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Abb. 31 (Text S. 28) Amiens, Westfrvnt des Domes
Welche Zeiten des Schreckens
sind über die Gegenden des Mittel-
rheines hingegangen! Am 28. Juni
1793 geschah es, daß die Brandbom-
ben der Belagerer bei dem Dome
zu Mainz zündend einschlugen. Am
Ostchore brach das Feuer aus und
ergriff die ganze Kirche. Zwar
wurde sie gerettet, aber traurig
war es um sie bestellt. Niemand
bemühte sich um die Ausbesserung,
und so stand der Dom über zehn
Jahre. Da war es so weit, daß
man die herrliche Mainzer Kathe-
drale (Abb. 22) ganz und gar ab-
brechen wollte. Das wäre auch
geschehen, hätte sich nicht des ge-
fährdeten Kunstdenkmals der Bischof
Colmar angenommen. Langsanr
wurde der Dom hergestellt, die Ar-
beit zog sich bis in die allerneueste
Zeit hin. So ist das herrliche Bau-
werk gerettet, der älteste von den
drei großen rheinischen Domen, die
die Macht der Kirche daselbst, und
wie sie den Künsten hold gewesen,
verkündigen. Wiedererstanden ist
ein kostbares Baudenkmal, das die
Erinnerung an uralte glorreiche
Bergangenheit wach hält. St. Boni-
satius hat hier seinen Sitz begrün-
det und damit dem durch Handel
und Gewerbsleiß von alters her be-
ruhmten Orte entscheidende Wich-
tigkeit verliehen. Der jetzige Dom
entstand nach 1081, wuchs und
gedieh langsam, so daß neben der
wmanischen auch die gotische Bau-
kunst an seinem Werden gleiches
Verdienst sich erwarb. Daß aber
die Türme eine so volltönige reiche
Schönheit entfalten, das ist erst das Verdienst des
18. Jahrhunderts. Von den Helden der Kirche, die
diesen Ort und seinen herrlichen Dom groß gemacht
haben, von ihren Taten und irdischer Gestalt melden
all die vielen, vielen Grabsteine in des Domes Hal-
ten und Chören. Auch erzählen sie aus Deutsch-
lands Kunstgeschichte ein Kapitel, dessen Bedeu-
tung vom 14. bis ins 20. Jahrhundert, vom Grab-
wale des Erzbischofs Peter von Aspelt, auf dem
wit diesem drei Könige abgebildet sind, bis zu denen
der Bischöfe Hasfner und Brück unvermindert sich
erstreckt.
Unsere drei mittelrheinischen Dome geben Zeugnis
dom höchsten Glanze des Reiches und der Kirche.
ihrer wuchtigen majestätischen Gestalt, in ihrer
edeln Einteilung, in der wunderbar malerischen
^lruppierung ihrer Teile, in der ernsten Schlichtheit
walt sich für uns der Charakter eines ganzen Zeit-
Eers, das größter Entschließungen und Taten fähig
war, das zu kämpsen und zu siegen verstand und im
Urnste des irdischen Lebens mit starker Hand und
schlichtem treuem Sinn festhielt und weiter schuf,
was es als recht und schön erkannt hatte.
