30
Seile ist zum Langbau ausgezogen. Bei diesen
iralienisch-gotischenLanghäusern herrscht derCharakter
der altchristlichen Basilika noch so deutlich, daß er sich
auch in der Zeichnung der Fronten klar ausspricht.
Aber welche Pracht ist aus der alten Einfachheit ge-
worden! Hmrlicher Farbenschmuck des verschiedenen
Marmors und der Mo-
saikmalereien wetteifert
miteinander, und die
Kunst der Bildhauerei
hat die Zeichen ihrer
Triumphe an dieser
Stätte Gott und seiner
heiligen Kirche zum
Opfer dargebracht. Die
Glockentürme stehen
neben den Kirchen, weil
sie sich aus jenen Fas-
saden nicht entwickeln
konnten. Da gibt's
manches prachtvolle
Kunstwerk von strenger,
abgeklärter Schönhsit.
So den Glockenturm
des Domes von Flo-
renz, welchen 1334 Gi-
otto erbaute, der hoch-
gefeiert ist als Bau-
meister wie als Maler.
— Unserem deutschen
Empfinden am nächsten
kommt das Marmor-
wunder des Domes von
Mailand (Abb.36). Eine
sünfschiffige Kathedrale
von überwältigenden
Massen ist es, ein Werk,
das man das achte
Weltwunder genannt
hat. Wahrlich, ein
Traumbild scheint er,
wenn wir in seiner un-
geheuren Halle über
den wunderbaren Mo-
saikfußboden wandeln,
und die Sonne des
Südens durch die herr-
lichen Fenster milden,
vollen Glanz über all
die Pracht ergießt.
Einem Märchengebilde
gleicht er, wenn im sil-
bernen Glanze des Mon-
des dieser Berg von
Marmor leise schimmert, als wäre das Gestein durch-
sichtig, und als wären all die vielen Tausende von
Figuren Erscheinungen aus einer anderen Welt. Jn
der Grundgestalt folgt dieser Dom vielen des Nor-
dens, aber weiter geht die Ähnlichkeit kaum. Eine
Uberfülle der Pracht! Wunderbarste Schätze um-
schließt der Dom. Aber das Kostbarste hütet er
unter seiner Kuppel, es ist die Grabkapelle des
hl. Karl Borromäus, der 1576 dieses Gotteshaus
geweiht hat.
Jn keinem Lande hat man sich der Gotik gegen-
über so unabhängig gehalten wie in Jtalien. Auch
in Spanien nicht, wo vielmehr die Einflüsse von
Frankreich nnd von Deutschland sich klar zeigen.
Wir sehen sie an be-
rühmten Kathedralen,
wie an denen von To-
ledo, Valencia, an den
kapellenreichen Domen
von Barcelona und
Palma (auf Majorka).
Ein Meister Johann
von Köln wirkte mit
an der Kathedrale von
Burgos, derenBau sich
bis tief ins 16. Jahr-
hundert hineinzog. Un-
serem deutschen Ge-
schmacke will freilich
dieses Werk in seiner
überladenen Schwer-
fälligkeit, die besonders
in dem achteckigen Mit-
telturme zum Ausdrucke
kommt, nicht recht ent-
sprechen. Aber wer
könnte sich gleichwohl
der Wirkung so maje-
stätischer Größe ent-
ziehen? Und doch wird
diese Kathedrale über-
troffen durch die von
Sevilla, mit St. Peter
zu Rom und dem Mai-
länder Dome eine der
drei größten der Welt,
eine Perle von wun-
dervollstem Feuer, ein
hinreißend schöner fünf-
schiffiger Bau, in dem
sich auch unsere deut-
sche Kunst und neben
ihr die flämische mit
schier unübersehlicher
Pracht der Fenstenna-
lereien herrliche Denk-
mäler gesetzt hat. Jn
diesem Dome ruhen seit
1902 die Gebeine des
Christoph Columbus.
Wir kommen wieder
ganz in heimatliche
Stimmung, wenn wir uns der edeln Schlichtheit der
belgischen und niederländischen Kathedralen erfreuen
dürfen. Wieder ist es, wie wir es schon in Frankreich
so oft fanden, eine Kirche Unserer Lieben Frau, die
in Antwerpen (Abb. 42) als schönste und größte von
ganz Belgien den Ruhm ihres Zeitalters und der
heiligen Kirche verkündet. Siebenschiffig ist sie, mit
prachtvoller Fasfade und einem himmelan strebenden
Abb. 42
(Tcxt S. M)
Antwerpen, Dom
Phot. Photoglob Co., Zürich
Seile ist zum Langbau ausgezogen. Bei diesen
iralienisch-gotischenLanghäusern herrscht derCharakter
der altchristlichen Basilika noch so deutlich, daß er sich
auch in der Zeichnung der Fronten klar ausspricht.
