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Die Kunst dem Volke <München> — 1909 (Nr. 1-4)

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Strunk, Innocenz M.: Beato Angelico
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https://doi.org/10.11588/diglit.21073#0147
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15

Engel

(aus der Krönung Mariä)

Abb. 22
(Texl S. 21)

Paris, Loubre

gcwiesen, wo bekanntlich die Meinungen oft sehr
weit auseinandergehen. Wir wollen nns daher im
folgenden nicht bci geschichtlichen Einzelunter-
suchungen und neuerdings aufgeworfcnen, über
den Rahmen der vorliegenden Äbhandlung hin-
ausgehenden Fragen aufhalten, fondern die Werke
des seligen Künstlers genießen, nüe wir uns an
ftill-duftendcn Bcilchen erfreuen, ohne zu sragen,
zu welcher Stunde sie ihren Blütcnkelch geöffnet
haben.

Jn Cortona sind nvch zwei Altarbilder, die
Verkündignng und eine Madonna mit Heiligen.
Wie die anderen Tafelbilder der damaligen Zeit
sind sie auf Holz gemalt und zwar mit fogenann-
ten Temperafarben (tismpkraro — mischen), die
init Leimwasfer angerieben und mit Gummi, Ei-
weiß, Honig oder Feigenmilch versetzt wurden.
Die Verkündigung (Abb. 7), die Fra Angelico
für seine Ordenskirche malte, und die sich jetzt
in der Taufkapelte, dem Dom gegenüber, befindet,
zeigt uns den Künstler gleich von seiner liebens-
würdigsten Seite. Jn einer offcnen Halle, welche
Aussicht auf eine blühende Wiese und einen Baum-
garten gcwährt, sitzt Maria. Der Erzengel Gabriel
tritt zu ihr und begleitet seine Botschaft — echt
italienisch — mit lebhasten Handbewegungen, in-
dem er mit der Linken nach oben auf den heiligen
Geist, der in Gestalt einer Taube herabschwebt.

mit der Rechten auf die heilige Jungsrau
zeigt und die Worte spricht: „Der hl. Geist
wird über dich kommen!" Diese Worte
stehen lateinisch in goldenen Buchstaben im
Bilde, ebenso die Antwort Mariä: „Siehe,
ich bin eine Magd des Herrn!" Wie die
älteren Maler überhaupt, so brachte auch
Fra Angelico gern derartige Sprüche auf
seinen Werkcn an, um den Beschauer zu
tieferer Betrachtung anzuregen.

Jn herrlichem Gegensatze zu dem schlich-
ten Blau im Gewande der Muttergottes
steht der Engel in seinem hellkarmesinroten,
goldverziertenKleide, den goldig schimmern-
den Flügeln und dem Strahlenkranze. Die-
ser Hünmelsbote ist so recht ein Tppus
für die Engel Fra Angelicos, der sie
nicht als Mädchen, noch als kleine Kindcr
(Putten), sondern entsprechend der Auf-
fassung der Hl. Schrift (z. B. Tob. 5, 5.
Dan. 3,49. 92; 8,15; 9,21. Marc. 16,5
Luc. 24,4. Apostelgesch. 1,10) als edle
Jünglinge darstellt, freilich oft mit etwas
mädchenhaft weichen Zügen. Er malt sie
in goldgesticktem Gewande, dasder priester-
lichen Albe gleicht, mit großen, in Gold
und lichten Farben schimmernden Flügeln
und blondem Lockenkopf. Jm Haare tragen
sie über der Stirn eine kleine Flamme
zum Zeichen der in ihncn glühenden Got-
tesliebe.

So hat Fra Angelico in diesem Engel
überirdische Schönheit gemalt, abcr er
besaß auch ein liebevolles Verständnis für
die Schönheiten der Natur. Man sehe nur
die Rosen und Nelken, dahinter die Palme und
die andern blühenden Bäume, und besondcrs vorne
den Rasen!

„Jn Blumen steht die Wiese,

Dic Blumen blühen rot und meitz,

Und durch die Flurcn wcmdelt leis'

Ein Hauch vom Paradiese."

(Gewel.)

Fra Angelico ist einer der ersten italienischen
Maler, der in so liebevoller Weise die Natur malte.

Ganz im Hintergrunde sieht man die Ver-
treibung der Stammeltern aus dem Paradiese.
Fra Angelico verbindet sie hier in sinnvoller Weise
mit der Verkündigung; denn die Sünde Adams
war der Grund der Menschwerdung Christi. Wie
ferner die Kirche in ihren Tagzeiten, so stellt Fra
Angelico hier die Muttergottes als Eva des Neueu
Bundes der Stammutter Eva gegenüber, und wie
oben der Engel als Vollzieher des göttlichen Straf-
gerichts erscheint, so unten als Verkünder der
srohen Botschaft der Erlösung.

tlnter dem Gemälde befand sich eine sogenannte
Predella, d. i. eine Reihe kleiner Bilder mit Szenen
aus dem Leben von Heiligen. Diese Predella mit
dem Leben Mariä gehört zum Besten, was Fra
Angelico an Tafelbildern gemalt hat.

Bei der Vermählung (Abb. 8) sehen wir
ein prüchtiges, echt italienisches Landschafts- nnd
 
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