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Die Kunst dem Volke <München> — 1911 (Nr. 5-8)

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Berühmte Kathedralen der nachmittelalterlichen Zeit
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18

Abb. 20 Dom zu Sebenico (Text S. IK)

werden. Allgemeine Verbreitung findet endlich
die zuerst in Salzburg geschaffene zweitürmige
Front.

Treu hält auch noch in unseren Tagen das
Volk in Tirol zur Kirche, innig ist all sein Denken
und Fühlen mit dem ihrigen durchdrungen. Noch
sind sie würdige Nachkommen der Männer, die in
frommer vaterländischer Begeisterung vor einem
Jahrhundert gegen die Eindringlinge sich erhoben,
Gut und Leben aufopferten zum Schutze des
Landes und des heiligen Glaubens. Und wie-
derum die nächsten Vorfahren jener Helden sind
es gewesen, die verhindert haben, daß eine nicht-
tirolischeHandmitarbeitete an der geheiligtenAuf-
gabe des Neubaues des Domes in der uralten
Glaubensstätte Brixen (Abb. 23 u. 24). Denn um
die Mitte des 18. Jahrhunderts war es not-
wendig geworden, das alte romanische Gottes-
haus, das schon mehrere Umbauten erfahren hatte,
vonGrund aus zu erneuern. JmJahre 1745 faßte
der Fürstbischof Caspar Graf von Künigl den
Beschluß dazu, worauf der Bozener Architekt
Joseph Delaja den Plan des Neubaus entwarf.
Dreizehn Jahre zog die Arbeit sich hin, über die
die Priester Franz de Paula Penz und Georg
Tangl die Aufsicht führten. Ein wunderbar ge-
waltiger Raum ward geschaffen, der mit einem
freitragenden Gewölbe überdeckt ist. Ein prächtige
Vorhalle erhielt er, mit Säulen und Giebeln,
und über dem Ganzen ragen die alten Türme,
geschmückt mit neuen Barockspitzen empor. Wirkt
das Jnnere schon durch seine mächtigen Verhält-
nisse bedeutend, so wird der Eindruck doch noch
gesteigert durch die gewaltigen Wandpfeiler, die
im Schmuck kostbarster Marmorsorten und Mo-
saiken erglänzen. Dazu schöne Deckenmalereien

des Meisters Paul Troger, eine reiche
Zahl herrlicher Altäre mit Gemälden
bester Künstler — alles zusammen ein
Kunstwerk, das die Würde des uralten
Tiroler Bistums in Wahrheit wider-
spiegelt.

Dieselbe Bedeutung, die Brixen sür
das ganze mittlere Tirol erwarb,
genießt dort, wo im Angesicht der
ewigen Berge die schweizerischen Ge-
biete an die österreichischen grenzen,
St. Gallen. Wieder betreten wir eine
Stätte, wo das Christentum schon in
ältester Zeit Fuß sassen konnte. Das
Kloster hat ein volles Jahrtausend be-
standen, bis es im Jahre 1805 dem
Drange neuzeitlicher Jdeen zum Opfer
fiel. Achtzehn Jahre später wurde das
Bistum St. Gallen gegründet, und die
einstige Stiftskirche ist zur Kathedrale
geworden. Wer hätte sich solcher Än-
derungen versehen, als gerade ein hal-
bes Jahrhundert vor der Aufhebung
des Klosters der Fürstabt Cölestin II.
Gugger vonStaudach daran ging, das
Gotteshaus des Stiftes aufs pracht-
vollste neu erbauen zu lassen (Abb. 25 und 26).
Auch hier lieferte ein Jtaliener, Giovanni Gas-
pare Bagnato aus Como, den Entwurf, während
die Ausführung einem Konstanzer Baumeister
Peter Thumb und dessen Sohne übertragen
wurde. Am schönsten ist der Anblick der östlichen

Abb. 21

Jnneres bes Domes zu St. Pölten (Text S. 16)
 
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