Aber welche Pracht ist aus der alten Einfachheit ge-
worden! Hmrlicher Farbenschmuck des verschiedenen
Marmors und der Mo-
saikmalereien wetteifert
miteinander, und die
Kunst der Bildhauerei
hat die Zeichen ihrer
Triumphe an dieser
Stätte Gott und seiner
heiligen Kirche zum
Opfer dargebracht. Die
Glockentürme stehen
neben den Kirchen, weil
sie sich aus jenen Fas-
saden nicht entwickeln
konnten. Da gibt's
manches prachtvolle
Kunstwerk von strenger,
abgeklärter Schönhsit.
So den Glockenturm
des Domes von Flo-
renz, welchen 1334 Gi-
otto erbaute, der hoch-
gefeiert ist als Bau-
meister wie als Maler.
— Unserem deutschen
Empfinden am nächsten
kommt das Marmor-
wunder des Domes von
Mailand (Abb.36). Eine
sünfschiffige Kathedrale
von überwältigenden
Massen ist es, ein Werk,
das man das achte
Weltwunder genannt
hat. Wahrlich, ein
Traumbild scheint er,
wenn wir in seiner un-
geheuren Halle über
den wunderbaren Mo-
saikfußboden wandeln,
und die Sonne des
Südens durch die herr-
lichen Fenster milden,
vollen Glanz über all
die Pracht ergießt.
Einem Märchengebilde
gleicht er, wenn im sil-
bernen Glanze des Mon-
des dieser Berg von
Marmor leise schimmert, als wäre das Gestein durch-
sichtig, und als wären all die vielen Tausende von
Figuren Erscheinungen aus einer anderen Welt. Jn
der Grundgestalt folgt dieser Dom vielen des Nor-
dens, aber weiter geht die Ähnlichkeit kaum. Eine
Uberfülle der Pracht! Wunderbarste Schätze um-
schließt der Dom. Aber das Kostbarste hütet er
unter seiner Kuppel, es ist die Grabkapelle des
hl. Karl Borromäus, der 1576 dieses Gotteshaus
geweiht hat.
Jn keinem Lande hat man sich der Gotik gegen-
über so unabhängig gehalten wie in Jtalien. Auch
in Spanien nicht, wo vielmehr die Einflüsse von
Frankreich nnd von Deutschland sich klar zeigen.
Wir sehen sie an be-
rühmten Kathedralen,
wie an denen von To-
ledo, Valencia, an den
kapellenreichen Domen
von Barcelona und
Palma (auf Majorka).
Ein Meister Johann
von Köln wirkte mit
an der Kathedrale von
Burgos, derenBau sich
bis tief ins 16. Jahr-
hundert hineinzog. Un-
serem deutschen Ge-
schmacke will freilich
dieses Werk in seiner
überladenen Schwer-
fälligkeit, die besonders
in dem achteckigen Mit-
telturme zum Ausdrucke
kommt, nicht recht ent-
sprechen. Aber wer
könnte sich gleichwohl
der Wirkung so maje-
stätischer Größe ent-
ziehen? Und doch wird
diese Kathedrale über-
troffen durch die von
Sevilla, mit St. Peter
zu Rom und dem Mai-
länder Dome eine der
drei größten der Welt,
eine Perle von wun-
dervollstem Feuer, ein
hinreißend schöner fünf-
schiffiger Bau, in dem
sich auch unsere deut-
sche Kunst und neben
ihr die flämische mit
schier unübersehlicher
Pracht der Fenstenna-
lereien herrliche Denk-
mäler gesetzt hat. Jn
diesem Dome ruhen seit
1902 die Gebeine des
Christoph Columbus.
Wir kommen wieder
ganz in heimatliche
Stimmung, wenn wir uns der edeln Schlichtheit der
belgischen und niederländischen Kathedralen erfreuen
dürfen. Wieder ist es, wie wir es schon in Frankreich
so oft fanden, eine Kirche Unserer Lieben Frau, die
in Antwerpen (Abb. 42) als schönste und größte von
ganz Belgien den Ruhm ihres Zeitalters und der
heiligen Kirche verkündet. Siebenschiffig ist sie, mit
prachtvoller Fasfade und einem himmelan strebenden
Abb. 42
(Tcxt S. M)
Antwerpen, Dom
Phot. Photoglob Co., Zürich