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Die Kunst dem Volke <München> — 1911 (Nr. 5-8)

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Berühmte Kathedralen des Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.21075#0046
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Abb. ss (Text S. 40) Metz, Dom, Jnneres, Blick nach Westcn Phot. K. Meßbildanstalt, Berlin

für die unabsehbare, nicht auszulernende Fülle der
Kunst an diesern gewaltigsten aller deutschen Dome
(Abb. 2). Eines aber bleibt wie von Anfang: jedes-
mal glaubt man wieder, den Kölner Dom, sei es
seine Turmfront, sei es sein Chor, seien es die Lang-
seiten, größer, majestätischer zu sehen, als man ihn
in der Vorstellung habe.

Die Franzosen sagen von dem Kölner Dome, er
sei mit dem Zirkel erdacht. Das soll wohl eine
Art Vorwurf sein und stammt aus der Vergleichung
mit den großen französischen Kathedralen des go-
tischen Stils. Wenn jenes Wort bedeuten würde,
daß menschlicher Verstand seine höchste Sorgfalt, die
schärfste Folgerichtigkeit seiner Gedanken bis in letzte
Konsequenz hier hat zur Tat werden lassen, so
wollen wir das gern hinnehmen. Denn es ist wahr,
daß der Gedanke der Konstruktion, der aus- ihr mit
zwingender Notwendigkeit sich ergebenden Formen,
und des für sie einzig stassenden, weil einzig natür-
lichen Schmuckes von allen dentschen Domen in
dem kölnischen am klarsten, reinsten, fehlerlosesten
erfaßt und bis zum letzten Ende geführt ist. Dem
Kölner Dome fehlen alle Zufälligkeiten, wie sie
andern vielfach in reichem Maße eigen sind, und

damit freilich jene Art von malerischer Stimnmng,
die aus stilistischer Mannigfaltigkeit sich ergibt. Um
so gewaltiger gerade wirkt die Einheit, die unendlich
reiche Durchführung des einfachen Themas. Denn
der Form auch dieses Domes liegt das Schema
des lateinischen Kreuzes und der uralten Basilika
zugrunde. Aber was ist aus beiden geworden! Ein
fünfschiffiger Wunderbau, durchsetzt von einem drei-
schiffigen. Über das Querschiff hinweg umziehen
die Seitenschiffe den herrlichen Chor. Das eine von
ihnen löst sich auf in einen wundervollen Kranz von
sieben Kapellen.

Wenn aber jenes französische Wort den Sinn
haben sollte, als wäre der Kölner Dom nicht auch
mit dem Herzen gebaut worden — welch ein Jrrtum,
welche Verkennung des deutschen Volkscharakters
welche Mißachtung der Tatsachen!

Über wie vielen Türen liest man nicht die Buch-
staben „6 -j- U -s- ü" und es soll heißen, daß die
heiligen drei Könige diesem Hause nur liebe Gäste be-
scheren möchten. Waren sie selbst doch als solche
dereinst vor des Christkindleins Krippe getreten.
Die Reliquien der drei Heiligen aber kamen erst
nach Konstantinopel, von da wanderten sie nach
 
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