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Abb. S8 (Text S. 4i>i Freiburg i. Br., Münster von Nordwcsten
die wunderschöne Stadt. Es ist
wahr wegen des Zaubers, der
um den Bau des Münsters webt,
der in seiner ehrwürdigen ge-
heiligten Halle waltet. Das Mün-
ster von Straßburg (Abb. 61), das
den Namen des größten deutschen
Banmeisters, Erwin von Stein-
bach, unsterblich gemacht hat, es
ist so wunderschön, daß darob
die ganze Stadt mit demselben
Worte gerühmt werden kann. Es
ist mehr als schön, es ist ein Sym-
bol der Schönheit deutscher Kunst
überhaupt. Als solches winkte jahr-
hundertelang des Münsters Turm
vom Bannkreise der Fremdherrschaft
hinüber zur Heimat, als sehnte es
sich zu ihr zurück. Zur Zeit der sran-
zösischen Revolution haben sie ihm
eine blecherne Jakobinermütze auf-
gesetzt, die ist bald wieder verschwun-
den, und das Kreuz leuchtete von
neuem hernieder. Jm Hagel der Ge-
schosse stand das Münster und sein
Turm bei der Belagerung 1870 und
tmg manch harten Schaden davon,
aber das Kreuz siel nicht herunter;
alle Wunden wurden wieder geheilt.
Und so ist das Straßburger Mün-
ster für uns recht eine Verwirklichung
unserer Zuversicht von der Kirche
und des Glaubens Beständigkeit und
siegreichen Kraft, wie am Portale
schon die Vorfahren die gleiche Zu-
versicht in der herrlichen Statue der
christlichen Kirche ausdrückten, die
über die Widersacherin, die Syna-
goge, triumphiert. Zu Staunen und
zu Bewunderung reißt die westliche
Front hin, mag sie auch durch den
zwischen die Türme geratenen Zwi-
schenbauentstellt sein. Dennoch bleibt
gleich stark die Herrlichkeit des Por-
tals, die prachtvolle Rundung derrie-
sigen Fensterrose, die mit der Glut
ihrerGlasmalerei schier überirdischen
Schimmer in das Jnnere des er-
habenen Baues ergießt. Und dieser
Farbenschmelz vereinigt sich mil
dem Reichtum der anderen Fenster,
und dem Straßburger Münster ist ob
des Schatzes dieser Kunst kein anderes in ganz Deutsch-
land zu vergleichen. Dazu der Schmuck von Bildhauer-
werken. Noch immer imposant, trotz allem, was die Re-
volutionszeit gesündigt hat. Doch hat sie die herrlichen
Figuren der Südfassade, sie hat den edeln spätgotischen
Schmuck des Laurentiusportals, auch das Beste an
der Westfront verschont, sie hat nicht alles vernichtet,
was die Zier des Jnnern war. Und auch die schöne
Kanzel steht noch, die seit 1483 errichtet wurde, damit
jener Zeit berühmtester Prediger, Geiler von Kay-
sersberg, von ihr aus die stürmische Weisheit seiner
Glaubenspredigten verkündigen konnte.
Kommst du aber zuletzt nach Köln, so wirst du ge-
wahr, daß es Dinge gibt, deren Riesenmaß menschliche
Worte nicht zu schildern vermögen, und daß unser Be-
griff oft hinter der Wirklichkeit zurückbleibt. Über das
Herz geht beim ersten Anblicke dieses Domes schauern-
de Ahnung der Ewigkeit, die im Werke, das Gott den
Menschen eingegeben hat, ihr irdisches Gleichnis findet.
Erst später kommt die Bewunderung für das einzelne,
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Abb. S8 (Text S. 4i>i Freiburg i. Br., Münster von Nordwcsten
die wunderschöne Stadt. Es ist
wahr wegen des Zaubers, der
um den Bau des Münsters webt,
der in seiner ehrwürdigen ge-
heiligten Halle waltet. Das Mün-
ster von Straßburg (Abb. 61), das
den Namen des größten deutschen
Banmeisters, Erwin von Stein-
bach, unsterblich gemacht hat, es
ist so wunderschön, daß darob
die ganze Stadt mit demselben
Worte gerühmt werden kann. Es
ist mehr als schön, es ist ein Sym-
bol der Schönheit deutscher Kunst
überhaupt. Als solches winkte jahr-
hundertelang des Münsters Turm
vom Bannkreise der Fremdherrschaft
hinüber zur Heimat, als sehnte es
sich zu ihr zurück. Zur Zeit der sran-
zösischen Revolution haben sie ihm
eine blecherne Jakobinermütze auf-
gesetzt, die ist bald wieder verschwun-
den, und das Kreuz leuchtete von
neuem hernieder. Jm Hagel der Ge-
schosse stand das Münster und sein
Turm bei der Belagerung 1870 und
tmg manch harten Schaden davon,
aber das Kreuz siel nicht herunter;
alle Wunden wurden wieder geheilt.
Und so ist das Straßburger Mün-
ster für uns recht eine Verwirklichung
unserer Zuversicht von der Kirche
und des Glaubens Beständigkeit und
siegreichen Kraft, wie am Portale
schon die Vorfahren die gleiche Zu-
versicht in der herrlichen Statue der
christlichen Kirche ausdrückten, die
über die Widersacherin, die Syna-
goge, triumphiert. Zu Staunen und
zu Bewunderung reißt die westliche
Front hin, mag sie auch durch den
zwischen die Türme geratenen Zwi-
schenbauentstellt sein. Dennoch bleibt
gleich stark die Herrlichkeit des Por-
tals, die prachtvolle Rundung derrie-
sigen Fensterrose, die mit der Glut
ihrerGlasmalerei schier überirdischen
Schimmer in das Jnnere des er-
habenen Baues ergießt. Und dieser
Farbenschmelz vereinigt sich mil
dem Reichtum der anderen Fenster,
und dem Straßburger Münster ist ob
des Schatzes dieser Kunst kein anderes in ganz Deutsch-
land zu vergleichen. Dazu der Schmuck von Bildhauer-
werken. Noch immer imposant, trotz allem, was die Re-
volutionszeit gesündigt hat. Doch hat sie die herrlichen
Figuren der Südfassade, sie hat den edeln spätgotischen
Schmuck des Laurentiusportals, auch das Beste an
der Westfront verschont, sie hat nicht alles vernichtet,
was die Zier des Jnnern war. Und auch die schöne
Kanzel steht noch, die seit 1483 errichtet wurde, damit
jener Zeit berühmtester Prediger, Geiler von Kay-
sersberg, von ihr aus die stürmische Weisheit seiner
Glaubenspredigten verkündigen konnte.
Kommst du aber zuletzt nach Köln, so wirst du ge-
wahr, daß es Dinge gibt, deren Riesenmaß menschliche
Worte nicht zu schildern vermögen, und daß unser Be-
griff oft hinter der Wirklichkeit zurückbleibt. Über das
Herz geht beim ersten Anblicke dieses Domes schauern-
de Ahnung der Ewigkeit, die im Werke, das Gott den
Menschen eingegeben hat, ihr irdisches Gleichnis findet.
Erst später kommt die Bewunderung für das einzelne,
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