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Gherardo dcllo Notti Abb. 14
Galleria Uffizi, Florenz. Photographicverlag Brogi, Rom
ihm 1498 den Feuertod erlitten hatten, ein Denk-
mal setzem Hatte doch der düstere, ivortgewaltige
Prophet von Florenz und sein tragisches Ende ge-
rade auf Sandro einen unauslöschlichen Eindruck
gemacht, Die Welt hatte ihn verkannt verurteilt,
Botticelli war nie an ihm irre geworden, hier,
im Jdealreiche des kindlichen Friedensfürsten von
Bethlehem weist er ihm einen bevorzugten Platz an,
So wird uns das tiefsinnigste aller Weihnachts-
bilder zugleich ein interessantes, zeitgeschichtliches
Denkmal und nicht zuletzt auch ein bedeutsames
rührendes Dokument zur Beurteilung des M e n-
schen Botticelli.
Ein besonders charakteristisches Bild für die
letzte Periode des Quattrocento ist die dem Werke
Botticellis zeitlich sogar etwas vorangehende „Ge-
burt Christi" von Domenico Ghirlandajo
(1449—1494) (Abb.8). Charakteristisch schon durch
die gewaltsam herbeigezogenen Reminiszenzen aus
der Antike. Kunst und Leben waren ja damals
von geradezu überschwenglicher Schwärmerei für
das alte griechische und römische Heidentum und
seine Kultur beherrscht. So will auch unser Meister
seine Kenntnis der Antike beweisen, indem er ein
paar kannelierte römische Pfeiler als Tragstützen
für den Stall von Bethlehem verwendet. Ein
Sarkophag mit altrömischer Jnschrift muß als
Krippe dienen, und im Mittelgrund sehen wir gar
einen wahrhaftigen Triumphbogen aufgepflanzt,
durch welchen die glänzende Kavalkade der heiligen
drei Könige eben ihren Einzug hält.
Einen enormen Fortschritt weist Ghirlandajos
Bild auf in der naturwahren Durchbildung der
Figuren und der Einzelheiten überhaupt. Man
betrachte nur das hübsche Stilleben links, das
Fäßchen und den Sattel, der mit aller Genauig-
keit, bis auf das Loch im Überzug wiedergegeben
ist. Der Ochs und Esel, das Lamm, das der
Hirte herbeiträgt, sind prächtige Tierstücke. Und
diese Hirten, — das sind echte Bauern, aus dem
Leben gegriffen, und sicherlich genau nach lebenden
Modellen gemalt, mit ihren schlechtrasierten Ge-
sichtern und grobknochigen Händen. (Übrigens ist
der kühne, rücksichtslose Realismus dieser Figuren
größtenteils auf einen Einfluß nordischer Kunst
zurückzuführen.) Einen so prunkvollen Faltenwurf,
einen so dustigen Kopfschleier, eine so klassisch-
schöne Hand, wie sie die hl. Mutter hier zeigt,
hätte ihr Fiesole nimmermehr geben können. Und
das Kind ist wirklich ein entzückender kleiner Bube.
Aber auch nicht mehr als ein schönes Menschen-
kind. Der letzte Strahl des Göttlichen ist ver-
schwunden. Diese Madonna hat nicht, wie bei
Fra Angelico und Botticelli im Anblick des kleinen
Gherardo dcllo Notti Abb. 14
Galleria Uffizi, Florenz. Photographicverlag Brogi, Rom
ihm 1498 den Feuertod erlitten hatten, ein Denk-
mal setzem Hatte doch der düstere, ivortgewaltige
Prophet von Florenz und sein tragisches Ende ge-
rade auf Sandro einen unauslöschlichen Eindruck
gemacht, Die Welt hatte ihn verkannt verurteilt,
Botticelli war nie an ihm irre geworden, hier,
im Jdealreiche des kindlichen Friedensfürsten von
Bethlehem weist er ihm einen bevorzugten Platz an,
So wird uns das tiefsinnigste aller Weihnachts-
bilder zugleich ein interessantes, zeitgeschichtliches
Denkmal und nicht zuletzt auch ein bedeutsames
rührendes Dokument zur Beurteilung des M e n-
schen Botticelli.
Ein besonders charakteristisches Bild für die
letzte Periode des Quattrocento ist die dem Werke
Botticellis zeitlich sogar etwas vorangehende „Ge-
burt Christi" von Domenico Ghirlandajo
(1449—1494) (Abb.8). Charakteristisch schon durch
die gewaltsam herbeigezogenen Reminiszenzen aus
der Antike. Kunst und Leben waren ja damals
von geradezu überschwenglicher Schwärmerei für
das alte griechische und römische Heidentum und
seine Kultur beherrscht. So will auch unser Meister
seine Kenntnis der Antike beweisen, indem er ein
paar kannelierte römische Pfeiler als Tragstützen
für den Stall von Bethlehem verwendet. Ein
Sarkophag mit altrömischer Jnschrift muß als
Krippe dienen, und im Mittelgrund sehen wir gar
einen wahrhaftigen Triumphbogen aufgepflanzt,
durch welchen die glänzende Kavalkade der heiligen
drei Könige eben ihren Einzug hält.
Einen enormen Fortschritt weist Ghirlandajos
Bild auf in der naturwahren Durchbildung der
Figuren und der Einzelheiten überhaupt. Man
betrachte nur das hübsche Stilleben links, das
Fäßchen und den Sattel, der mit aller Genauig-
keit, bis auf das Loch im Überzug wiedergegeben
ist. Der Ochs und Esel, das Lamm, das der
Hirte herbeiträgt, sind prächtige Tierstücke. Und
diese Hirten, — das sind echte Bauern, aus dem
Leben gegriffen, und sicherlich genau nach lebenden
Modellen gemalt, mit ihren schlechtrasierten Ge-
sichtern und grobknochigen Händen. (Übrigens ist
der kühne, rücksichtslose Realismus dieser Figuren
größtenteils auf einen Einfluß nordischer Kunst
zurückzuführen.) Einen so prunkvollen Faltenwurf,
einen so dustigen Kopfschleier, eine so klassisch-
schöne Hand, wie sie die hl. Mutter hier zeigt,
hätte ihr Fiesole nimmermehr geben können. Und
das Kind ist wirklich ein entzückender kleiner Bube.
Aber auch nicht mehr als ein schönes Menschen-
kind. Der letzte Strahl des Göttlichen ist ver-
schwunden. Diese Madonna hat nicht, wie bei
Fra Angelico und Botticelli im Anblick des kleinen