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Die Kunst dem Volke <München> — 1911 (Nr. 5-8)

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Moritz von Schwind
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https://doi.org/10.11588/diglit.21075#0107
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19

gesang schwer errungenen Glücks. Das durch König
Otto von Griechenland angekauste Gemälde kam nach
Athen, nach dessen Thronentsagung nach Bamberg und
endlich aus dem Nachlaß der Witwe Amalia durch Lud-
wigs II. großsiuuige Verfügung in die vordem mit
keinem „Schwind" begabte Neue Pinakothek. Der von
Julius Ernst verständnisinnig veranstaltete und den
Mitgliedern des Münchener Kunslvereins 1856 als
Nietenblatt verteilte Stich fand erst keine besondere
Aufnahme, später aber starke Nachfrage, neuestens in
Hanfstängls unübertreff-
licher Chromotypie eine
immer erfreuliche, er-
wünschte Gabe für Neu-
vermählte und bleibender
Zimmerschmuck: in Post-
kartenformat ein den
weitesten Kreisen leicht
zugänglicher Schatz. Das
ist der echte liebenswür-
dige, geradezu hinrei-
ßende Schwind!

Das reizende Projekt,
den zu König Ludwigs I.

Ehren bei Enthüllung der
Bavaria (1850) veranstal-
teten Künstlerfestzug als
Fries für das Zltrium der
Neuen Pinakothek zu ver-
ewigen, verhallte unbe-
greiflicherweise spurlos.

Das wäre ein Gegenstück
geworden zu jener vor-
genannten Arbeit im
Kaiser Rudolfs-Saal (Re-
sidenz). Als feine Huldi-
gung für den Erzgießer
von Miller malte Schwind
die „Zwerge vor der Zehe
der Bavaria", ein ergötz-
liches Ölbild, wo diese
sachverständigen Knirpse
ob dieser Leistung stau-
nendhinaufschauen: Eiuer
Pocht metallprüfend, ein
anderer reckt sich, die Höhe
an seiner eigenen Putzig- Mb. 22 (Text s. s)
keit messend, an den Ko- Einsiodwr führt

loß mit der unfaßbaren

llberzeugung, das Ding wäre doch viel länger als er
selber, während der dritte mit Schultasche und Rechen-
tafel zur Einsicht kommt, bei diesem Meister in die
Lehre gehen zu müssen, da ihre ganze Kuustnichts sei
und hier von neu anzufangen nötig wäre (als Aquarell
iin König Ludwig-Album, Stich von C. F. Mayer).
Während schon unabweisbar das „Aschenbrödel" nach
Form und Gestalt verlangte, entstand der unsere
Eroberung der Luft Vvrahnende „Schnried Wie-
land" (Galerie Schack), ferner der knuffig durch sein
Gebiet schlürfende Berggeist „Rübezahl" (Abb. 19),
(Stich von Schütz) und die waldduftige Fee „Krokowka"
(beide bei Schack). Zur Ehrung des ein schändliches

Attentat auf den jungen Kaiser Franz Josef glücklich
vereitelnden Grafen O'Donnell, entwars Schwind die
Komposition zu einem Schild, welcher im Namen der
österreichischen Armee für den Erretter in Silber ge-
gossen werden sollte; doch verschwand der Entwurf
unbegreiflicherweise vor der Ausführung. Max Ain-
lnillers Jnnenansicht der Münchener Frauenkirche, wo-
mit Herzog Maximilian von Bayern das kaiserliche
Brautpaar sinnig begabte, stasfierte Schwind mit der
„Vermählung Herzog Wilhelm V. mit der schönen

Reuata von Lothringen".
Häufig wurdenauch Kom-
positionen zu Glasfen-
stern verlangt, wobei ihm
die Rücksicht auf Farben-
wirkung und technische
Ausführung seiner sorg-
fältig kolorierten Hand-
zeichnung viel zu schaffen
gab; die Übersetzung in
die dem jeweiligen Grö-
ßenformat angepaßten
Kartons durch „brave
Schüler" leitete er im-
mer mit unerschütterlicher
Beihilfe.

Kein Wunder, daß der
überarbeitete Künstler,
von „Schwindel und Ner-
venspektakel" geplagt,
durch ein Nordseebad
jüngende Heilung suchte,
die er dringend bedurfte:
Stand ihm ja in der,
durch jahrelange Arbeiten
I)r. H. von Ritgens mit
unerwarteten Zwischen-
fällen glücklich gelösten
Restauration der „Wart-
burg" die Ausschmückung
durch Waudbilder bevor,
ein neidenswerter Tum-
melplatz feiner Erfin-
dungsgaben, ein unver-
gängliches Zeugnis der
Munifizenz des Großher-
zogs Alexander von Wei-
Rosse zur Tranke mar, bine bleibende Zier

dieser wahren Warte des
schönen Thüringer Landes und dessen sagenreicher
Geschichte und Poesie.

Nach vielfachen Vorstudien und der schwierigen
Auswahl der zur malerischen Behandlung geeigneten
Stoffe aus der Historie des Thüringer Fürstenhauses,
ging Schwind mit den im Winter 1853 gezeichneten
Kartons fröhlichen Herzens im kommenden blühenden
Frühling zur Ausführuug des Bilderzyklus im „Land-
grafensaal" auf die Wartburg, daselbst in verhältnis-
mäßig kurzer Zeit sein Pensum glänzend lösend. Er
hatte mit glücklichem Griff nur solche im Volksgemüte
lebende Stoffe gewühlt, die, wie eine echte Ballade
oder Sage, jeder lüngst kannte, wußte und im Bilde
 
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