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Die Kunst dem Volke <München> — 1911 (Nr. 5-8)

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Joseph Ritter von Führich sein Leben und seine Kunst
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konnte: „Das an eüie nüchtern behandelte Empire-
form gewöhnte Publikmn hatte nun zum erstenmal
Gelegenheit, den Reiz der romanischen Bauformen,
die Pvesie ihrer Ornamentik, die Wärme der
Farbentöne, die man ihnen zu verleihen pflegt,
kennen zu lernen; zum ersten Male feit vielen
Dezennien wurde es von dem Hauche ivahrhaft
idealer Kunst beruhrt, denn im Jnnern dieser
Kirche schuf Führich mit seinen Freunden und
Jüngern einen Zpklus von religiös-historischen
Gemälden, eine geistig tiefe, durch Formenfülle

imponierende Komposition. Die ganze Geschichte
der Erlösung stellte Führich in diesem Zyklus dar:
die durch den Sündenfall veranlaßte Erscheinung
des Heilands, seine Verheißung durch die Pro-
pheten, seine Wirksamkeit aus der Erde und sein
unsichtbares Wirken in den Gnadenmitteln der Kir-
che". —DerMeisterstand aufdemHöhepunktseines
Schaffens, er hatte wieder betätigt seinenGrundsatz
von der Kunst: „daß sie diene im Hause Gottes, aber
nicht blos als Schmuck und Dekoration, sondern
als eine Lehrform, die das geheimnisvolle Glau-
bensleben, welches in der Kirche wirkt, durch die
Sinne dem Gemüte zuführt!" Kaiser Franz

Joseph l. verlieh dem Künstler für seine Schöpfung
den Orden der Eisernen Krone III.Klasse, womit
die Erhebung in den erblichen Ritterstand ver-
bunden war; sein durch ein goldenes Kreuz in
vier Felder geteiltes Wappenschild knüpft völlig an
diese künstlerische Tat: aus blauem Grunde oben
das Siebengestirn (die sieben Zusluchten) und drei
aufsteigende Lerchen, unten das goldene Aehren-
feld und dcn Fährmann (Führich), das Bild der
Kirche als Helmzierde. Wieder griss der Künstler
zur nötigen Erholung zum Wanderstabe, da er als
Vertreter der Akademie 1858 zur Jubi-
läumsausstellung und Künstlerver-
sammlung nach München abgeordnet
wurde, wo man ihn mit offenen Armen
aufnahm; er benutzte die Fahrt zum
Besuche anderer deutscher Kunststätten
nnd gesinnungsverwandter Freunde
und Zunstgenossen, so bei Schwind auf
der Wartburg, im Künstlerkreise Düs-
seldorfs speziell bei Schadow, bei Deger
auf Stolzenfels, bei Philipp Veit in
Mainz, endlich bei Steinle und Waagen
in Frankfurt a. M. Auf der Heimreise
nochmals München berührend empfing
er dort von König Ludwig von Bayern
eigenhändig den St. Michaels-Orden
und kehrte, erfülltvon neuen Eindrücken
und ersrischter Schaffenslust, an die
Donau zurück. Solchezu betätigen, fand
sich Gelegenheit in Fülle, und eine Reihe
von Aufträgen erfolgten in dennächsten
Jahren. Da entstanden nacheinander
zwei große Altarblätter aus derLegende
des „Hl. Benedikt" für Stift Raigern
(Abb. 32), zwei Gemälde „Verbreitung
des Christentumsunter den Germanen"
und „Die Auffindung des HI. Johannes
von Nepomuk in der Moldau" für die
Galerie Schack in München, eine Al-
tarkomposition für die neuerbaute
Kirche des Grafen Fries in Vöslau
(Abb.33), ein „Rudolf von Habsburg"
sür den österreichischen Kronprinzen,
eine „Rückkehr aus Aegppten" für den
päpstlichen Nuntius. Aus Dankbar-
keit widmete der Künstler damals den
Kirchen von Kratzau und Schönlinde
frommempfundene Marienbilder und
war mitbeschäftigt an den Miniaturen zu einem
Pracht-Missale, welches der Monarch als Geschenk
für Papst Pius IX. bestimmt hatte, sowie an
einer von König Iohann von Sachsen veranlaßten
Sammlung von Kompositionen deutscher Künstler
zu Dantes „Divlna eomsäia" (Abb.35),wozu Füh-
rich zwei Bleistiftzeichnungen beisteuerte. lleber
diese, an denen auch Cornelius, Rethel, Genelli, Prel-
ler, Neher, Lessing, K. Begas und K. Müller mitar-
beiteten und die sich nun im Besitze des Prinzen Jo-
hann Georg von Sachsen befinden, urteilt Lützow:
An Ernst und Größe des Stiles wird Führich
von keinem der deutschen Genossen überboten."

Abb. 33 Mext S. 23) Altarwerk für die Kirche in Vöslau
 
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