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Die Kunst dem Volke <München> — 1911 (Nr. 5-8)

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Joseph Ritter von Führich sein Leben und seine Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.21075#0063
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Giebel hinaus; „wenn alles zur Ruhe war" —
schreibt sein Sohn — „saß er in der Sofaecke,
bei einigen Gläsern schlechten Bieres und einer
Schemnitzer Pfeife mit „rotem Dreikönig" gestopft,
mit Meditieren, Lesen, Komponieren und später,
als die Augen schwächer, die innere Gestaltnngs-
kraft aber größer wurde, nur mit Lektüre und
schriftlichem Notieren von Gedanken beschäftigt". —

Hier schuf nun Führich neben seinerTätigkeit in
der Akademie, wo man ihn anfangs als „Eindring-
ling" betrachtete, ihm bald aber Anerkennung ent-
gegenbrachte, eine Reihe von Taselbildern so „Jakob
und Rahel am Brunnen" (Abb. 2), „Mariens
Gang über das Gebirge" (Abb. 28), „Booz und
Ruth",„ChristusinderVorhölle", „DiezurKrippe
eilenden Hirten" (Abb. 18), welche er zugunsten
von Abbrändlern seiner Heimat Kratzau mit Er-
folg versteigerte, „Christi Gang zum Oelberg" u. a.;
ein Teil derselben ist in der Folge auch in treff-
lichen Steindrucken — bei Bohmann in Prag —
in dem Lieferungswerke „Christliches Kunststreben
in der österreichischen Monarchie" aufgelegt wor-
den. Großen Erfolg hatte das aus jener Zeit
stammende Blatt „Die Menschwerdung" (Nbb. 19),
das in tausend Exemplaren gedruckt, binnen kür-
zester Frist vergriffen war.

Ein Anerbieten auf die erledigte Direktorstelle
an der Prager Akademie lehnte er ab; dafür
festigte sich seine Positivn in Wien, denn nachdem
er 1838 mit seinem Kollegen Engerth den Auftrag,
in Vcnedig eine Anzahl von altitalienischen Ge-

Abb.2S(Text S.18) Waldbächlein und Tannenbanm
(Zu Redwitz' „Miirchen")

Abb.24(TextS.l8) Das Hirtenmadchen von Albano
(Aus „Vater tzeinz")

mälden für die Galerie der Akademie auszuwählen,
mit Glück erledigt hatte, wurde ihm bald darauf
die neuerrichtete Stelle eines Professors der gc-
schichtlichen Komposition an dieser Kunstschule
übertragen, wodurch sich ihm ein neuer, seinen
Neigungen entsprechender Wirkungskreis erschloß.
Jn all diesem freudenreich künstlerischen Schaffen
blieben ihm irdische Lichmerzen nicht erspart: von
sieben Kindern, die ihm Gottes Gnade geschenkt,
starben fünf und dazu traf ihn schwer das Scheiden
seines geliebten Vaters. Wie sehr der an Fa-
milienleben gewohnte Mann solche Verluste emp-
funden, zeigen seine nach Jahren erst niederge-
schriebenen Worte über den Tod eines Söhnchens:
„Als er in meinem Arbeitszimmer lächelnd, still
und kalt vor mir im Sarge lag, mit dem Blumen-
kranz nm die Stirne, das Kruzifix und den Rosen-
kranz in den gefalteten Händchen, fiel mir tröstend
ein, daß er, der seine Hände so oft mit kindlicher
Jnbrunst vor der Krippe und dem Kreuze erhoben,
sie nun am Throne der emigenLiebe erheben werde,
Vergebung erflehend den vielen Sünden und Tor-
heiten seines Vaters." — Welch fromm-kindliches
Gemüt eröffnet sich in diesen Worten!

Das Wort „Krippe" erinnert da an einen wei-
teren echt christlichen Zug des Meisters. Mit Be-
geisterung erzählt uns der Sohn in den „Er-
innerungen",wieseinVateralljährlichWeihnachten
zu feiern pflegte, wie dieser nach allen nötigen
Vorbereitungen seine Krippe (Abb.17) baute, wie
er am heiligen Abend seinen Kindern das Evange-
lium Johannis las, und es ist so recht bezeichnend.
 
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