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Abb. 9 lTcxt S. 0j Vision des hl. Franziskus
lNuch der Zeichnung im Kgl. Kupferftichkabineti, Stuttgart)
ich, mir auf einmal selbst überlassen, unschlbar an
Leib nnd Seele zu Grunde gegangen." — Damit
endet Führichs poetisch schöne Iugendzeit.
Nun beginnt Führichs eigentliche Lernperiode;
rvenn auch äußerlich ziemlich eintönig verlaufend,
bot sie ihm doch „durch Umgang, Lektüre und
Kunst resp. Kunstanschauung" viele Momente,
die seinen künstlerischen Entmicklungsgang mannig-
fach beeinflußten.
Zwei Jugendfreunde aus Kratzau, die Medi-
ziner Schroff, sowie etliche Studiengenossen rvaren
der liebste Verkehr; fleißige Lektüre der Dichter,
zunächst Schiller, späterhin der Romantiker No-
valis, Tieck, der Gebrüder Schlegel und anderer
füllten die Mußestunden. Sie gaben auch deu
Anlaß zum nötigen Verdienst, und unter des
Akademikers Stift entstanden Jllustratiouen zu
den Werken Schillers und Kotzebues, zu Spind-
lers Romanen, aber er verschmähte nuch nicht
Bcstcllungen auf Heiligenbildchen der Verlags-
firmaPachmapr, aufPromotionskartensAbb.4,5,7)
wie andere Gelegenheitsarbeiten; hatte er doch
zeitlich und oft genug erfahren, daß die Kunst nach
Brot gehen muß.
Alle diese Arbeiten atmen gleich einigen Altar-
blättern (Abb. 9) aus jener Schulzeit noch sehr den
GeistderdamalsherrschendennüchternenKunstrich-
tung, ivelche Führich nicht zu begeistern vermochte.
Da sah er bei einem Besuche Dresdens im Sommer
1820 Overbecks Karton „Olind und Sophronia"
aus Tassos „Befreitem Jerusalem", nachdem er
zuvor Cornelius' „Faust"-Kompositionen kennen
gelernt; groß war seine Begeisterung und er
schreibt selbst, daß ihm die Eigenarten dieser bei-
den Meister „zu einem Ganzen zusammenflossen,
aus dem ihin einigermaßen klar wurde, was die
neuere deutsche Kunstrichtung, von der er schon
gehört und gelesen, anstrebe". Weit mehr aber
noch entslammte Dürer dieses Künstlerherz. Direk-
tor Bergler, der seinen Schüler sehr schätzte, hatte
ihm einmal einen Christuskopf des Nürnberger
Altmeisters gezeigt, die Lektüre von Wackenroders
„Herzensergießungen eines kunstliebenden Kloster-
bruders" und Dürers „Tagebuch" verstärkten die
„tiefe Sehnsucht nach der Bekanntschaft mit Wer-
ken älterer, besonders deutscher Kunst". Auch die-
ses Sehnen sollte endlich Befriedigung finden.
Am Dreikönigstage 1821 lieh ihm ein be-
freundeter Buchhändler einen Sammelband alter
Schnitte, insbesondere von Dürer, und während
es draußen stürmt und schneit, öffnet Führich in
der ivarmen Stube das „verhängnisvolle Buch",
das alsbald eine Sturmflut von Gedanken in
seiner Brust hervorruft. Lassen wir ihn selbst
über diesen Wendepuukt in seiner Kunstauffassung
erzählen:
„Jch setzte mich mit Sammlung und einer Art
andächtiger Ehrfurcht und öffnete; — ich sah, —
und sah wieder, und traute meinen Augen nicht;
eine bisher uubekannte Welt ging vor meinen
Blicken auf. Das war also die Kunst in der
Kindheit, die Kunst in der Wiege; die lallende,
unmündige, unbeholfene, kindisch-geschmacklose,
Gedanken in roher barbarischer Form darstellende
Abb. 10 (Text S. 8) Zu uns komme Dein Reich!
