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Die Kunst dem Volke <München> — 1911 (Nr. 5-8)

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Moritz von Schwind
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Abb. 28 (Text S. 20)

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Abb. 2b (Text S. 2ü)

Gefangene besuchen

kostümierter Leibpage — ein wahrer Mozartscher
„Cherubin" — dem, wie wir heimlich bemerkten, die
jüngste Tochter des Hauses beim Einsteigen in die von
Muli's getragenen Sänften, so kokett die Hand ge-
drückt hatte, wird vom Anblick dieses neuen Gestirns
entzückt und bringt aus der Ferne seine schwärmerische
Huldigung. Unter dem Maskenschwarm scheint sogar
die orientalische Gattin des Grafen von Gleichen eine
Stelle gefunden zu haben. Mit staunendem Wohl-
gefallen schaut selbst das ältliche Königspaar von
seinem allergnädigsten Thronsessel herab, alle packt
der überwältigende Moment; nur des Prinzen Ex-
hofmeister und geheimer Hofnachdenker, die personi-
fizierteste Schulgelahrtheit, scheint mißvergnügt über
das volle Versagen seines genealogischen Wissens,
während des Prinzen witziger „Rat" und Widerspiel
sich ihm, wie ein Affe aufs Kamel, auf die Schultern
schwingt. Ein jubelnder, mit immer treffsicheren
Pfeilen und Bogen bewaffneter Amorettenkranz um-
slattert den Lüster, unter welchem die Spielleute von
der Tribüne die süßesten Weisen erklingen lassen. Un-
gesehen als allmächtige Patronesse über dem Ball-
getrubel schwebt die gütige Fee, ihren Schützling ge-
leitend. Jn der klaren Nacht des dritten kleinen Bildes
lauscht der Turmwächter auf das von unten phono-
graphisch dringende Tönen, passend, denAschenbrödels
Glück endenden Schlag der Mitternacht anzublasen.
Auf dem nüchsten großen Bilde (Abb. 39), wird
sie von der grundgütigen Fee durch die mondbe-
glänzte Zaubernacht heimgetragen, ihr' Elfenge-
solge schleppt auf der Mantelfahrt die wallenden
Schleier und Kleider der wieder zum Aschenbrödel
Entzauberten nach, welche das von Wonne und
Weh brennende Antlitz in den Arm der milde Walten-
den birgt, während unten an den Portalstufen der
bestürzte Königssohn, der lustige Rat und der stumme

Denker nach der unbegreiflich Verschwundenen suchen,
welcher sür immerdar des Prinzen Herz, Hand
und Leben geweiht bleiben. Keine Spur? Doch!
Gerade dem nüchternen Pedanten glückt es einen
im Flug verlorenen Schuh zu finden. Dieser in sei-
ner minimalsten Form wird sein einziger Trost und
seine süßeste Qual; träumend hofft er, und der kluge
Narr gibt den Rat, mittels diesen Objekts den
anpassenden Fuß zu finden. Nach dieser Episode
folgt das vierte große Bild (Abb. 39). Auf hoher
Standarte wird die „Uagna Cüarta" herumgetragen,
welche der Herold erklärt, daß die Jungfrau
Königin werde, welcher der Schuh paßt. Der dieses
Edikt unter Trompetenschall verkündende Zug, wobei
die Probe gleich beginnen soll, hält gerade vor den
Palazzo unseres guten alttatteligen Papa. Aus der
Mitte ihrer ungestüm zudrängenden Schwestern tritt
das im schlechten grauen Kleid doch adelig glänzende
Aschenbrödel von dem getreuen ahnungsvollen Lin-
denschmit aus ihrem Versteck hervorgerufen, ruhig
sreundlich heraus, probiert den vom Pagen aus
goldenem Kissen dargereichten Schuh, der an dem
zierlichen Füßchen gleich wie festgegossen sitzt. Wonne-
trunken schwelgt der liebeselige Prinz in ihrem An-
blick, mitten in dem drängenden Volksgewühle. Aber-
mals vergißt der lustige Rat seines Standes und um-
schlingt den staunenden Hofnachdenker und Versifex,
der jetzt sichtbar an Zeichen und Wunder glaubt. Wer
aber in den lautesten Jubel ausbricht und seine schöne
Herrin, das von ihm geschützte Kleinod, als „Königin
des Landes und der Herzen" mit Hochvivat begrüßt,
das ist der „frumme" Lindenschmit, der längst besser
wußte als alle, was dieses Kleinod wert sei. Wieder
nahen die dienstfertigenTäublein, gleichsam grüßend im
Namen der Fee, während das unholde Stiefschwestern-
paar in plastischer Entrüstung mit geballten Fäusten,
 
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