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Cesare da Sesto Abb. 36
Museo Nazionale, Neapel. PHotogr. Andersoir, Rom
tere, der Bewegungsmotive, welche Frische und
welch aparter Reiz in jeder Linie!
Von den erstklassigen Meistern des römischen
Cinquecento kennen wir keine populäre Darstellung
unseres Gegenstandes, Damit diese Zeit künstle-
rischer Hochblüte in unserer Reihe nicht ganz un-
vertreten bleibe, sei nur in Kürze hingewiesen auf
die „Anbetung der Könige" von Cesare daSe-
st o (Abb. 36), einem Meister, in dem sich die Ein-
flüsse Lionardos mit denen Raffaels kreuzen. Schon
die Weiträumigkeit des Bildes, der in breiten Mas-
sen angeordnete, dem Figürlichen dienstbar ge-
machte landschaftliche Hintergrund, die aus fein
berechneten und abgewogenen Gruppen zusammen-
gesetzte Komposition, — das alles weist auf ein
neues Kunstideal. Die Madonna mit dem Kinde,
— zumal die erstere mit ihrem süßen Lächeln —
sind lionardesk. Anderseits denken wir bei Gestal-
ten wie dem jugendlichen, stehenden König, dem
aufgeregt deutenden bärtigen Mann in der Mitte,
dem halbnackten Diener rechts, und zumal dem
Mohrenfürsten unwillkürlich sofort an Raffael.
Solch machtvoll-schöne Körperbewegung, solch dra-
matisch gesteigertes Leben, solch heroische Gebärde,
das war es ja, was die klassische Kunft des Cinque-
cento hauptsächlich anstrebte.
Auch ikonographisch ist unsere
Darstellung einen Schritt weiter ge-
diehen. Der eine von den Königen
ist deutlich als Mohr gebildet.
Schon zu Beginn des 15. Jahrhun-
derts fing man nämlich an, in den
drei Königen nicht mehr bloß Ver-
treter der drei Lebensalter, sondern
auch der drei damals bekannten
Erdteile, oder der Semiten, Chami-
ten und Japhetiten zu sehen, wobei
dann der Mohr als Repräsentant
des chamitischen Asrikas erschien.
Es gibt wohl in der ganzen
Kunstgeschichte keinen Maler, dessen
Eigenart das Thema von der An-
betung der Könige so sehr ent-
sprochen hätte, wie Paolo Vero-
nese (1528—88), aus desfen Wer-
ken es uns entgegenleuchtet, wie ein
Schimmer aus Venezias prunk-
vollsten Tagen. Wiederholt hat der
Meister unseren Gegenstand behan-
delt, eine der schönsten Darstel-
lungen ist die in der Dresdener
Galerie (Abb.35). Religiöse Jnner-
lichkeit, psychologische Vertiefung
— darin liegt Veroneses Stärke
nicht. Seine Kunst hat vielmehr
einen stark dekorativen Einschlag,
sie ist eine Kunst für das Auge.
Aber für dieses bietet sich hier ein
wunderbarer Zusammenklang von
wuchtiger Architektur, imposanten,
schönen, reichgekleideten Menschen,
edlen Tiergestalten, ein Fest präch-
tig flutender und sich bauschender Stoffe und
köstlicher Brokate, — das ganze üppige Farben-
spiel zusammengehalten von dem feinen, kühl-
stlbrigen Ton Veroneses. Es ist wie grandiose,
rauschende Festmusik. Übrigens ist eine derartige
Auffassung unseres Gegenstandes nicht ganz un-
berechtigt. Jst ja auch die Liturgie des Epiphanie-
festes auf diesen Ton gestimmt: „E s wandeln
die Völkerin deinem Lichte, und Köni-
geimGIanze, derdiraufgegangen. Er-
hebe ringsnm deine Augen und
schaue: sie alle versammeln sich und
kommen zu dir, deine Söhne kommen
von ferne und deine Töchter erheben
sich zurSeite. Dann w i rst du schauen
und überströmen, dein Herzwird sich
wundern und weit werden, wenn die
Menge des Meeres sich dir zuge-
wandt hat, und die Macht der Heiden
zu dir gekommen ist. Eine Flut von
Kamelen wird dich bedecken, Dromc-
dare aus Madian und Epha; ausSa-
ba kommen alle, bringen Gold und
Weihrauch und verkünden das Lob
des Herrn". (Epistel des Epiphaniefestes aus
Js. Kap. 60.)
