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AbL> 5. Werküiidtgung an die Hirten und Geburt iMiniatur)
Evangeliar aus Altomünster, 12. Jahrh.
Pflanzen geheimnisvolle Kräfte erhalten, Bäume
und Blumen wundersam erblühen, dieTiere mitein-
ander in nienschlicher Sprache reden! Die Herrlichste
Gabe aber wird dem Menschen zuteil, die „f r ohe
Botschaft" von der Gnade und Menschen-
freundlichkeit Gottes, die uns in Kindesgestalt er-
schienen ist, auf daß wir Kinder Gottes würden.
Jn köstlicher Schlichtheit erzählt der Evangelist:
. . . . „E s g e s ch a h, a ls si e d o rt (i n B et h-
lehem) waren, erfüllten sich die Tage,
daß Maria gebären sollte. Und sie ge-
bar ihren Sohn, denErstgeborenen
und wickelte ihn in Windelnund legte
ihn in eine Krippe, weil für sie kein
Platz w a r i n d e r H erb e r g e. UndHir-
ten waren inderselben Gegend, die im
Freien übernachteten und Nachtwache
h i e l t c n b e i i h r e r Herde. Undsieh, ein
Engel des Herrn stand bei ihnen und
der Glanz Gottes umstrahlte sie, und
siefürchteten sich sehr. Und derEngel
sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht,
denn siehe, ich verkündige euch eine
große Freude, die allem Volke zuteil
werden wird. Denn geboren ist euch
heutederHeiland, welcheriftChristus
derHerrinderStadtDavids. Unddies
sei euch das Zeichen: ihrwerdetein Kind-
lein finden, in Windeln eingewickelt und
liegend in einer Krippe. Und plötzlich
kam zu dem Engel eine Menge der himm-
lischen Heerschar, welche Gott lobten und
sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und
Friede den Menschen auf Erden, die
einesgutenWillenssind!Undesgeschah,
a l s d i e E n g e l v o n i h n e n w e g g i n g e n i n d e n
H i m m el, s p r a ch e n die H i rt e n zu e i n a n d er:
Laßt uns hingehen nach Bethlehem und
sehen dieses Wort, das ergangen ist, das
der Herr uns kundgetan hat! Und sie ka-
men eilend und fanden Maria und Josef
und das Kind, das in der Krippe Ia g."
Und diese frohe Botschaft wird nicht bloß ver-
kündet. So eigenen, seelenvollen Klang haben die
Glocken niemals, als wenn sie hinausdröhnen in das
sehnsüchtige Schweigen der heiligen Nacht. Hellerleuch-
tet stehen die Fenster des Gotteshauses, die weiten
Räume füllen fich, ungezählte Lichter schimmern und
glänzen. Die Orgel intoniert, jauchzend braust es da-
hin: „Es kam die gnadenvolle Nacht, die uns das Heil
der Welt gebracht!" Und wenn dann süße heilige Stille
eingekehrt ist und nur das Wandlungsglöcklein tönt,
dann fallen die Hüllen und Schranken von Raum und
Zeit, wie in seliger Vision schauensie alle den armen
Stall von Bethlehem, die hl. Mutter mit dem lieben,
göttlichen Kindlein — ja es erneuert sich das My-
sterium der heiligen Nacht, tausend und tausend Her-
zen, die guten Willens sind, sie werden zur Krippe,
wo in Demut und gläubiger Liebe der himmlische
Friedensfürst aufs Neue geboren wird.
Es ist gar nicht zu ermessen, wieviel nicht bloß
an himmlischem Licht und Gnade, sondern auch an
Gütigkeit, an Freude und Trost zu allen Zeiten
aus dem christlichen Weihnachtsgedanken in die
Menschheit übergeströmt ist. Und wieviel P o e-
sie! Welches Märchendichters Phantasie hätte
auch Wundersameres, Duftigeres ersinnen können,
als diese Erzählung vom himmlischen Kindlein und
seiner Mutter, von den Hirten und Engeln und den
Königen, die vom Sterne geführt werden, — und
hier ist mehr, unendlich viel mehr als Dichtung und
Märchen. Von jeher hat das Volksgemüt mit be-
sonderer Vorliebe in dieser Poesie des Geheimnisses
von Bethlehem geschwelgt. Heute noch ist im katho-
lischcn Volksleben die Weihnachtszeit uon einem
eigenartigen Zauber verklärt, keine andere Zeit ist
so reich an tiefsinnigen Volksbräuchen, und Weih-
nachtskripplein, Christbaum, Christbescherung
werfen einen Schimmer dieser Poesie selbst in das
sonst so nivellierte Leben des modernen Städters.
Die Muse der christlichen Dichtkunst hat
vor der Krippe des Jesuskindes ihre schönsten
Weisen gefunden, angefangen von dem ernsteinher-
schreitenden mittelalterlichen Weihnachtsgesang:
„Er ist gewaltig und stark,
Der zu Weihnachten geboren ward,
Er ist der heilige Christ,
Jhn lobet alles, was da ist."
oder dem naiven:
AbL> 5. Werküiidtgung an die Hirten und Geburt iMiniatur)
Evangeliar aus Altomünster, 12. Jahrh.
