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einem früheren Lehrer Ohnmacht mit Porträtähnlich-
kcit eine Erinnerung geweiht — auf den gräslichen
Schwindler hetzend: Kein Wunder, daß die rechtzeitig
gerettete schöne Braut, die ungeahnt dann bei dieser
hereingewirbelten Situation in einzig passende Ohn-
macht sinkt, während der fnhrende väteriiche Oheim
verpasst selbst zn schwer getroffen scheint, um ihr Bei-
stand zu leisten. Bon allen
Seiten aber lächelt dem
abgeblitzten Freier höhni-
sche, schadenfreudige Teil-
nahme, daß dem schönen
Projekt, seinem im Hinter-
grunde oben prangenden,
zerrütteten Erbschlößlein
ausznhelsen, der ganzen zu-
künftigen Herrlichkeit und
dessen schnödem Treiben
endlich ein gründlicher
Kehraus geworden. Die
am Brunnen schmähenden
Mägdlein setzen in vollen
Tönen ein, wozu selbst'ein
bellender Köter verständ-
nisinnig zustimmt. Mit je-
ner, allen mittelalterlichen
Malern eigenen Naivität,
ihre Zeitgenossen mit por-
trätähnlicher Wahrheit auf
ihren Bildern anzubringen,
hat Schwind in der einen
Ecke seinen trautesten
Freunden ein Denkmal ge-
setzt; da kramt der ernste
Lenau als ein mit dem ma-
gyarischen Pallasch gegür-
teter fahrender Schüler in
einer alten Bücherkiste, assi-
stiert von ein paar neugieri-
gen Jtingelchen, über ihm
schaut Bauernfeld in das
vor seinen hellen Augen sich
vergnüglich abhaspelnde
Lrytspiel, dahinter studieren
Grillparzer nnd Franz von
SchoberdasProgrammder
Ritter-Kurt-Ballade, wüh-
rend Feuchtersleben und
Graf Anersperg (Anasta-
sius Grün) die Gruppe ab-
runden: in leichten Kontu-
ren hat sich neben dem mit
einer Roland-Statue ge-
krönten Brunnentrog der Maler selbst konlerfeit, wie
er, umgeben von seinen Brüdern, den Mitgenossen
Kaulbach und dem federwallend behelmten Schnorr,
dem in der Maske des Sängers der läivinn enmeclin
abgebildeten Meister Cornelius diesem sein Blatt mit
der Brautsahrt vorzeigt, welch letzterer bedrohlich war-
nend den Finger erhebt: nicht weiter zu gehen, da die
historische Kunst des Erlaubten gerade an der scharfen
Grenze angelangt ist, wo der geringste Fehltritt in die
Trivialität der Karrikatur oder in den absurden Mut-
lvillen stürzen kann. So lange der Künstler aber in so
ehrender Gesellschaft bleibt, ist selbst der tollste Fasching
des Humors ein ungefährliches Spiel.
Das in markiger Zeichnnng und entsprechendem
Kolorit ausgeführte Werk bleibt ein Kronjuwel der
neueren Kunst nnd wirkt lvie ein mit graziöser Schön-
heit durchlebtes Lustspiel,
ein belebender Regen-
schauer der heitersten Ko-
mik. Das Bild (nachmals
gestochen von JuliusThae-
ter) gab die Brücke, auf
welcher Schwind nach
Karlsruhe zog, um einen
neuen, seiner ganz würdi-
gen Wirknngskreis zu fin-
den.
Vorerst wünschte der
Großherzog die schon von
Goethe ausgesponnene
Jdee der sog. „Philostra-
tischen Gemäldegalerie" -)
in der dortigen Kunsthalle
zu verwirklichen. Da die
Raumverhältnisse manche
Schwierigkeiten boten, trat
Schwind wieder als selbst-
ständig gestaltender Dichter
aus, wie er in Lünetten,
Wand- und Deckenbildern
das Ganze, die immer
wiederkehrenden Gedanken
von Kampf und Sieg, das
wahre Leben mit den Ge-
gensätzen vonPoesie, Liebe,
Leid, jubelnder Lust und
berber Trauer — in antiken
SagenundMythen geadelt
und verkörpert — durch-
sührte, mit einer Fülle von
Anmut und Leichtigkeit, in
oft überraschender, unüber-
bietbarer Heiterkeit, mit
roter Farbe auf schwarzem
Grunde, im reizendsten
Fluß der Linien — insbe-
sondere der Fries mit
Poesie, Gesang nnd Tanz
—, teilweise an Cornelius
und Genelli gemahnend
lherausgegeben mit den
notwendigen Erläuternn-
gen von Richard Förster, Leipzig 1903 bei Breitkopf
u. Härtel, Gr.-Fol.).
