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Die Kunst dem Volke <München> — 1909 (Nr. 1-4)

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Strunk, Innocenz M.: Beato Angelico
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https://doi.org/10.11588/diglit.21073#0165
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mit so das Kreuz Christi den alles beherrschenden,
mächtigen Mittelpunkt bilde. Wie bei allen Kreuzes-
bildern Fra Angelicos, so rinnt auch hier das
heilige Blut in Strömen am Kreuze hernieder:
überreichlich ist ja die Genugtuung, die Jesus
Christus sür uns geleistet hat. Als Zeichen des
Sieges Christi über Tod und Grab liegt unter
dem Kreuze ein Totenkopf. Melleicht stellt er
auch den Schädel Adams dar, der, wie alte Le-
genden berichten, auf dem Kalvarienberge begraben
worden war.

Die Gottesmutter hat sich bis jetzt aufrecht
erhalten, aber nun, da ihr geliebter Sohn den
letzten Seufzer getan, droht die Gewalt des Schmer-
zcs sie zu Boden zu drücken. Jedoch auch jetzt noch
steht sie, mit Aufbietung aller Kraft, freilich von
Johannes und Salome unterstützt, und deutet
durch ihre kreuzweise ausgestreckten Arme hin
auf das innige Mitleid mit ihrem am Kreuze aus-
gespannten Sohne. Jhr zu Füßen kniet Mag-
dalena und umarmt die Schmcrzensmutter,
wie sic sonst das Kreuz umschlingt. Neben ihr
deutet der heilige Jo h annes derTäufer auf
das „Lamm Gottes, das die Sünden der Welt
hinwegnimmt", und der heilige EvangelistMarkus
weist ernstenBlickes den Beschauer auf dieLeidens-
gcschichte in seinem Evangelium. In stiller An-
dacht blickt der heilige Diakon Laurentius zum
Kreuze. Neben ihm stehen die Schutzheiligen der
Familie Medici: Kosmas und Damian,
(ersterer mit den Zügen des Bildhauers Nanni
di Banco, eines Freundes von Beato Angelico).
Wie man in späterer Zeit die Gestalten der Stifter
mit Familie und Wappen auf den Bildern an-
brachte, so malt Fra Angclico hier in sinniger

Dic hl. Fraucn Abb. 52 Florcnz, S. Marco

am Grabc lTcxt S. 38) (Zcllc 8,

Ostermorgen Abb. 53 Florenz, S. Marco

(Text S. 39) (Zelle 1)

Weise die himmlischen Beschützer der Stister seines
Klosters.

Die rechte Seite des Bildes soll durch heilige
Ordensstifter und andereHeilige den Beschauer zur
Verehrung und Nachfolge des Gekreuzigten anregen.
Da kniet unter dem Kreuz der heilige Domini-
kus, der Stifter des Ordens, zu dem S. Marco
gehörte. Mit weit ausgebreiteten Armen bewun-
dert er das Geheimnis der Liebe, und schaut mit
einem Blick unsäglichen Schmerzes aus zum gött-
lichen Erlöser. Der heilige Bischof Zenobius
(nach anderer Meinung Ambrosius oder Basilius)
weist den vor ihm knieenden großen Wüstenaszeten
Hieronpmus auf das Kreuz. So entsprechen
sich, als Patrone des Klosters und des ganzen
Ordens, die Heiligen Markus und Dominikus, und
anderseits, als Patrone von Florenz, die Heiligen
Johannes und Zenobius, beidenen auch in der gan-
zen Haltung diese Symmetrie zum Ausdruck kommt.
Hinter dem heiligen Dominikus steht der heilige
Augustinus, dessen Ordensregel die Grundlage
der Dominikanersatzungen bildet. Dann der heilige
Franziskus von Ässisi — eine der herr-
lichsten Gestalten dieses Heiligen, die jemals von
einer Künstlerhand gebildet wurden. Wie er das
Kreuz liebeglühend an die Brust drückt, trauernd
seine Hand an die Wange hält und tränenfeuchten
Äuges zu seinem Herrn und Meister aufblickt,
indessen Strahlen aus seinen durchbohrten Händen
und Füßen hervorbrechen — das haben nur wenige
Künstler so ergreifend dargestellt (Abb. 38). Hin-
ter ihm steht der Patriarch der Mönche des Abend-

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