Pflanzen geheimnisvolle Kräfte erhalten, Bäume
und Blumen wundersam erblühen, dieTiere mitein-
ander in nienschlicher Sprache reden! Die Herrlichste
Gabe aber wird dem Menschen zuteil, die „f r ohe
Botschaft" von der Gnade und Menschen-
freundlichkeit Gottes, die uns in Kindesgestalt er-
schienen ist, auf daß wir Kinder Gottes würden.
Jn köstlicher Schlichtheit erzählt der Evangelist:
. . . . „E s g e s ch a h, a ls si e d o rt (i n B et h-
lehem) waren, erfüllten sich die Tage,
daß Maria gebären sollte. Und sie ge-
bar ihren Sohn, denErstgeborenen
und wickelte ihn in Windelnund legte
ihn in eine Krippe, weil für sie kein
Platz w a r i n d e r H erb e r g e. UndHir-
ten waren inderselben Gegend, die im
Freien übernachteten und Nachtwache
h i e l t c n b e i i h r e r Herde. Undsieh, ein
Engel des Herrn stand bei ihnen und
der Glanz Gottes umstrahlte sie, und
siefürchteten sich sehr. Und derEngel
sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht,
denn siehe, ich verkündige euch eine
große Freude, die allem Volke zuteil
werden wird. Denn geboren ist euch
heutederHeiland, welcheriftChristus
derHerrinderStadtDavids. Unddies
sei euch das Zeichen: ihrwerdetein Kind-
lein finden, in Windeln eingewickelt und
liegend in einer Krippe. Und plötzlich
kam zu dem Engel eine Menge der himm-
lischen Heerschar, welche Gott lobten und
sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und
Friede den Menschen auf Erden, die
einesgutenWillenssind!Undesgeschah,
a l s d i e E n g e l v o n i h n e n w e g g i n g e n i n d e n
H i m m el, s p r a ch e n die H i rt e n zu e i n a n d er:
Laßt uns hingehen nach Bethlehem und
sehen dieses Wort, das ergangen ist, das
der Herr uns kundgetan hat! Und sie ka-
men eilend und fanden Maria und Josef
und das Kind, das in der Krippe Ia g."
Und diese frohe Botschaft wird nicht bloß ver-
kündet. So eigenen, seelenvollen Klang haben die
Glocken niemals, als wenn sie hinausdröhnen in das
sehnsüchtige Schweigen der heiligen Nacht. Hellerleuch-
tet stehen die Fenster des Gotteshauses, die weiten
Räume füllen fich, ungezählte Lichter schimmern und
glänzen. Die Orgel intoniert, jauchzend braust es da-
hin: „Es kam die gnadenvolle Nacht, die uns das Heil
der Welt gebracht!" Und wenn dann süße heilige Stille
eingekehrt ist und nur das Wandlungsglöcklein tönt,
dann fallen die Hüllen und Schranken von Raum und
Zeit, wie in seliger Vision schauensie alle den armen
Stall von Bethlehem, die hl. Mutter mit dem lieben,
göttlichen Kindlein — ja es erneuert sich das My-
sterium der heiligen Nacht, tausend und tausend Her-
zen, die guten Willens sind, sie werden zur Krippe,
wo in Demut und gläubiger Liebe der himmlische
Friedensfürst aufs Neue geboren wird.
Es ist gar nicht zu ermessen, wieviel nicht bloß
an himmlischem Licht und Gnade, sondern auch an
Gütigkeit, an Freude und Trost zu allen Zeiten
aus dem christlichen Weihnachtsgedanken in die
Menschheit übergeströmt ist. Und wieviel P o e-
sie! Welches Märchendichters Phantasie hätte
auch Wundersameres, Duftigeres ersinnen können,
als diese Erzählung vom himmlischen Kindlein und
seiner Mutter, von den Hirten und Engeln und den
Königen, die vom Sterne geführt werden, — und
hier ist mehr, unendlich viel mehr als Dichtung und
Märchen. Von jeher hat das Volksgemüt mit be-
sonderer Vorliebe in dieser Poesie des Geheimnisses
von Bethlehem geschwelgt. Heute noch ist im katho-
lischcn Volksleben die Weihnachtszeit uon einem
eigenartigen Zauber verklärt, keine andere Zeit ist
so reich an tiefsinnigen Volksbräuchen, und Weih-
nachtskripplein, Christbaum, Christbescherung
werfen einen Schimmer dieser Poesie selbst in das
sonst so nivellierte Leben des modernen Städters.
Die Muse der christlichen Dichtkunst hat
vor der Krippe des Jesuskindes ihre schönsten
Weisen gefunden, angefangen von dem ernsteinher-
schreitenden mittelalterlichen Weihnachtsgesang:
„Er ist gewaltig und stark,
Der zu Weihnachten geboren ward,
Er ist der heilige Christ,
Jhn lobet alles, was da ist."
oder dem naiven: