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Die Kunst dem Volke <München> — 1911 (Nr. 5-8)

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Berühmte Kathedralen des Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.21075#0048
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dungsfeier im Beisein des Deutschen Kaisers statt-
fand. Trauernd schwebten die Gedanken der
deutschen Katholiken um das Fest, dem sie in jener
Stunde fernblieben, und um die Kathedrale, die
schönste im ganzen deutschen Lande. Denn in
dem Herzen des Volkes und in dem Herzen von
Gottes heiliger Kirche war dereinst der Trieb
entsprossen, diese köstlichste Perle in die Krone
der Kirche einzufügen, und jeder Schlag des
Herzens hatte das Werk begleitet.

H *

*

(^nain ciileeta ladernaenlL Ina, Ooinins
virtmtmiii!

Wie lieblich sind deine Wohnungen, o Herr

der Heerscharen!

* -!-

-i-

Was schafft auf Erdeu, daß die edeln Kathe-
dralen erwachsen und erbliihen und aller Künste
Jnbegriff, Perlen in der Krone der Kirche wer-
den? Jm Himmel herrschet Gott und sein gött-
licher Sohn; schützend, fürbittend, als Vermittler
der ewigen Barmherzigkeit walten die Scharen
seiner Heiligen. Und die himmlische Gerechtig-
keit, gleich verteilend Strenge und Gnade, regiert
über alles Erdreich und über der Menschen wech-
selnde Geschlechter. Er hat seine Kirche geheiligt
zu ihrer Ausgabe und hat sie bekleidet mit den
Zeichen der Macht, bewaffnet und geschmückt,
auf daß sie hienieden seinen Willen verkünde
und durchsetze in seinem heiligen Namen. Die
Bauten unserer Kirchen sind Stätten, wo der
Mensch die himmlische und die irdische Herrschaft
Gottes erkennt, wo er seinem Willen und der
Hoheit derjenigen sich beugt, die seine Verwalter
sind. Jn des Menschen geistigem Leben aber
einigen sich die von Gott ihm gegebenen Re-
gungen des Denkens, Fühlens und Wollens.
Darum sehen wir in den Wunderbauten un-
serer großen Kathedralkirchen die Erfolge aller
jener drei Geistesbetätigungen. Der Gedanke
faßt untrüglich den großen Plan und Gegen-
stand; der Wille macht ihn zur Tat und Wirk-
lichkeit; das Gefühl gibt ihm Leben, das Leben
erweckt. So stehen unsere Kirchen da als Er-
zeugnisse einer festen llberzeugung, Tatkraft,
Begeisterung, Frömmigkeit und des Glaubens,
der Berge versetzt und Berge errichten kann. Sie
ragen als Gleichnisse von Gottes Herrlichkeit,
deren Strahlen in seiner heiligen Kirche auf
Erden sich sammeln. Sie sind Abbilder der himm-
lischen Heimat, die Schutz gibt allen, die daran
glauben, und ist kein Unterschied zwischen hoch
Abb. 61 (Text S.41) Straßburg i. E., Münster und niedrig. Jhr Schmuck, die Schätze, die sie

Ph°t. K. MeßbUdanstalt. BerUn sie ^ ^ ^ S ^

gotterfüllten menschlichen Herzens. Denn auch
der nun in seinem Dome im langen Schlummer das, so klein es ist, es soll eiue Kathedrale sein, von

niht, weilte damals als Opfer der traurigen poli- Gott selbst geschaffen, und soll heißen davon:

tischen Verhältnisse flüchtig im Auslande. Er war Hier ist nichts anderes denn Gottes

auch fern, als am 15. Oktober 1880 die Vollen- Haus und die Pforte des Himmels!
 
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