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Abb. 12 lText S. 15i Venedig, Kirche S. Marco, Jnneres
ist. S. Bitale zu Navenna aber hat ihr als Borbild
gedient. Zwiesach war die Bestimmung des Baues:
eine Palastkapelle und die Gruftstätte des großen
Begründers sollte er sein. Beides ist er geworden.
Wo des erhabenen Kaisers Gebeine ruhen, weiß man
bis zur Stunde nicht. Auch glaube ich nicht an die
geläusige Erzählung, daß Kaiser Otto III., als er in
die Gruft eindrang, den Leichnam des Kaisers dort
habe auf einem Thronsessel sitzen sehen. Was er er-
blickt hat, ist gewiß nur ein goldschimmerndes Bild
Kaiser Karls gewesen, ausgeführt in Mosaik gleich
den Bildern in S. Vitale und in den Kirchen der
Byzantiner. » ^ »
Aus den Gegenden
jener alten Kultur, de-
ren Anfänge noch in
römischen, ja vorrömi-
schen Zeiten liegen,
breitete sich Schritt für
Schritt unaufhaltsam
das Christentum aus.
Es begründete Festen
des Glaubens, Burgen
der Gesittung und Bil-
dung, Stützpunkte des
Handels, der Welt-
stolitik. Einstweilen
blieben diese Grün-
dungen vorgeschobene
Posten, und trotz alles
Verkehrs untereinander
doch auf sich selbst an-
gewiesen. So entwik-
kelten sie sich indivi-
duell, gewannen Antlitz
und Charakter entspre- Abb. is (Text S. 15,
chend jenem der Völkerschaften, unter
deneu sie entstanden waren. Wie
die Landschaften des einzelnen Rei-
ches wenig Beziehungen zueinander
hatten, so auch die Reiche Europas
im ganzen. Erst die späteren Kreuz-
züge brachten Anderung, schufen die
Erweiterung des Horizontes, eröff-
neten neue Wege und befruchteten
mit der Kultur des Orients zahl-
lose Keime unserer europäischen Kul-
tur. Bevor es aber so weit war,
hatte die Kunst Zeit gehabt, allent-
halben sich gesondert uud eigentüm-
lich zu entwickeln. Das ist der Grund,
weshalb die Baukunst der romamschen
Zeit so viele verschiedenartige Typen
zeigt. Man konnte sie später noch
modeln, aber die in ihnen ruhenden
nationalen Gedanken nicht ündern.
Der Ausdruck „romanische Kunst",
unter dem vorzugsweise Werke der
Architektur verstanden werden, ist
erst ziemlich neuen Datums. Er ivill
andeuten, daß der Stil, der sich seit
dem 10. Jahrhundert herausgebildet hat, gleich den
Sprachen der romanischen Bölker, aus Wurzeln
antik-römischen Wesens abgewandelt ist. Ob diese
Auffassung zutrifft oder ob, was vieles für sich hat,
wichtigste Grundzüge jenes Stiles vielmehr aus dem
Orient übernommen sind, mag hier unerörtert
bleiben.
Jn der romanischen Stilepoche, die im allgemeinen
bis um das Jahr 1200 ihre Entwicklung vollzogen
hat, sehen wir den Zentralbau der Kirchen aufge-
geben zugunsten des den Anforderungen des Gottes-
dienstes besser dienenden Langbaues. Die Form der
altchristlichen Basilika bleibt die herrschende. Wunder-
Salamanca, Kathedrale Phot. Photoglob Co., Zürich
Abb. 12 lText S. 15i Venedig, Kirche S. Marco, Jnneres
ist. S. Bitale zu Navenna aber hat ihr als Borbild
gedient. Zwiesach war die Bestimmung des Baues:
eine Palastkapelle und die Gruftstätte des großen
Begründers sollte er sein. Beides ist er geworden.
Wo des erhabenen Kaisers Gebeine ruhen, weiß man
bis zur Stunde nicht. Auch glaube ich nicht an die
geläusige Erzählung, daß Kaiser Otto III., als er in
die Gruft eindrang, den Leichnam des Kaisers dort
habe auf einem Thronsessel sitzen sehen. Was er er-
blickt hat, ist gewiß nur ein goldschimmerndes Bild
Kaiser Karls gewesen, ausgeführt in Mosaik gleich
den Bildern in S. Vitale und in den Kirchen der
Byzantiner. » ^ »
Aus den Gegenden
jener alten Kultur, de-
ren Anfänge noch in
römischen, ja vorrömi-
schen Zeiten liegen,
breitete sich Schritt für
Schritt unaufhaltsam
das Christentum aus.
Es begründete Festen
des Glaubens, Burgen
der Gesittung und Bil-
dung, Stützpunkte des
Handels, der Welt-
stolitik. Einstweilen
blieben diese Grün-
dungen vorgeschobene
Posten, und trotz alles
Verkehrs untereinander
doch auf sich selbst an-
gewiesen. So entwik-
kelten sie sich indivi-
duell, gewannen Antlitz
und Charakter entspre- Abb. is (Text S. 15,
chend jenem der Völkerschaften, unter
deneu sie entstanden waren. Wie
die Landschaften des einzelnen Rei-
ches wenig Beziehungen zueinander
hatten, so auch die Reiche Europas
im ganzen. Erst die späteren Kreuz-
züge brachten Anderung, schufen die
Erweiterung des Horizontes, eröff-
neten neue Wege und befruchteten
mit der Kultur des Orients zahl-
lose Keime unserer europäischen Kul-
tur. Bevor es aber so weit war,
hatte die Kunst Zeit gehabt, allent-
halben sich gesondert uud eigentüm-
lich zu entwickeln. Das ist der Grund,
weshalb die Baukunst der romamschen
Zeit so viele verschiedenartige Typen
zeigt. Man konnte sie später noch
modeln, aber die in ihnen ruhenden
nationalen Gedanken nicht ündern.
Der Ausdruck „romanische Kunst",
unter dem vorzugsweise Werke der
Architektur verstanden werden, ist
erst ziemlich neuen Datums. Er ivill
andeuten, daß der Stil, der sich seit
dem 10. Jahrhundert herausgebildet hat, gleich den
Sprachen der romanischen Bölker, aus Wurzeln
antik-römischen Wesens abgewandelt ist. Ob diese
Auffassung zutrifft oder ob, was vieles für sich hat,
wichtigste Grundzüge jenes Stiles vielmehr aus dem
Orient übernommen sind, mag hier unerörtert
bleiben.
Jn der romanischen Stilepoche, die im allgemeinen
bis um das Jahr 1200 ihre Entwicklung vollzogen
hat, sehen wir den Zentralbau der Kirchen aufge-
geben zugunsten des den Anforderungen des Gottes-
dienstes besser dienenden Langbaues. Die Form der
altchristlichen Basilika bleibt die herrschende. Wunder-
Salamanca, Kathedrale Phot. Photoglob Co., Zürich