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Cesare da Sesto Abb. 36
Museo Nazionale, Neapel. PHotogr. Andersoir, Rom
tere, der Bewegungsmotive, welche Frische und
welch aparter Reiz in jeder Linie!
Von den erstklassigen Meistern des römischen
Cinquecento kennen wir keine populäre Darstellung
unseres Gegenstandes, Damit diese Zeit künstle-
rischer Hochblüte in unserer Reihe nicht ganz un-
vertreten bleibe, sei nur in Kürze hingewiesen auf
die „Anbetung der Könige" von Cesare daSe-
st o (Abb. 36), einem Meister, in dem sich die Ein-
flüsse Lionardos mit denen Raffaels kreuzen. Schon
die Weiträumigkeit des Bildes, der in breiten Mas-
sen angeordnete, dem Figürlichen dienstbar ge-
machte landschaftliche Hintergrund, die aus fein
berechneten und abgewogenen Gruppen zusammen-
gesetzte Komposition, — das alles weist auf ein
neues Kunstideal. Die Madonna mit dem Kinde,
— zumal die erstere mit ihrem süßen Lächeln —
sind lionardesk. Anderseits denken wir bei Gestal-
ten wie dem jugendlichen, stehenden König, dem
aufgeregt deutenden bärtigen Mann in der Mitte,
dem halbnackten Diener rechts, und zumal dem
Mohrenfürsten unwillkürlich sofort an Raffael.
Solch machtvoll-schöne Körperbewegung, solch dra-
matisch gesteigertes Leben, solch heroische Gebärde,
das war es ja, was die klassische Kunft des Cinque-
cento hauptsächlich anstrebte.
Auch ikonographisch ist unsere
Darstellung einen Schritt weiter ge-
diehen. Der eine von den Königen
ist deutlich als Mohr gebildet.
Schon zu Beginn des 15. Jahrhun-
derts fing man nämlich an, in den
drei Königen nicht mehr bloß Ver-
treter der drei Lebensalter, sondern
auch der drei damals bekannten
Erdteile, oder der Semiten, Chami-
ten und Japhetiten zu sehen, wobei
dann der Mohr als Repräsentant
des chamitischen Asrikas erschien.
Es gibt wohl in der ganzen
Kunstgeschichte keinen Maler, dessen
Eigenart das Thema von der An-
betung der Könige so sehr ent-
sprochen hätte, wie Paolo Vero-
nese (1528—88), aus desfen Wer-
ken es uns entgegenleuchtet, wie ein
Schimmer aus Venezias prunk-
vollsten Tagen. Wiederholt hat der
Meister unseren Gegenstand behan-
delt, eine der schönsten Darstel-
lungen ist die in der Dresdener
Galerie (Abb.35). Religiöse Jnner-
lichkeit, psychologische Vertiefung
— darin liegt Veroneses Stärke
nicht. Seine Kunst hat vielmehr
einen stark dekorativen Einschlag,
sie ist eine Kunst für das Auge.
Aber für dieses bietet sich hier ein
wunderbarer Zusammenklang von
wuchtiger Architektur, imposanten,
schönen, reichgekleideten Menschen,
edlen Tiergestalten, ein Fest präch-
tig flutender und sich bauschender Stoffe und
köstlicher Brokate, — das ganze üppige Farben-
spiel zusammengehalten von dem feinen, kühl-
stlbrigen Ton Veroneses. Es ist wie grandiose,
rauschende Festmusik. Übrigens ist eine derartige
Auffassung unseres Gegenstandes nicht ganz un-
berechtigt. Jst ja auch die Liturgie des Epiphanie-
festes auf diesen Ton gestimmt: „E s wandeln
die Völkerin deinem Lichte, und Köni-
geimGIanze, derdiraufgegangen. Er-
hebe ringsnm deine Augen und
schaue: sie alle versammeln sich und
kommen zu dir, deine Söhne kommen
von ferne und deine Töchter erheben
sich zurSeite. Dann w i rst du schauen
und überströmen, dein Herzwird sich
wundern und weit werden, wenn die
Menge des Meeres sich dir zuge-
wandt hat, und die Macht der Heiden
zu dir gekommen ist. Eine Flut von
Kamelen wird dich bedecken, Dromc-
dare aus Madian und Epha; ausSa-
ba kommen alle, bringen Gold und
Weihrauch und verkünden das Lob
des Herrn". (Epistel des Epiphaniefestes aus
Js. Kap. 60.)
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