(Aus Führichs „Vaterunser")
Abb. 9 lTcxt S. 0j Vision des hl. Franziskus
lNuch der Zeichnung im Kgl. Kupferftichkabineti, Stuttgart)
ich, mir auf einmal selbst überlassen, unschlbar an
Leib nnd Seele zu Grunde gegangen." — Damit
endet Führichs poetisch schöne Iugendzeit.
Nun beginnt Führichs eigentliche Lernperiode;
rvenn auch äußerlich ziemlich eintönig verlaufend,
bot sie ihm doch „durch Umgang, Lektüre und
Kunst resp. Kunstanschauung" viele Momente,
die seinen künstlerischen Entmicklungsgang mannig-
fach beeinflußten.
Zwei Jugendfreunde aus Kratzau, die Medi-
ziner Schroff, sowie etliche Studiengenossen rvaren
der liebste Verkehr; fleißige Lektüre der Dichter,
zunächst Schiller, späterhin der Romantiker No-
valis, Tieck, der Gebrüder Schlegel und anderer
füllten die Mußestunden. Sie gaben auch deu
Anlaß zum nötigen Verdienst, und unter des
Akademikers Stift entstanden Jllustratiouen zu
den Werken Schillers und Kotzebues, zu Spind-
lers Romanen, aber er verschmähte nuch nicht
Bcstcllungen auf Heiligenbildchen der Verlags-
firmaPachmapr, aufPromotionskartensAbb.4,5,7)
wie andere Gelegenheitsarbeiten; hatte er doch
zeitlich und oft genug erfahren, daß die Kunst nach
Brot gehen muß.
Alle diese Arbeiten atmen gleich einigen Altar-
blättern (Abb. 9) aus jener Schulzeit noch sehr den
GeistderdamalsherrschendennüchternenKunstrich-
tung, ivelche Führich nicht zu begeistern vermochte.
Da sah er bei einem Besuche Dresdens im Sommer
1820 Overbecks Karton „Olind und Sophronia"
aus Tassos „Befreitem Jerusalem", nachdem er
zuvor Cornelius' „Faust"-Kompositionen kennen
gelernt; groß war seine Begeisterung und er
schreibt selbst, daß ihm die Eigenarten dieser bei-
den Meister „zu einem Ganzen zusammenflossen,
aus dem ihin einigermaßen klar wurde, was die
neuere deutsche Kunstrichtung, von der er schon
gehört und gelesen, anstrebe". Weit mehr aber
noch entslammte Dürer dieses Künstlerherz. Direk-
tor Bergler, der seinen Schüler sehr schätzte, hatte
ihm einmal einen Christuskopf des Nürnberger
Altmeisters gezeigt, die Lektüre von Wackenroders
„Herzensergießungen eines kunstliebenden Kloster-
bruders" und Dürers „Tagebuch" verstärkten die
„tiefe Sehnsucht nach der Bekanntschaft mit Wer-
ken älterer, besonders deutscher Kunst". Auch die-
ses Sehnen sollte endlich Befriedigung finden.
Am Dreikönigstage 1821 lieh ihm ein be-
freundeter Buchhändler einen Sammelband alter
Schnitte, insbesondere von Dürer, und während
es draußen stürmt und schneit, öffnet Führich in
der ivarmen Stube das „verhängnisvolle Buch",
das alsbald eine Sturmflut von Gedanken in
seiner Brust hervorruft. Lassen wir ihn selbst
über diesen Wendepuukt in seiner Kunstauffassung
erzählen:
„Jch setzte mich mit Sammlung und einer Art
andächtiger Ehrfurcht und öffnete; — ich sah, —
und sah wieder, und traute meinen Augen nicht;
eine bisher uubekannte Welt ging vor meinen
Blicken auf. Das war also die Kunst in der
Kindheit, die Kunst in der Wiege; die lallende,
unmündige, unbeholfene, kindisch-geschmacklose,
Gedanken in roher barbarischer Form darstellende
Abb. 10 (Text S. 8) Zu uns komme Dein Reich!
(Aus Führichs „Vaterunser")