Und ist es etwa anders im Westen, wo die
romanische Zeit an dem uralten Dome von Trier
weiter schuf? (Abb. 23). Anders im Süden? Jedes-
mal, wenn ich den Dom von Augsburg (Abb. 24)
betrete, und sehe in seinem westlichen Chore den alt-
ehrwürdigen steinernen Bischofsstuhl, ist mir's, als
könnten noch gar nicht so viele Jahrhunderte vergangen
sein. Als wären wir noch in der Zeit, da der Kirche
starker und begeisterter Verwalter, Bischof Siegfried,
nach dem Jahre 1000 dies Gotteshaus errichtete. Und
wie ich der Vergangenheit nachdenke, sehe ich seine
ehrwürdige Gestalt thronen und umher den Klerus des
Domes. Wunderbar wechseln die Bilder. Wimmelnd
füllt sich der gewaltige Raum mit Gestalten aus alter,
alter Zeit. Wer ist jener mit wallendem rotem Barte,
die Krone auf dem stolzen Haupte? Jst es nicht
Friedrich der Staufenkaiser, der zum Reichstage hier-
her gekommen ist? Drei jugendliche Heldengestalten,
seine Söhne, schreiten hinter ihm. Noch will ich hin-
Abb. 31 (Text S. 28) Amiens, Westfrvnt des Domes
Welche Zeiten des Schreckens
sind über die Gegenden des Mittel-
rheines hingegangen! Am 28. Juni
1793 geschah es, daß die Brandbom-
ben der Belagerer bei dem Dome
zu Mainz zündend einschlugen. Am
Ostchore brach das Feuer aus und
ergriff die ganze Kirche. Zwar
wurde sie gerettet, aber traurig
war es um sie bestellt. Niemand
bemühte sich um die Ausbesserung,
und so stand der Dom über zehn
Jahre. Da war es so weit, daß
man die herrliche Mainzer Kathe-
drale (Abb. 22) ganz und gar ab-
brechen wollte. Das wäre auch
geschehen, hätte sich nicht des ge-
fährdeten Kunstdenkmals der Bischof
Colmar angenommen. Langsanr
wurde der Dom hergestellt, die Ar-
beit zog sich bis in die allerneueste
Zeit hin. So ist das herrliche Bau-
werk gerettet, der älteste von den
drei großen rheinischen Domen, die
die Macht der Kirche daselbst, und
wie sie den Künsten hold gewesen,
verkündigen. Wiedererstanden ist
ein kostbares Baudenkmal, das die
Erinnerung an uralte glorreiche
Bergangenheit wach hält. St. Boni-
satius hat hier seinen Sitz begrün-
det und damit dem durch Handel
und Gewerbsleiß von alters her be-
ruhmten Orte entscheidende Wich-
tigkeit verliehen. Der jetzige Dom
entstand nach 1081, wuchs und
gedieh langsam, so daß neben der
wmanischen auch die gotische Bau-
kunst an seinem Werden gleiches
Verdienst sich erwarb. Daß aber
die Türme eine so volltönige reiche
Schönheit entfalten, das ist erst das Verdienst des
18. Jahrhunderts. Von den Helden der Kirche, die
diesen Ort und seinen herrlichen Dom groß gemacht
haben, von ihren Taten und irdischer Gestalt melden
all die vielen, vielen Grabsteine in des Domes Hal-
ten und Chören. Auch erzählen sie aus Deutsch-
lands Kunstgeschichte ein Kapitel, dessen Bedeu-
tung vom 14. bis ins 20. Jahrhundert, vom Grab-
wale des Erzbischofs Peter von Aspelt, auf dem
wit diesem drei Könige abgebildet sind, bis zu denen
der Bischöfe Hasfner und Brück unvermindert sich
erstreckt.
Unsere drei mittelrheinischen Dome geben Zeugnis
dom höchsten Glanze des Reiches und der Kirche.
ihrer wuchtigen majestätischen Gestalt, in ihrer
edeln Einteilung, in der wunderbar malerischen
^lruppierung ihrer Teile, in der ernsten Schlichtheit
walt sich für uns der Charakter eines ganzen Zeit-
Eers, das größter Entschließungen und Taten fähig
war, das zu kämpsen und zu siegen verstand und im
Urnste des irdischen Lebens mit starker Hand und
schlichtem treuem Sinn festhielt und weiter schuf,
was es als recht und schön erkannt hatte.
Und ist es etwa anders im Westen, wo die
romanische Zeit an dem uralten Dome von Trier
weiter schuf? (Abb. 23). Anders im Süden? Jedes-
mal, wenn ich den Dom von Augsburg (Abb. 24)
betrete, und sehe in seinem westlichen Chore den alt-
ehrwürdigen steinernen Bischofsstuhl, ist mir's, als
könnten noch gar nicht so viele Jahrhunderte vergangen
sein. Als wären wir noch in der Zeit, da der Kirche
starker und begeisterter Verwalter, Bischof Siegfried,
nach dem Jahre 1000 dies Gotteshaus errichtete. Und
wie ich der Vergangenheit nachdenke, sehe ich seine
ehrwürdige Gestalt thronen und umher den Klerus des
Domes. Wunderbar wechseln die Bilder. Wimmelnd
füllt sich der gewaltige Raum mit Gestalten aus alter,
alter Zeit. Wer ist jener mit wallendem rotem Barte,
die Krone auf dem stolzen Haupte? Jst es nicht
Friedrich der Staufenkaiser, der zum Reichstage hier-
her gekommen ist? Drei jugendliche Heldengestalten,
seine Söhne, schreiten hinter ihm. Noch will ich hin-