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holdselig, eine Prachtgestalt ist der Hirt im Vor-
dergrund, ein rechter spanischer Bauer, der so kind-
lich naiv mit dem kleinen Jesulein scherzt und
ihm sein Lamm zum Geschenk anbietet. Die schöne
Geschlossenheit der Komposition, der Formenadel
bei aller kraftvollen Naturwahrheit, das Licht, das,
vom göttlichen Kinde ausgehend, alle Gestalten
gleichmäßig ruhig beglänzt, das alles gibt dem
Der deutschenKunst war keine so glänzende
Entfaltung beschieden, wie der italienischen. Den
großen Stil, die Formvollendung des Quattro-
cenlo dürfen wir in der mittelalterlichen deut-
schen Malerei nicht suchen. Was aber Tiefe des
Gemütes und religiöse Jnnigkeit der Auffassung
anlangt, sind unsere schlichten mittelalterlichen
Meister den Jtalienern überlegen, ja ich möchte
sagen: was wir beim Klange des
Wortes „Weihnachten" fühlen, das
hat von allen italienischen Meistern
kaum eincr, das haben so recht
eigentlich bloß die deutschen
Meister ausgesprochen.
Da sind die drei Weihnachtsdar-
stellungen aus dem großen Klaren-
altar (Abb. 16) im Dome zu Köln,
ein Werk der hochberühmten, heute
wieder so vielgenannten älteren
Kölner Schule, wie man vermutet
hat, des M e ist er s W i lh el m, der
in der zweiten Halfte des 14. Jahr-
hunderts blühte. Es ist also ein
Zeitraum von zwei Jahrhunderten,
der zwischen diesem deutschen Wrrke
und der früher betrachteten Minia-
tur aus Altomünster liegt. Auch in
Deutschland hat, wie wir sehen, die
ikonographische Entwicklung densel-
ben Lauf genommen, wie in Jtalien.
Auch hier ist Maria jeht in zarter
Iugendlichkeit dargestellt, und sie
kniet mit dem heiligen Joseph
anbetend vor dem Kinde. Die Krip-
pe ist noch in etwas altertümlicher
Weise gebildet, auch die Szene, wie
das Jesuskind gebadet wird, weist
noch auf den Zusammenhang mit
der alten, ursprünglich morgenlän-
dischen Tradition. Aber welch ein
gewaltiger stilistischer und innerer
Fortschritt gegenüber jener Minia-
tur! Dort alles starr, leblos, die
Figuren für unser Empfinden roh
und plump, hier alles so lebens-
und so seelenvoll. Wie sind diese
Gesichter und Hände durchgeistigt,
welch unbeschreibliche minnigliche
Holdseligkeit lächelt aus dem Antlitz
Mariens! Wunderlieb ist es, wie
das Kind sich aus der Krippe nie-
derbeugt, um die Mutter zu küssen;
wie naiv und kindlich muten uns
die Hirten auf dem Felde mit ihren
Lämmlein an, und die Badeszene
ist eine Jdylle von entzückender
Lieblichkeit und Frische. Diese älte-
ren Kölner Meister haben eine ge-
wisse innere Verwandtschaft mit
Fiesole. Nur ist bei ihnen alles ei-
gentlich noch mehr auf den Ton des Anmutigen
und Gemütvollen gestimmt, und—was sie uns be-
Hans Memlirig Abb. lS Die sieben Frenden Mariens
Detail: Die Geburt Jesu
Kgl. Pinakothek, München. Photographieverlag F. Bruckmann A.-G., München
Werke Murillos etwas ungemein Wohltuendes,
Abgeklärtes, wahrhaft Klassisches.
holdselig, eine Prachtgestalt ist der Hirt im Vor-
dergrund, ein rechter spanischer Bauer, der so kind-
lich naiv mit dem kleinen Jesulein scherzt und
ihm sein Lamm zum Geschenk anbietet. Die schöne
Geschlossenheit der Komposition, der Formenadel
bei aller kraftvollen Naturwahrheit, das Licht, das,
vom göttlichen Kinde ausgehend, alle Gestalten
gleichmäßig ruhig beglänzt, das alles gibt dem
Der deutschenKunst war keine so glänzende
Entfaltung beschieden, wie der italienischen. Den
großen Stil, die Formvollendung des Quattro-
cenlo dürfen wir in der mittelalterlichen deut-
schen Malerei nicht suchen. Was aber Tiefe des
Gemütes und religiöse Jnnigkeit der Auffassung
anlangt, sind unsere schlichten mittelalterlichen
Meister den Jtalienern überlegen, ja ich möchte
sagen: was wir beim Klange des
Wortes „Weihnachten" fühlen, das
hat von allen italienischen Meistern
kaum eincr, das haben so recht
eigentlich bloß die deutschen
Meister ausgesprochen.
Da sind die drei Weihnachtsdar-
stellungen aus dem großen Klaren-
altar (Abb. 16) im Dome zu Köln,
ein Werk der hochberühmten, heute
wieder so vielgenannten älteren
Kölner Schule, wie man vermutet
hat, des M e ist er s W i lh el m, der
in der zweiten Halfte des 14. Jahr-
hunderts blühte. Es ist also ein
Zeitraum von zwei Jahrhunderten,
der zwischen diesem deutschen Wrrke
und der früher betrachteten Minia-
tur aus Altomünster liegt. Auch in
Deutschland hat, wie wir sehen, die
ikonographische Entwicklung densel-
ben Lauf genommen, wie in Jtalien.
Auch hier ist Maria jeht in zarter
Iugendlichkeit dargestellt, und sie
kniet mit dem heiligen Joseph
anbetend vor dem Kinde. Die Krip-
pe ist noch in etwas altertümlicher
Weise gebildet, auch die Szene, wie
das Jesuskind gebadet wird, weist
noch auf den Zusammenhang mit
der alten, ursprünglich morgenlän-
dischen Tradition. Aber welch ein
gewaltiger stilistischer und innerer
Fortschritt gegenüber jener Minia-
tur! Dort alles starr, leblos, die
Figuren für unser Empfinden roh
und plump, hier alles so lebens-
und so seelenvoll. Wie sind diese
Gesichter und Hände durchgeistigt,
welch unbeschreibliche minnigliche
Holdseligkeit lächelt aus dem Antlitz
Mariens! Wunderlieb ist es, wie
das Kind sich aus der Krippe nie-
derbeugt, um die Mutter zu küssen;
wie naiv und kindlich muten uns
die Hirten auf dem Felde mit ihren
Lämmlein an, und die Badeszene
ist eine Jdylle von entzückender
Lieblichkeit und Frische. Diese älte-
ren Kölner Meister haben eine ge-
wisse innere Verwandtschaft mit
Fiesole. Nur ist bei ihnen alles ei-
gentlich noch mehr auf den Ton des Anmutigen
und Gemütvollen gestimmt, und—was sie uns be-
Hans Memlirig Abb. lS Die sieben Frenden Mariens
Detail: Die Geburt Jesu
Kgl. Pinakothek, München. Photographieverlag F. Bruckmann A.-G., München
Werke Murillos etwas ungemein Wohltuendes,
Abgeklärtes, wahrhaft Klassisches.