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Die Kunst dem Volke <München> — 1909 (Nr. 1-4)

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Strunk, Innocenz M.: Beato Angelico
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https://doi.org/10.11588/diglit.21073#0169
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Bei der Darstellung im Tempel (Abb. 45)
ist besonders der Gegensalz zwischen dem Greisen-
kopf Simeons und dem blühenden, frischen Ant-
litz des Jesuskindes von schönster Wirkung. Die
jugendliche Gottesmutter streckt die Arme aus,
um ihr göttliches Kiud zurückzuempfangen; hinter
ihr steht der heilige Jofef mit dem im mosaischen
Gesetze als Opfer oorgeschriebencn Taubenpaarc.

Was hier und bei andern Bildern
des Jesusknaben Fra Angelico
vor vielen Künstlern auszeichnet,
ist, daß bei ihm aus deiu Antlitze
des Kindes schon etmas Hoheits-
volles,Ueberirdisches,Gött
liches hervorstrahlt.

Das umfangreichste und
eines der besten aller Zellen-
bilder ist die Anbetung
der heiligen Drei Kö-
nige (Abb. 46). War es
doch sür die Zelle be-
bestimmt, die der Er
bauer des Klosters,

Cosimo von Medici,
für sich hatte reser-
vieren lassen, um
sich dahin von
Zeit zu Zeit zu
frommen
Ucbungenzu-
rückzuziehen
und sich mit
dem Prior,
demheiligen
Antoninus,
über ivich-
tige Ange-
legenheiten
zu beraten.

Das Bild ist zugleich eine Erinnerung an das
Fest der heiligen Drei Könige 1442, an dem Papst
Eugen IV. die Klosterkirche eingeweiht und in
dieser Zelle gewohnt hatte.

Links sitzt Maria auf einem Eselssattel, neben
ihr steht der heilige Josef, in der Hand das
Geschenk eines der heiligen Könige haltend. Der
älteste König küßt demütig den Fuß des göttlichen
Kindes; der zweite kniet hinter ihm, während der
letzte, eine Mnglingsgestalt von besonderer Schön-
heit, stehend wartet, bis die Reihe an ihn kommt.

Das Gefolge hinter ihnen erinnert mit seinen
eigentümlichen Kopfbedeckungen an die orientali-
schen Trachten, die Fra Angelico 1439 bei dem
großen Unionskonzil gesehen hat, als die Vertreter
des Morgenlandes in Florenz weilten. Den Ab-
schluß bilden zwei Knechte zu Pferde, die nach
dem Wunderstern blicken. Die öden, kahlen Felsen
des Hintergrundes dienen dazu, die prächtigen,
reichen Trachten des Bildes um so deutlicher her-
vortreten zu lassen.

Eigenartig von Fra Angelico erfunden ist das
Bild der Verklärung (Abb. 47), wo der Heiland

Chor dcr Prophetcn

Abb. 5'
<Tcpt S.

majestätisch in blendend weißem Gewande, von
Himmelslicht umflutet, auf einer felsigen Erhöhung
steht und, auf seinen nahen Tod hinweisend, die
Arme in Kreuzesform ausspannt. Oben auf
leichten Wölkchen sieht man Elias und den majc-
stätischenPatriarchenkopf des Moses, weiter unten,
hinter den drei Aposteln, die Muttergottes und
den heiligen Dominikus.

Den Zweck dcs frommen Malers, durch
seine Werke zu erbauen, sehen wir auch
deutlich ausgesprochen auf dem Bilde
des letztenÄbendmahles(Abb.48)
oder, wie man es besser nennen
könnte, der ersten heiligen Kom-
munion der Apostel. Der Hei-
land ist vom Tische aufgestan-
den und reicht gerade dem
Liebesjünger die heilige Ho-
stie; links kniet die Mutter-
gottes, rechts zwischen den
übrigen Aposteln auch
Judas, an dem dunklen
Heiligenschein kenntlich
— eine Mahnung zur
würdigen und eine
Warnung vor der
unwürdigen hei-
ligen Kommu-
nion. Um für
denBewohner
der Zelle die
dargestellte
Begebenheit
noch ein-
dringlicher
zu machen,
Orvicto, D°m hat FraAn-

gelico die
Szene in

dessen Zelle verlegt. Denn durch das kleine Zellen-
fenster hat man genau den Blick auf die gegen-
überliegende Seite des Klosterhofes, wie hier auf
dem Bilde. Auch die damals in S. Marco üblichen
schweren Holzschemel fehlen nicht, noch auch der
ehemalige Klosterbrunnen.

Die verzeichnete Stellung Christi, der in dieser
Haltung unmöglich Johannes die heilige Kom-
munion reichen kann, läßt wohl eine Schülerhand
vermuten.

Während auf deutschen Darstellungen der
Verspottung Christi die Schergen die Haupt-
personen sind, zeigt sich die spmbolisch-mystische
Richtung Fra Angelicos darin, daß er auf seinem
Bilde die Henker und Kriegsknechte nur andeutet
durch schlagende Hände, einen Kopf, der den Herrn
anspeit, eine Hand, die den Hut abnimmt und
eine andere, die mit einem Rohre auf die Dornen-
krone schlägt (Abb. 49). Majestätisch, wie auf
einem Throne, sitzt der göttliche Heiland in schnee-
weißem Gewande, die Weltkugel und ein Rohr
in den Händcn. Unten links ist seine trauernde
Mntter, rechts im malerischen Ordensgewande,

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