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Jn Dürers Holzschnitt vom Jahre 1511
(Abb. 31) fesselt die Kraft und Gediegenheit der
Zeichnung, besonders auch der kunstvoll, fast geo-
metrisch konstruierte Aufbau der Komposition:
St. Joseph und die beiden stehenden Könige, —
Maria und die kniende Figur. So ist das gött-
liche Kind in geistvoller Weise in den Mittelpunkt
der Darstellung gerückt.
Rubens' (1577—1640) Darstellung im
Louvre (Abb. 41) gibt uns ein treffendes Beispiel
der kraftstrotzenden,
sinnenfreudigen
Kunst dieses großen
Vlamen. Maria ist
hier zur üppigen
Heroine geworden,
die Könige sind
wahrhaft herkulisch
mächtige Gestalten.
Wie mannigfaltig ist
doch die Schönheit,
und wie verschieden
das Schönheitsideal
etwa eines Fiesole,
eines Memling und
eines Rubens!
Und dann R em-
brandts berühm-
tes Bild vom Jahre
1657 (Abb.42). Jn
welch geheimnis-
volle Atmosphäre
treten wir da ein!
Weiches Halbdunkel
webt im Hinter-
grunde, aus dessen
Tiefe die orienta-
lisch-phantastischen
Gestalten des Ge-
folges gleich Schat-
ten hervordämmern.
Mit diskreter Hand
hat der Künstler
schimmernde Licht-
punkte über das Bild
verstreut, wie Dia-
manten über ein
dunkles Sammtkleid. Und der seelische Gehalt
ist der hohen künstlerisch-technischen Vollendung
würdig, die sich hier kundgibt. Man sieht keine
theatralische Gebärde der Andacht, es sind keine
Kraft- und Übermenschen, die sich dem neugebor-
nen Heilande nahen, wohl aber rührend fromme,
demütige Menschen, deren andächtige Stimmung
sich unwillkürlich dem Beschauer mitteilt.
An den Schluß unserer Betrachtungen über das
christliche Weihnachtsbild stellen wir Peter von
Cornelius' (1783—1863) Werk in der Münch-
ner St. Ludwigskirche (Abb. 43). Probleme der
Farbe oder des Lichtes gelten ihm als Nebensache,
aber als Zeichner, als der große Jdeenmaler wird
er für alle Zeiten seinen Rang in der Kunstge-
schichte behaupten. Auch hier ist die Komposition
als Ganzes, wie der Aufbau der einzelnen Grup-
pen von hoher Vollendung, die Großartigkeit der
Formensprache und der Schwung der Linie echt
cornelianisch. Und was den Jnhalt anlangt, kön-
nen wir unbedenklich sagen, der eigentliche, kirch-
lich-dogmatische Weihnachtsgedanke ist in der ge-
samten christlichen Kunst niemals so klar und all-
seitig erschöpfend zum Ausdruck gekommen, wie
in diesem Werke, in
dem sich Weihnachts-
und Dreikönigsbild
aufs schönste ver-
binden.
Qben hat sich der
Himmel aufgetan,
die Taube des hei-
ligen Geistes schwebt
über dem Stalle,
und der Vater breitet
segnend seine Arme
aus über dem Soh-
ne „an dem er sein
Wohlgefallen hat",
und über der Welt:
„Friede den Men-
schen auf Erden!"
Und auf dem Schoße
der Mutter thront
der kindliche Welt-
heiland und ladet
alle ein, zu ihm zu
kommen, Reiche und
Arme, Juden und
Heidenvölker, Kö-
nige und Hirten.
Allen, allen ist er
erschienen, allen ist
er geschenkt: „Ein
Kind ist uns ge-
boren, ein Sohn ist
uns geschenkt: auf
dessen Schultern
Herrschaft ruht (Jn-
troitus vom Weih-
nachtsfeste), ihm sind
gegeben „die Völker zum Erbteil und die Grenzen
der Erde zum Besitz", und „dieses Reiches wird
kein Ende sein".
Und auch die Kunst, soweit sie den Namen
„christliche Kunft" verdient, ist sein Reich. Die
Kunst bis herein in unsere Tage, denn auch unsere
Zeit hat würdige und fromme Weihnachtsbilder
in großer Zahl hervorgebracht. Wie in glorreichem
Triumphe ist Christkindlein hindurchgezogen durch
die Kunst der Jahrhunderte, wir sind seinen leuch-
tenden Spuren gefolgt und haben auch hier
„seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit als
des Eingeborenen vom Vater, voll Gnade und
Wahrheit".
