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Annagelung Abb. 58 Florenz, S. Marco
,<Te;t S. 38) (Zelle 36)
sorgt, fordert Entsagung, volle Selbstverleugnnng:
der Mönch muß sich absterben, aller Selbstsucht
entkleidet sein, seinen bösen Neigungen den Todes-
stoß versetzen, die Dornenkrone der Demut auf
sein stolzes Haupt drücken, um so aus dem Grabe
seiner Eigenliebe glorreich zu erstehen. Daran
erinnert das Bild des Schmerzensmannes
(Abb. 40), das, neben dem vorigen Gemälde, zu
den besten Darstellungen des Heilandes gehört,
die Fra Angelico uns hinterlassen hat.
Diese Pflichten gegen seine Nebemnenschen und
sich selbst kann der Ordensmann aber aus sich nicht
erfüllen; dazu bedarf er göttlicher Hilse, und nur in
Vereinigung mit Christi Leiden kann er ihm folgen
und täglich sein Kreuz auf sich nehmen. Das ist der
Gedanke, den das letzte Bild des Kreuzganges aus-
spricht: der heilige Dominikus unter dem
Kreuze (Abb. 36).
Es ist das erste Gemälde, das den Besucher
von S. Marco, dem Eingange gegenüber, begrüßt
(Abb. 34), das schönste Bild des Kreuzgangs, von
jeher geschätzt als Wunderwerk der Kunst. Auf
dunklem Grunde erhebt sich das gelbe Kreuz; der
Heiland hat das Haupt zur Seite geneigt mit einem
AusdruckunvergleichlicherLiebeundSelbsthingabe.
Am Fuße des Kreuzes kniet der heilige Dominikus;
er hält den Kreuzesstamm umschlungen, und voll
innigsten Mitleids und unerschütterlichen Ver-
trauens erhebt er seine Augen zum Erlöser. Es
ist zugleich eine Huldigung an Christus, den Herrn
des Klosters, eine Gelübdeerneuerung, die hier der
heilige Ordensstifter im Namen seiner Söhne von
S. Marco ablegt: „Jch und mein Haus, wir wol-
len dem Herrn dienen!" —
Vor diesem Bilde versteht man die Worte
Vasaris, daß Fra Angelico niemals zum Pinsel
griff, ohne vorher gebetet zu haben, und den Ge-
kreuzigten niemals malte, ohne daß Tränen seine
Wangen benetzten. Selten ist die Hingabe, der
freiwillige Opfertod des Gotteslammes in so ein-
facher, und dabei so tief ergreifender Weise ge-
schildert worden. Das ist überhaupt die Größe
der Kunst des seligen Meisters von S. Marco, mit
geringen Mitteln einen großen Eindruck zu er-
zielen, in wenigen Worten viel zu sagen.
Aber er verstand auch die Kunst, viele Figuren
zu einem einheitlichen und wirkungsvollen Ganzen
anzuordnen. Das zeigt uns sein großes Fresko-
gemälde im Kapitelsaale, die Andacht zum
Kreuze (Abb. 37).
Es ist sein umfangreichstes Werk, das in
einer Höhe von 5,50 Meter, in einer Breite von
9,50 Meter die Hinterwand des Kapitelsaales ein-
nimmt und ein treffendes Beispiel ist für die ganze
Kunstrichtung in S. Marco, die nicht so sehr den
Gegenstand in geschichtlich treuer Schilderung
vorführen, sondern an dem Beispiele der Heiligen
uns zeigen will, wie wir die dargestellten Ge-
heimnisse aus dem Leben Jesu betrachten sollen.
Jn den dunklen Hintergrund, der wohl mit An-
lehnung an Dantes Paradies (XXVII, 28—35)
in roter Farbe gemalt ist, ragen die Kreuze
des Heilandes und der beiden Schächer hinein,
von denen der gute schon den Heiligenschein trägt.