Populärer wirkt die Berherrlichung der Baukunst,
Skulptur und Malerei Badens (im Treppenhaus). Das
Hauptbild schildert die ,.Einweihung des Freiburger
Münsters". Die Szene ist nicht in das Jnnere, sondern
naturgemäß vor das vom Baugerüst befreite, reich mit
Blnmen und Gewinden geschmückte Hauptportal ver-
legt. Von beiden Seiten ziehen festliche Scharen : zum
Abb. 1S (Text S. 6>
Emsiedler in ciner Felscngrotle
einem früheren Lehrer Ohnmacht mit Porträtähnlich-
kcit eine Erinnerung geweiht — auf den gräslichen
Schwindler hetzend: Kein Wunder, daß die rechtzeitig
gerettete schöne Braut, die ungeahnt dann bei dieser
hereingewirbelten Situation in einzig passende Ohn-
macht sinkt, während der fnhrende väteriiche Oheim
verpasst selbst zn schwer getroffen scheint, um ihr Bei-
stand zu leisten. Bon allen
Seiten aber lächelt dem
abgeblitzten Freier höhni-
sche, schadenfreudige Teil-
nahme, daß dem schönen
Projekt, seinem im Hinter-
grunde oben prangenden,
zerrütteten Erbschlößlein
ausznhelsen, der ganzen zu-
künftigen Herrlichkeit und
dessen schnödem Treiben
endlich ein gründlicher
Kehraus geworden. Die
am Brunnen schmähenden
Mägdlein setzen in vollen
Tönen ein, wozu selbst'ein
bellender Köter verständ-
nisinnig zustimmt. Mit je-
ner, allen mittelalterlichen
Malern eigenen Naivität,
ihre Zeitgenossen mit por-
trätähnlicher Wahrheit auf
ihren Bildern anzubringen,
hat Schwind in der einen
Ecke seinen trautesten
Freunden ein Denkmal ge-
setzt; da kramt der ernste
Lenau als ein mit dem ma-
gyarischen Pallasch gegür-
teter fahrender Schüler in
einer alten Bücherkiste, assi-
stiert von ein paar neugieri-
gen Jtingelchen, über ihm
schaut Bauernfeld in das
vor seinen hellen Augen sich
vergnüglich abhaspelnde
Lrytspiel, dahinter studieren
Grillparzer nnd Franz von
SchoberdasProgrammder
Ritter-Kurt-Ballade, wüh-
rend Feuchtersleben und
Graf Anersperg (Anasta-
sius Grün) die Gruppe ab-
runden: in leichten Kontu-
ren hat sich neben dem mit
einer Roland-Statue ge-
krönten Brunnentrog der Maler selbst konlerfeit, wie
er, umgeben von seinen Brüdern, den Mitgenossen
Kaulbach und dem federwallend behelmten Schnorr,
dem in der Maske des Sängers der läivinn enmeclin
abgebildeten Meister Cornelius diesem sein Blatt mit
der Brautsahrt vorzeigt, welch letzterer bedrohlich war-
nend den Finger erhebt: nicht weiter zu gehen, da die
historische Kunst des Erlaubten gerade an der scharfen
Grenze angelangt ist, wo der geringste Fehltritt in die
Trivialität der Karrikatur oder in den absurden Mut-
lvillen stürzen kann. So lange der Künstler aber in so
ehrender Gesellschaft bleibt, ist selbst der tollste Fasching
des Humors ein ungefährliches Spiel.
Das in markiger Zeichnnng und entsprechendem
Kolorit ausgeführte Werk bleibt ein Kronjuwel der
neueren Kunst nnd wirkt lvie ein mit graziöser Schön-
heit durchlebtes Lustspiel,
ein belebender Regen-
schauer der heitersten Ko-
mik. Das Bild (nachmals
gestochen von JuliusThae-
ter) gab die Brücke, auf
welcher Schwind nach
Karlsruhe zog, um einen
neuen, seiner ganz würdi-
gen Wirknngskreis zu fin-
den.
Vorerst wünschte der
Großherzog die schon von
Goethe ausgesponnene
Jdee der sog. „Philostra-
tischen Gemäldegalerie" -)
in der dortigen Kunsthalle
zu verwirklichen. Da die
Raumverhältnisse manche
Schwierigkeiten boten, trat
Schwind wieder als selbst-
ständig gestaltender Dichter
aus, wie er in Lünetten,
Wand- und Deckenbildern
das Ganze, die immer
wiederkehrenden Gedanken
von Kampf und Sieg, das
wahre Leben mit den Ge-
gensätzen vonPoesie, Liebe,
Leid, jubelnder Lust und
berber Trauer — in antiken
SagenundMythen geadelt
und verkörpert — durch-
sührte, mit einer Fülle von
Anmut und Leichtigkeit, in
oft überraschender, unüber-
bietbarer Heiterkeit, mit
roter Farbe auf schwarzem
Grunde, im reizendsten
Fluß der Linien — insbe-
sondere der Fries mit
Poesie, Gesang nnd Tanz
—, teilweise an Cornelius
und Genelli gemahnend
lherausgegeben mit den
notwendigen Erläuternn-
gen von Richard Förster, Leipzig 1903 bei Breitkopf
u. Härtel, Gr.-Fol.).
Populärer wirkt die Berherrlichung der Baukunst,
Skulptur und Malerei Badens (im Treppenhaus). Das
Hauptbild schildert die ,.Einweihung des Freiburger
Münsters". Die Szene ist nicht in das Jnnere, sondern
naturgemäß vor das vom Baugerüst befreite, reich mit
Blnmen und Gewinden geschmückte Hauptportal ver-
legt. Von beiden Seiten ziehen festliche Scharen : zum
Abb. 1S (Text S. 6>
Emsiedler in ciner Felscngrotle