Petcr von Cornelius Abk>. -l3
Jn Dürers Holzschnitt vom Jahre 1511
(Abb. 31) fesselt die Kraft und Gediegenheit der
Zeichnung, besonders auch der kunstvoll, fast geo-
metrisch konstruierte Aufbau der Komposition:
St. Joseph und die beiden stehenden Könige, —
Maria und die kniende Figur. So ist das gött-
liche Kind in geistvoller Weise in den Mittelpunkt
der Darstellung gerückt.
Rubens' (1577—1640) Darstellung im
Louvre (Abb. 41) gibt uns ein treffendes Beispiel
der kraftstrotzenden,
sinnenfreudigen
Kunst dieses großen
Vlamen. Maria ist
hier zur üppigen
Heroine geworden,
die Könige sind
wahrhaft herkulisch
mächtige Gestalten.
Wie mannigfaltig ist
doch die Schönheit,
und wie verschieden
das Schönheitsideal
etwa eines Fiesole,
eines Memling und
eines Rubens!
Und dann R em-
brandts berühm-
tes Bild vom Jahre
1657 (Abb.42). Jn
welch geheimnis-
volle Atmosphäre
treten wir da ein!
Weiches Halbdunkel
webt im Hinter-
grunde, aus dessen
Tiefe die orienta-
lisch-phantastischen
Gestalten des Ge-
folges gleich Schat-
ten hervordämmern.
Mit diskreter Hand
hat der Künstler
schimmernde Licht-
punkte über das Bild
verstreut, wie Dia-
manten über ein
dunkles Sammtkleid. Und der seelische Gehalt
ist der hohen künstlerisch-technischen Vollendung
würdig, die sich hier kundgibt. Man sieht keine
theatralische Gebärde der Andacht, es sind keine
Kraft- und Übermenschen, die sich dem neugebor-
nen Heilande nahen, wohl aber rührend fromme,
demütige Menschen, deren andächtige Stimmung
sich unwillkürlich dem Beschauer mitteilt.
An den Schluß unserer Betrachtungen über das
christliche Weihnachtsbild stellen wir Peter von
Cornelius' (1783—1863) Werk in der Münch-
ner St. Ludwigskirche (Abb. 43). Probleme der
Farbe oder des Lichtes gelten ihm als Nebensache,
aber als Zeichner, als der große Jdeenmaler wird
er für alle Zeiten seinen Rang in der Kunstge-
schichte behaupten. Auch hier ist die Komposition
als Ganzes, wie der Aufbau der einzelnen Grup-
pen von hoher Vollendung, die Großartigkeit der
Formensprache und der Schwung der Linie echt
cornelianisch. Und was den Jnhalt anlangt, kön-
nen wir unbedenklich sagen, der eigentliche, kirch-
lich-dogmatische Weihnachtsgedanke ist in der ge-
samten christlichen Kunst niemals so klar und all-
seitig erschöpfend zum Ausdruck gekommen, wie
in diesem Werke, in
dem sich Weihnachts-
und Dreikönigsbild
aufs schönste ver-
binden.
Qben hat sich der
Himmel aufgetan,
die Taube des hei-
ligen Geistes schwebt
über dem Stalle,
und der Vater breitet
segnend seine Arme
aus über dem Soh-
ne „an dem er sein
Wohlgefallen hat",
und über der Welt:
„Friede den Men-
schen auf Erden!"
Und auf dem Schoße
der Mutter thront
der kindliche Welt-
heiland und ladet
alle ein, zu ihm zu
kommen, Reiche und
Arme, Juden und
Heidenvölker, Kö-
nige und Hirten.
Allen, allen ist er
erschienen, allen ist
er geschenkt: „Ein
Kind ist uns ge-
boren, ein Sohn ist
uns geschenkt: auf
dessen Schultern
Herrschaft ruht (Jn-
troitus vom Weih-
nachtsfeste), ihm sind
gegeben „die Völker zum Erbteil und die Grenzen
der Erde zum Besitz", und „dieses Reiches wird
kein Ende sein".
Und auch die Kunst, soweit sie den Namen
„christliche Kunft" verdient, ist sein Reich. Die
Kunst bis herein in unsere Tage, denn auch unsere
Zeit hat würdige und fromme Weihnachtsbilder
in großer Zahl hervorgebracht. Wie in glorreichem
Triumphe ist Christkindlein hindurchgezogen durch
die Kunst der Jahrhunderte, wir sind seinen leuch-
tenden Spuren gefolgt und haben auch hier
„seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit als
des Eingeborenen vom Vater, voll Gnade und
Wahrheit".
Petcr von Cornelius Abk>. -l3