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Die Kunst dem Volke <München> — 1909 (Nr. 1-4)

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Strunk, Innocenz M.: Beato Angelico
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https://doi.org/10.11588/diglit.21073#0168
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36

Bildes in der Mittelgruppe vertreten
sind, und so gleichsam von hier ausgehen und
sich über das Bild verbreiten.

So kehrt das Blau der Madonna wieder im
Untergewande des heiligen Markus, Damian und
Johannes, sowie in den bläulichschwarzen Män-
teln der Dominikaner, das
Rot des Sesseltuches im
Buches des heiligen Mar-
kus, in Mütze, Gewand und
Schuhen des heiligen Kos-
mas und Damian, im Stern
des heiligen Dominikus, in
der Dalmatik des heiligen
Laurentius und im Buch
des heiligen Petrus. Das
Rosa der Toga des Jesus-
kindes erscheint nur im Ge-
wande des heiligen Johan-
nes, des Jüngers, „den der
Herr liebte". Das Grün
des Kissens, auf dem die
Madonna sitzt, wiederholt
sich in der Toga des hei-
ligen Markus, in der Palme
des heiligen Kosmas und
Petrus, in der Lilie und
dem Buch des heiligen Do-
minikus. Das Weiß des
inneren Kopftuches der Ma-
donna, des Gewandes und
der Weltkugel des Jesus-
knaben zeigt sich im Ordens-
habit der Dominikaner und
dem Rand der Mütze von
Kosmas und Damian, das
G elb der Nische (über der
Madonna) in den Heiligen-
scheinen. So gehen alle
Farben von der Madonna
und ihrem göttlichen Kinde
aus.

Der Kopf des Jesus-
knaben ist einer der schön-
sten Kinderköpse, die Fra
Angelico geschaffen hat. Je-
dem Beschauer des Bildes
werden dieses blondeLocken-
köpfchen nnd besonders diese
Augen in Erinnerung blei-
ben, die ihn so ehrfurchtge-
bietend und doch so lieb und
kindlich anblicken. Man fühlt
es: das ist sener, der einst
sagen wird: „Kommet alle zu mir, die ihr müh-
selig und beladen seid, und ich will euch erquicken."

Die Zellenbilder (in jeder Zelle eins), die
zum großen Teile von Schülern Fra Angelicos
gemalt sind, befinden sich auf der Wand neben
dem Fenster, weil diese die festeste ist und zugleich

Schutz vor den Sonnenstrahlen gewährt. Diese
Fresken haben dnrchschnittlich eine Höhe von
1,85 Meter bei einer Breite von 1,55 Meter und
sind sehr gut erhalten. Entsprechend der gedämpften
Trauerstimmung, die über den meisten dieser Werke
ans dem Leben und Leiden Jesu liegt, wendet
Fra Angelico hier und auf
andern Bildern voir S. Mar-
co sanfte, milde Farben
an, besonders ein mattcs
Violett (Lila), wie es die
Blüten des spanischen Flie-
ders zeigen. Die Worte aus
der „Kreuzesschule" von
Oberammergan geben vor-
trefflich den ganzen Eindruck
wieder, den S. Marco und
besonders diese armen, an
echter Kunst so reichen Klo-
sterzellen aufjedenBeschaner
ausüben:

„-— Der Geist der

heiligen Passion
Will euch mit scinem Wunder-
hauch umwehen,

Euch tragen in des Glaubens
Lichtregion;

Denn immer wird der Heiland
vor euch stehen,

Von sciner Krippe bis zum
Himmelsthron

Wird er in heil'gen Bildern
euch begegncn,

Euch stille anschau'n und euch
stille segnen."

Wir wollen im folgen-
den einige Werke, die sicher
oder höchst wahrscheinlich
von Fra Angelico selbst ge-
malt sind, nach der Reihen-
folge des Lebens Jesu kurz
erwähnen.

Das Bild der Ver-
kündigung (Abb. 44) ver-
rät florentinischen Einfluß:
Maria ist nämlich knieend
dargestellt, während unser
Maler sonst, nach Art der
sicnesischen Kunst, sie, als
Königin der Engel, in sitzen-
der Stellung den Gruß ent-
gegennehmen läßt. Jm Hin-
tergrunde steht der heilige
Petrus Martyr. Sonst ist
auf dem Bilde nichts, was
den Blick des Beschauers von den beiden Haupt-
figuren ablenken könnte. Ein vom Engel ausgehen-
der milder Glanz durchflutet die Halle, umsließt
die Gestalten und verbreitet über das Ganze eine
harmonische Farbenstimmung, ein geheimnis-
volles, man möchte sagen übernatürliches Licht.
Einfach und doch wirkungsvoll ist hier der ge-
waltige Augenblick der Menschwerdung geschildert.

Der hl. Bonaventura Abb. 56 Nom, Vatikan

(Text S. 41)
 
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