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Die Kunst dem Volke <München> — 1911 (Nr. 5-8)

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Joseph Ritter von Führich sein Leben und seine Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.21075#0087
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39

Abb, KI (Text S. S0)

Jesus rveint über Jerusalem

nicht das künstlerische Vennögen, denn gerade in
seinen Zeichnnngen ist eine so feine Empfindung fnr
den Vorgang, ein so vollkoinmencs Versenken
in den Gegenstand, so viel selbständig Er-
dachtes, so viel echtes Leben, daß man sie
nicht wohl aus dem Gedächtnis verliert. Es
fehlte ihm nicht die Lust am Dogmatischen,
am Grübeln; das beiveisen seine Schriften,
aber nicht ivie bei Oocrbeck seine Zeichnungen,
Hier ivollte er nur die Heilsivahrheiten, die
Leiden Christi und der Heiligen andere mit-
empfinden machen, das Mitleid mit jenen,
das seines Daseins Freude ivar, andercn ssn

gleicher Beseligung übermitteln.-Er

arbeitete aus der Fülle innerer Gestalt heraus,
vertrauend auf seinen Gott, daß dieser ihm die
rechten Wege meise. Man kann das schlichte,
sinnigc, fromme, in sich zufriedene, beglückte
Leben des Meisters, ivie es uns sein frommer
Sohn darstellte, nur mit hcrzlichcr Freude
betrachten. Diese Kinderseele an Reinheit, an
gottseligem Weltvertrauen, an Gelassenheit und
bescheidenem Gehorsam gegen die Ordnungen
der Welt; dieses Gefühl für die Pflicht, dcn
Autoritäten zu vertrauen, sich ihnen unterzu-
ordnen. Künstlertum mar ihm dauerndes Kin-
dertum.

Man ivird sich zu einem solchen sündenfreien
Dasein von ganzem Herzen hingezogen sühlen;
man versteht, marum den Hilflosen helfende
Freunde stets umgaben; man erkennt, warum
Männer mie Führich sich so ganz in eine
ältere Kunst versenken konnten: hielten sie
diesc doch sür gleich gläubig und gleich harm-
los, ivie sie selbst zn bleiben den innigsten
Drang hatten.

Führich mehrte sich mit aller Kraft des
Herzens und Geistes gegen die Erkenntnis des
seine Sicherheit Bedrohenden, mie etma ein

träumerisches Kind gegen die
Einsicht, daß nicht das Christ-
kinddenWeihnachtsbaum schmücke.
Das alles spricht aus seiner Kunst
mit einer herzgeminnenden Ein-
falt, die mit der Tiefe in seinen
Schriften zu messen ist. Und wer
dies Kindertum in der Kunst sucht,
wessen Empfinden in solchem Kin-
dertum die Vollendung, die höchste
Stufe des in Gott beruhigten
Menschentnms erkennt, dem wird
kein Beweis der Welt ausreden,
daß wir nicht alle in diesem
Leben Kinder bleiben können nnd

bleiben sollcn,"--

Ein künstlerischer Vorwurf,
dcn Führich miederholt mit be-
sonderer Vorlicbe behandelt hat,
ist der gewaltige St. Christopho-
rus; wir finden ihn schon in des
Künstlers Jugendblättern wie in
dessen „Triumphzug Christi", als
„Gottsucher" (Abb, 63) hat er den ihm vorbildlichen
Heiligen in einemprächtigcn Blatle verherrlicht und

Abb, 62 (Text S. M>

Sankt Joseph
 
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