen ihm die Ostseebäder
1849 und 1851 Heilung gewährten. Jm Sommer
1854 erfolgte nach fünfundzwanzigjähriger glück-
licher Ehe das plötzliche Ableben seiner Gattin,
bald darauf Gabers Krise. Dann meldeten sich
die Vorboten seines Augenleidens. Ausflüge
nach den Bergen Altbayerns, wobei der Meister
1858 abermals München berührte und durch
eiu schnell improvisiertes Künstlerfest freudige
Ehrung fand, änderten wenig. Jm Sommer
1863 starb seine Tochter Aimäe Gaber, bald
darauf die alte, gute Mutter. Als schließlich
Stift und Pinsel versagten, griff Richter zur Feder
und schrieb in so anmutender Weise seine „Er-
lebniße", die, 1885 (in Frankfurt bei Joh. Alt)
durch seinen Sohn Heinrich herausgegeben, bald
sehr geschickt und pietätvoll ergänzt und weiter-
geführt, in rascher Folge elf Auflagen benötigten.
Dazu kam noch eine populäre Nacherzählung
durch Gerlach (Dresden 1891) und neuestens eine
billige Volksausgabe durch den „Dürerbund"
(Leipzig, bei Max Hesse). Zur Feier seines 70.
und 80. Wiegenfestes folgten längst verdiente
Ehren und Huldigungen seiner Zeitgenossen für
den immer bescheidenen, demütigen Mann, der im
stillen Loschwitz bei Dresden der Ruhe pflog.
Sein Leben, dessen Ende er längst ersehnt, erlosch
schmerzlos am 20. Juni 1884. Noch am letzten
Morgen hatte er in sein Tagebuch geschrieben:

Groß denken, im Herzen rein,

Halte dich gering und klcin,

Freue dich in Gott allein!

Welch' ein Schatz von Lieblichkeit, Wohlklang
und Mannigfaltigkeit ist in seinen zahlreichen
 
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