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Die Kunst dem Volke <München> — 1909 (Nr. 1-4)

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Weihnachten in der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.21073#0116
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24

Lucas Cranach Abb. 25

Sammlung Magnusscn, Brcmcn. Durch frdl. Vermittlung der Kunsthalle, Bremen

vor dem Kinde knien. Besonders schön ist der kleine
Bube, der in verstohlener Neugierde nach dem
Kindlein späht, oder das knieende Weiblein der Ma-
donna gegenüber, das vor Staunen ganz außer sich
ist. Auch die hl. Mutter selbst hat trotz alles Mangels
an landläufiger „Schönheit" und trotz der derben
Bauernhände in ihrer stillen, gütigen, verschüchter-
ten Art doch etwas ungemein Rührendes. Und dann
das Licht! Von dem unscheinbaren kleinen Kinde
geht es aus und oerklärt mit seinem milden Glanze
rings die derben Gestalten und Gesichter, so daß ste
fast schön werden, und auch das armselige Gerät
und Balkenwerk darf sich sonnen in seinem Scheine.
Wie der kleine Lichtherd in dem großen Halb-
dunklen Raume schimmert, das gibt dem Ganzen
so etwas Heimisch-Trauliches, echt Nordisch-Weih-

nachtliches. Das Licht ist nicht
so blendend und prächtig wie in
Correggios „heiliger Nacht", es
hat aber etwas viel Feineres,
Geheimnisvolleres, ich möchte
sagen etwas Seelisches an sich.

Nur nebenbei sei auch hinge-
wiesen auf das prachtvolle Blatt
einer Radierung, die ebenfalls
Rembrandt zugeschrieben wird
und die Verkündigung an
die Hirten zum Gegenstande
hat (Abb. 4). Was bei Memling
noch im Tone eines schlichten,
rührenden Volksliedes erklang,
das ist hier zur efsektvoll rau-
schenden Opernmusik umge-
dichtet.

Das 18. Jahrhundert war
für die eigentlich religiöse Kunst
eine Zeit bedauerlicher Ver-
flachung und Veräußerlichung.
Dagegen war ihr zu Anfang des
19. Jahrhunderts eine schöne
Nachblüte beschieden durch die
sogenannten Nazarener und Ro-
mantiker. Wie lieblich und in-
nig und kindlich fromm ist das
Bild des heiligmäßigen Meisters
F. I. Overbeck (1789 bis
1869)! Jhm galt seine Kunst
wie einst einem Fiesole als
Gottesdienst, wir empfinden es
auch vor dieser „heiligen Nacht"
(Abb. 28) sosort: Diesem Mei-
ster war nicht irgend ein kün st-
lerisches Problem die Haupt-
sache, die Kunst ist hier zur de-
mütigen Dienerin des religiösen
Weihnachtsgedankens geworden.

Ebenso fromm, nur kerniger
und kraftvollsr ist der Holz-
schnitt (Abb. 29) des Wiener
Meisters Jos. von Führich
(1800—1876). Der Einfluß
Dürers ist unverkennbar. Ein
besonders schöner, origineller Gedanke ist es, wie
der Künstler die christliche Seele als Pilgerin mit
brennender Lampe vor der Krippe knieen läßt und
wie ihr das göttliche Kindlein freundlich zuwinkt,
näherzukommen.

Wie begonnen (Abb. 2) so beschließen wir die
Darstellungen der heiligen Nacht mit einem reli-
giösen Genrebild (Abb. 30), dem reizenden Bilde
Meister Ludwig Richters (1803—1884), des
liebenswürdigen Schilderers deutscher Häuslich-
keit und Gemütlichkeit. Die heilige Nacht ist wie-
der gekommen, festlich glänzen die Sternlein her-
nieder, und vom Turme schallen die Klänge eines
Weihnachtsliedes übers friedliche Städtlein hin.
Der Pfarrherr steigt zur heiligen Weihnachtsmesse
hinunter in seine Kirche, sein Herz ist übervoll
 
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