Die Kreuze der Schächer sind schräg gestellt, da-
Grablegung Abb. 51 Florenz, S. Marco
(Terl S. 38) (Zellc 2)
Annagelung Abb. 58 Florenz, S. Marco
,<Te;t S. 38) (Zelle 36)
sorgt, fordert Entsagung, volle Selbstverleugnnng:
der Mönch muß sich absterben, aller Selbstsucht
entkleidet sein, seinen bösen Neigungen den Todes-
stoß versetzen, die Dornenkrone der Demut auf
sein stolzes Haupt drücken, um so aus dem Grabe
seiner Eigenliebe glorreich zu erstehen. Daran
erinnert das Bild des Schmerzensmannes
(Abb. 40), das, neben dem vorigen Gemälde, zu
den besten Darstellungen des Heilandes gehört,
die Fra Angelico uns hinterlassen hat.
Diese Pflichten gegen seine Nebemnenschen und
sich selbst kann der Ordensmann aber aus sich nicht
erfüllen; dazu bedarf er göttlicher Hilse, und nur in
Vereinigung mit Christi Leiden kann er ihm folgen
und täglich sein Kreuz auf sich nehmen. Das ist der
Gedanke, den das letzte Bild des Kreuzganges aus-
spricht: der heilige Dominikus unter dem
Kreuze (Abb. 36).
Es ist das erste Gemälde, das den Besucher
von S. Marco, dem Eingange gegenüber, begrüßt
(Abb. 34), das schönste Bild des Kreuzgangs, von
jeher geschätzt als Wunderwerk der Kunst. Auf
dunklem Grunde erhebt sich das gelbe Kreuz; der
Heiland hat das Haupt zur Seite geneigt mit einem
AusdruckunvergleichlicherLiebeundSelbsthingabe.
Am Fuße des Kreuzes kniet der heilige Dominikus;
er hält den Kreuzesstamm umschlungen, und voll
innigsten Mitleids und unerschütterlichen Ver-
trauens erhebt er seine Augen zum Erlöser. Es
ist zugleich eine Huldigung an Christus, den Herrn
des Klosters, eine Gelübdeerneuerung, die hier der
heilige Ordensstifter im Namen seiner Söhne von
S. Marco ablegt: „Jch und mein Haus, wir wol-
len dem Herrn dienen!" —
Vor diesem Bilde versteht man die Worte
Vasaris, daß Fra Angelico niemals zum Pinsel
griff, ohne vorher gebetet zu haben, und den Ge-
kreuzigten niemals malte, ohne daß Tränen seine
Wangen benetzten. Selten ist die Hingabe, der
freiwillige Opfertod des Gotteslammes in so ein-
facher, und dabei so tief ergreifender Weise ge-
schildert worden. Das ist überhaupt die Größe
der Kunst des seligen Meisters von S. Marco, mit
geringen Mitteln einen großen Eindruck zu er-
zielen, in wenigen Worten viel zu sagen.
Aber er verstand auch die Kunst, viele Figuren
zu einem einheitlichen und wirkungsvollen Ganzen
anzuordnen. Das zeigt uns sein großes Fresko-
gemälde im Kapitelsaale, die Andacht zum
Kreuze (Abb. 37).
Es ist sein umfangreichstes Werk, das in
einer Höhe von 5,50 Meter, in einer Breite von
9,50 Meter die Hinterwand des Kapitelsaales ein-
nimmt und ein treffendes Beispiel ist für die ganze
Kunstrichtung in S. Marco, die nicht so sehr den
Gegenstand in geschichtlich treuer Schilderung
vorführen, sondern an dem Beispiele der Heiligen
uns zeigen will, wie wir die dargestellten Ge-
heimnisse aus dem Leben Jesu betrachten sollen.
Jn den dunklen Hintergrund, der wohl mit An-
lehnung an Dantes Paradies (XXVII, 28—35)
in roter Farbe gemalt ist, ragen die Kreuze
des Heilandes und der beiden Schächer hinein,
von denen der gute schon den Heiligenschein trägt.
Die Kreuze der Schächer sind schräg gestellt, da-
Grablegung Abb. 51 Florenz, S. Marco
(Terl S. 38) (Zellc 2)