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Die Kunst dem Volke <München> — 1911 (Nr. 5-8)

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Berühmte Kathedralen des Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.21075#0007
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Abb. 8 (Text S. 6)

Tie ehemalige St. Peterslirche zir Rom

Jm Tode senkt sich am Kreuze Jesu
Haupt, Finsternis unrhüllt das Land.
Die Erde bebt, und im Tempel der
Juden zerreißt der Vorhang. Jn grö-
ßerer Trauer, denn je ein Mensch erlebte, bleiben die
Freunde des Herrn zurück. Aber er erstaud am drit-
ten Tage bon den Toten und zeigte sich den Jüngern.
Er trat unter sie und sprach: „Friede sei mit euch."
Also begrüßte der Herr die erste Christengemeinde,
die im treuen Gedenken ihres Meisters versammelt
war.

Und Jesus sprach zu ihnen: „Gehet hin und
lehret alle Bvlker und taufet sie im Namen des Vaters
und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret
sie alles halten, was ich euch befohlen habe. Und
siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der
Welt."

Da aber Jesus aufgefahren war gen Himmel,
zerflreuten sich die Apostel nach seinem Worte und
fingen an zu predigen in aller Welt, und der Herr
war mit ihnen und mit St. Paulus, den er selbst
sich zu einem Glaubensprediger erwählt hatte. Da
begann überall die Lehre Christi Wurzel zu fasseu,
Gemeinden bildeten sich. Aus den Tausenden von
Bewohnern griechischer und römischer Städte fielen
erst wenige, dann immer mehr dem trostreichen Be-
kenntnisse zu. Sie alle umschlang die Liebe, die der
Heiland in die Welt gebracht hatte. Und wie die
ersten Jünger, so fanden auch sie sich zusammen, und
an jeglichem Orte gab es unter ihnen diesen oder
jenen wohlhabenden Mann, in dessen reichem Hause
ein Saal zu haben war zu gemeinsamer christlicher

Andacht und zu den Agapen, den Liebesmählern,
die im Zusammenhange mit ihr von den Gläubigen
geseiert wurdeu. Jmmer größer aber wurde die
Zahl der Christen, immer umfangreicher die dcr
Gemeinden. Jn guteu und trübeu Zeiteu lebten
sie ihres Glaubens, retteten ihn in Zeiten der Ver-
folgungen iu das selbst von ihren Feinden gescheute
Dunkel der Katakomben. War der Sturm vorüber,
dann gingen sie mit neuer Zuversicht aus den Grüften
hervor. Und unter dem Lichte des Himmels gedieh
ihr Werk.

Es ivar aber in den Worten Christi seinen An-
hängern keine Vorschrift gegeben, wie die Stätten
des Gottesdienstes aussehen sollten. Auch wohnten
die Gläubigen alleuthalben im römischen Reiche zer
streut, mußten und wollten mit den Anhängern der
alten heidnischen Kulte in Frieden leben, waren
auf dieselben Kulturbedingungen angewiesen, die fiir
einen jeden die Voraussetzung und der Boden der
äußeren Existenz waren. Als für die Bersammlungen
der Christen es bald keine Säle in den Häusern der
Jhrigen mehr gab, die für die Gottesdienste der
Tausende genügt hätten, da mußten die ersten
Christen schon vorhandene größere öffentliche Ge-
bäude als Tempel benutzen oder selbst dergleichen
erbauen. Wenn aber dies geschah, so konnte es gar
nicht anders kommen, als daß man sich schon bekannte
Werke als Muster nahnr, auch daß die Form und die
Schönheit altklassischer Kunst von selbst auf die neuen
Schöpfungen überging.

Und wie mehr und mehr Menschen, von den
niedrigsten bis zu den höchsten, den neuen Glauben
ergriffen, so ward auch die Kunst bekehrt, daß sie
 
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