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Die Kunst dem Volke <München> — 1909 (Nr. 1-4)

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Strunk, Innocenz M.: Beato Angelico
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https://doi.org/10.11588/diglit.21073#0167
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die Provinziale Nikolaus Palea und Clarus
von Sesto, die Prediger Remigius von Florenz
und Vinzenz Ferrer, die M artyrer Buoninsegna
und Bernardus. Die Heiligenscheine sind bei An-
toninus, Raiinundus und Vinzenz später hinzu-
gefügt. Das Bild mit dem Namen des heiligen
Antoninus, des damaligen Priors von S. Marco
und späteren Erzbischofs von Florenz, stellt nicht
diesen Heiligen dar, denn er ist erst nach Fra An-
gelico gestorben und hätte sich gewiß nicht beiseinen
Lebzeiten unter die Ordensseligen malen lassen.
Der Nameist vielmehr nach seinem
Tode auf dem Bilde eines anderen
Bischofes angebracht, dessen Züge
auch von dem echten Porträt ab-
weichen, das uns Fra Bartolom-
meo vom heiligen Antoninus hin-
terlassen hat.

Neben dem Kapitelsaal führt
eine große steinerne Treppe zum
ersten Stockwerk hinauf, zum alten
Schlafsaal der Mönche, dem so-
genannten Dormi to rium. Es
besteht aus drei Gängen, an
deren Seiten sich die Zellen der
Mönche befinden. Jm ganzen sind
es 46 Zellen, von denen jedoch
einige nicht mehr allgemein zu-
gänglich sind. Mit dem mäch-
tigen Holzgefüge des offenen
Dachstuhles, den schmucklosen,
weiß getünchten Wänden und
den einfachen, kleinen Zellen-
türen macht das Dormitorium
einen überaus ernsten und armen
Eindruck.

Beim Eintritte, derTür gegen-
über, grüßt uns ein Bild der Ver-
kündigung (Abb. 42). Es ist
dem von Cortona (Abb. 7) ähnlich,
aber in allem einfacher, feierlicher,
monumentaler: Florentiner Stil.

Auf einem einfachen Holzschemel,
wie sie damals im Kloster ge-
braucht wurden, sitzt Maria in
einer offenen Halle, die dem Kreuz-
gang von S. Marco nachgebildet
ist. Maria, an Engelerscheinungen
gewöhnt, ist gar nicht überrascht über den himm-
lischen Boten, der in tiefster Verehrung zu ihr
tritt; leicht neigt sie ihr von blondem Haar um-
rahmtes Haupt, den Ausdruck höchster Einfach-
heit und kindlicher Ilnschuld im Antlitze, und
kreuzt ihre Arme auf der Brust. Eine blumige
Wiese dehnt sich vor der Halle aus; hinter einem
Zaune sieht man dunkellaubige Bäume hervor-
ragen: eine Anspielung auf die Worte des Hohen
Liedes vom „verschlossenen Garten", welche die
Kirche auf Maria anwendet. Uuter das Bild
schrieb Fra Angelico die Worte: VirFints iutaotao

cum vouoris auto ti^uram, kraktorkuucto

oavk,
der unbe-
durch ein

Abb. S5

Florcnz. S. Marco
Dcr hl. Thomas vo» Aqnin
(aus dcm Bildc in Zelle 11)
iText S. 3g Anm. 2)

U6 sitaatur ^V6. (Kommst du vor
sleckten Jungfrau Bild, vergiß nicht,

Ave sie zu grüßen).

Auf der Wand des solgenden Ganges befindet
sich eine Madonna mitHeiligen (Abb. 43).
Während Fra Angelico in der Madonna von
S. Marco (Abb. 32), die, als Hochaltarbild, gleich-
sam für ganz Florenz bestimmt war, Pracht und
Reichtum entfaltet, herrscht auf diesem Bilde, das
er für arme Ordensbrüder malte, höchste Ein-
fachheit, wahrhaft klösterliche Ar-
mut, so daß, wie auch bei den
anderen Bildern in S. Marco,
alles Gold, auch in den Heiligen-
scheinen vermieden ist. Da ist
nichts, was den Blick des Be-
schauers ablenken könnte, und auch
die klassische, fein abgewogene Ar-
chitektur des Hintergrundes mit
dem Renaissancebaldachin und den
korinthischen Pilastern dient nur
dazu, die Aufmerksamkeit auf die
Gestalten des Bildes zu lenken.

Neben der Madonna mit dem
göttlichen Kinde erblicken wir links
die Schutzheiligen der Me-
diceer, Kosmas und Damian,
im Gespräche mit dem heiligen
Markus, dem Schutzpatron des
Klosters. Rechts sind die Namens-
patrone von ZNitgliedern der me-
diceischen Familie: der greise
Evangelist Johannes, Laurentius,
kenntlich an seinem Marterwerk-
zeug, dem eisernen Roste, und
Petrus Martyr. Jm Hintergrunde
steht der heilige Thomas von
Aquin und links vorne, mit Stern
und Lilie, der heilige Dominikus,
der in seinem sogenannten Testa-
mente mit ernster Mine auf die
Worte deutet: „bumilitg.t6m 86r-
vats-, „bewahret die Demut",
gleich als wolle Fra Angelico
durch den heiligen Ordenspatri-
archen seine Mitbrüder mahnen,
im Verkehr mit den Mächtigen
dieser Welt, mit der fürstlichen
Familie von Medici, das kostbare
Kleinod der klösterlichen Demut nicht zu verlieren.

Fein beseelt, wie stets bei Fra Angelico, sind
auch hier die Köpfe (Abb. 41), besonders der des
heiligen Markus und der andern Heiligen auf der
linken Seite des Bildes.

So^ einfach und ruhig wie die ganze Kompo-
sition sind auch die Farben: die Architekturstücke
weiß, der Boden dunkellehmfarbig, der Hinter-
grund tiefblau, wie Gewand und Mantel der
Madonna.

Ein schöner und sinnreicher Gedanke des from-
men Mönches ist es, daß alle Farben des

S'
 
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