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Abb. 37 (Text S. 31) Lichfield, Kathedrale
das klare Werk ihres reich und zierlich durchbrochenen
Gefüges schimmert der Himmel. Und nun der
Schmuck des herrlichen Hauses! Die Malereh die
auf den Wänden nicht nrehr Platz genng findet,
wandert farbenglühend in die Riesenflächen der
Fenster, sie löst sich voin Bauwerk ganz ab, und die
bisher wenig ausgebildete Tafelinalerei fängt an,
ihren ungeheuren Aufschwung zu nehmen. Jhre
Werke schimmern auf den Altären, an Emporen,
hrangen in goldigem Rahmen an Wänden, schmücken
Möbel, durchziehen Gewebe mit ihrer Kunst und
Herrlichkeit. Die Schwester aber, die Bildhauerei,
bemächtigt sich der Pfeiler und Säulen, uinwindet
die Kapitäle mit reizendem leichtem Schmucke von
Blattwerk, wie es die Natur der Heimat schafft. Auf
Konsolen errichtet sie Bildsäulen von Heiligen, von
geistlichen und weltlichen Helden. An der Pracht
der unvergleichlich reichen Fronten der Längs- und
Querhäuser hat sie Anteil mit wundervollen Ge-
bilden in den Leibungen der Portale. Da will auch
das künstlerische Gewerbe nicht zurückbleiben. Denn
es klang im Herzen nller Frommen, ob des geistlichen
oder des Laienstandes, das Wort des Psalmisten von
der Liebe zum Hause des Herrn. Und sie eilten,
solchem Empfinden durch reiche Gaben Ausdruck zu
geben. Herbeigetragen von frommen Stiftern, kamen
die köstlichen Seltenheiten von nah und fern und
erfüllten die Schatzkammern.
^ , *
Jn Frankreich haben die morgenlän-
dischen Konstruktionsgedanken, die zur
Ausbildung der Gotik führten, zuerst Wur-
zel geschlagen, dort ihre frühesten, auch für
Deutschland bedeutungsvollen Erfolge ge-
bracht.
Die Wichtigkeit des Ortes erklärt es,
daß Paris auch für die christliche Kirche
eine Stadt von höchstem Ansehen werden
mußte. Die weltberühmte Notre-Dame
erbaute seit 1161 Bischof Moritz von
Sully. Bis 1235 entstand das Bauwerk,
dessen Riesenmaß bei den Kathedralen
Frankreichs nicht seinesgleichen fand
(Abb. 29). Die ganze Kraft der christ-
lichen Kirche jener Zeiten, ihre Macht,
die Geister zu bezwingen, zu den uner-
hörten, die Kultur des Abendlandes um-
wälzenden Taten der Kreuzzüge zu be-
geistern, spricht sich in dem Bau von
Notre-Dame wie kaum in einem anderen
aus. Drei Pforten führen ins Jnnere,
dreifach gegliedert übereinander steigen
die Geschosse auf, von denen die Türme
das dritte sind, geschieden durch Quer-
gurte von gewaltiger Wucht und doch
von freier Schönheit. Über dem unteren
Geschoß die lange Reihe der Statuen
französischer Könige, oben eine wunder-
bare Arkadenstellung. Jn der Mitte aber
prangt gleich der Sonne gewaltig und
farbenglühend die Fensterrose. Das fünf-
schiffige Jnnere ist ein Wald von Pfei-
lern und Säulen.
Abb. S8 <TcxI S. S1)
Exeter, Kathedrale
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Abb. 37 (Text S. 31) Lichfield, Kathedrale
das klare Werk ihres reich und zierlich durchbrochenen
Gefüges schimmert der Himmel. Und nun der
Schmuck des herrlichen Hauses! Die Malereh die
auf den Wänden nicht nrehr Platz genng findet,
wandert farbenglühend in die Riesenflächen der
Fenster, sie löst sich voin Bauwerk ganz ab, und die
bisher wenig ausgebildete Tafelinalerei fängt an,
ihren ungeheuren Aufschwung zu nehmen. Jhre
Werke schimmern auf den Altären, an Emporen,
hrangen in goldigem Rahmen an Wänden, schmücken
Möbel, durchziehen Gewebe mit ihrer Kunst und
Herrlichkeit. Die Schwester aber, die Bildhauerei,
bemächtigt sich der Pfeiler und Säulen, uinwindet
die Kapitäle mit reizendem leichtem Schmucke von
Blattwerk, wie es die Natur der Heimat schafft. Auf
Konsolen errichtet sie Bildsäulen von Heiligen, von
geistlichen und weltlichen Helden. An der Pracht
der unvergleichlich reichen Fronten der Längs- und
Querhäuser hat sie Anteil mit wundervollen Ge-
bilden in den Leibungen der Portale. Da will auch
das künstlerische Gewerbe nicht zurückbleiben. Denn
es klang im Herzen nller Frommen, ob des geistlichen
oder des Laienstandes, das Wort des Psalmisten von
der Liebe zum Hause des Herrn. Und sie eilten,
solchem Empfinden durch reiche Gaben Ausdruck zu
geben. Herbeigetragen von frommen Stiftern, kamen
die köstlichen Seltenheiten von nah und fern und
erfüllten die Schatzkammern.
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Jn Frankreich haben die morgenlän-
dischen Konstruktionsgedanken, die zur
Ausbildung der Gotik führten, zuerst Wur-
zel geschlagen, dort ihre frühesten, auch für
Deutschland bedeutungsvollen Erfolge ge-
bracht.
Die Wichtigkeit des Ortes erklärt es,
daß Paris auch für die christliche Kirche
eine Stadt von höchstem Ansehen werden
mußte. Die weltberühmte Notre-Dame
erbaute seit 1161 Bischof Moritz von
Sully. Bis 1235 entstand das Bauwerk,
dessen Riesenmaß bei den Kathedralen
Frankreichs nicht seinesgleichen fand
(Abb. 29). Die ganze Kraft der christ-
lichen Kirche jener Zeiten, ihre Macht,
die Geister zu bezwingen, zu den uner-
hörten, die Kultur des Abendlandes um-
wälzenden Taten der Kreuzzüge zu be-
geistern, spricht sich in dem Bau von
Notre-Dame wie kaum in einem anderen
aus. Drei Pforten führen ins Jnnere,
dreifach gegliedert übereinander steigen
die Geschosse auf, von denen die Türme
das dritte sind, geschieden durch Quer-
gurte von gewaltiger Wucht und doch
von freier Schönheit. Über dem unteren
Geschoß die lange Reihe der Statuen
französischer Könige, oben eine wunder-
bare Arkadenstellung. Jn der Mitte aber
prangt gleich der Sonne gewaltig und
farbenglühend die Fensterrose. Das fünf-
schiffige Jnnere ist ein Wald von Pfei-
lern und Säulen.
Abb. S8 <TcxI S. S1)
Exeter, Kathedrale
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