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Die Kunst dem Volke <München> — 1911 (Nr. 5-8)

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Moritz von Schwind
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strichenen, in den Glaspalast proöisorisch eingebauten,
kaum abgehobelten Bretterwänden der reichhaltigen
Münchener Kunstausstellnng 1858, wo wahre Pracht-
juwelen wie Prellers „Odysseelandschaften", Rethels
„Hannibalzug", Mintrops „Weihnachtsbaum" und die
„ Erwartung d es jüngsten Gerichts " des Altmeisters Cor-
nelius erschienen und die übrigen Werke Schwinds in
den besten Sti-
chen vertreten
waren, prang-
ten die Sieben
Raben als Mit-
telpunkt und
Perle der Aus-
stellung, immer
von Beschauern
umlagert. Das
Werk erwarb
gleich in den
ersteuTagender
Großherzog von
Weimar; nach
Schwinds Ab-
leben auch alle
dazu gehörigen
Studien.

Es war je-
denfalls ein
glücklicher Ge-
danke bei der
1858 durch Mat-
thias Berger
begonnenenRe-
stauration der
Münchener
Frauenkirche,
als es sich um
Herstellung
eines neuen
Hochaltars han-
delte, unserem
Schwind das
Hauptaltarbild
mit den weite-
ren Seitenflü-
geln zu übertra-
gen. Und dieser
löste seine Auf-
gabe in einer
seines Namens
würdigstenWei-
se. Jndem er
sein Thema dem ehrwürdigen Bau des wackeren Jörg
Ganghofer von Haselbach angemessen streng stilisierte,
gelang es ihnr, mit sorgfältiger Vermeidung aller
archäologischen Härten, doch so charakteristische Bil-
der zu schaffen, daß man einen noch unentdeckten
Namen aus der besten Blüte der altbayerischen
Malerschule vor sich zu haben wähnt, welches für
jene ehedem so kostbare, 1434—1437 entstandene
und zu Anfang des XVII. Jahrhunderts leider zer-
störte Leistungdes seinerzeit so gefeierten Gabriel

Angler unserer Gegenwart möglichst Ersatz bieten
sollte.

Der geschlossene Schrein zeigt (im gleichen For-
mat von 4 m Höhe und 3,47 m Breite) vier große
Passionsbilder; auf den geöffneten Seitenflügeln be-
finden sich sechs reizende Darstellungen aus dem Leben
der heiligen Jungfrau, schön und innig, gleich einer

mittelhochdeut-
schen Legende;
das Hauptbild
zeigt die Anbe-
tung der hl. drei
Könige (Abbil-
dung 34):11nter
ärmlichem Ob-
dach inmitten
einer klaren

Berglandschaft
sitzt die heilige
Jungfrau mit
dem kleinen

Christ, der (wie
Walthervonder
Vogelweide so
zutreffend sagt)
„alsGott so alt,
als Mensch so
jung in der
Krippe liegt",
vor dem die
„Künige aus
fernen Landen"
in andachtsvol-
ler Verehmng
sich eben nieder-
gelassen haben.
Sie tragen
orientalische
Tracht, jene
golddurchwirk-
ten Stoffe „aus
Ninive und
Marroch", in
welche die deut-
schen Epiker ihre
Helden mit ver-
schwenderischer
Pracht zu klei-
den pflegen, da-
bei aber doch
wiederechtdeut-
scheFürsten, wie
auch ihr Gefolge, das mit Bannerträgern, „Kamel-
tieren, Dromedaren und Rossen durch einen (bei den
Präraphaeliten so beliebten) halbruinösen Rundbogen
hereinzieht, ganz schnabelschuhig und in „halbgeteilte
Watt" gekleidet. Rückwärts schalmeiende Hirten, im
Hintergrunde eine fröhliche Fernsicht auf grüne Auen,
schöne Wasser und schattige Wälder. Darüber singen
in einer die Komposition oben abschließenden Gruppe
die Engelein aus ihren fliegenden Spmchbändern. Es
ist eine so freie, an Herzinnigkeit dem lieblichen Mem-

Abb. 3S (Text S. 80) Origmalphot. F. Hanfstaengl

Traum des Erwin oon Steinbach
 
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