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bald breit hinwallend, bis sie in weiten Fernen
mit dem Meere sich vereinen. Vom nördlichen
Berglande kommt die dunkle Jlz, vom süd-
lichen Hochgebirge das graue Gewässer des Jnn,
und ob er hier zwar der stärkere ist, so gibt er
sich doch gern dem mächtigeren Strome hin, opfert
sich selbst und seinen Namen, um dem großen
Ziele entgegenströmen zu können. Dort, wo die
drei Flüsse sich gesellen, dehnt sich, von ihnen um-
strömt, an den Uferwänden emporsteigend, wun-
dervoll verteilt, Passaus unvergleichliches Städte-
bild, voll Schönheit und voll Kraft. Ein Ort
auch, dessen Wichtigkeit dem Beschauer ohne wei-
teres einleuchtet. An dieser Stelle mußte eine
Stadt entstehen, mußte Kultur und Gesittung,
Handel und Verkehr und des Landes Wehrhaf-
tigkeit eine Stätte finden, der die Stürme der
Weltgeschichte niemals dauernden Schaden tun
konnten. Auf diesen Höhen, an diesen Wässern
begründeten lange vor Christi Geburt die Bojer
eine Stadt, die Römer eins ihrer wichtigsten Ka-
stelle. An diesemOrteward vom hl.Maxi-
milian, hl. Florian, vom hl.Severin dem
Christentum eine Heimstätte bereitet, und
des hl. Bonifatius untrüglicher Blick er-
kannte, daß Passau geeignet sei, ein Bi-
schofssitzzuwerden, vonwo gleich wie von
Regensburg, Freising und Salzburg die
geistliche Verwaltung jener östlichen Be-
zirkegeleitet werden konnte. Seitdem fing
Passau erst an zu blühen, gottbegnadete
Männer leiteten das Bistum mit Weis-
heit und Milde, und der Bischof Pilgrim
erwarb sich so hohe Ehre beim deutschen
Volke, daß sein Name noch im Nibelun-
genliede gefeiert wird. Er ist es, der
füns Jahre nach seinem Regierungs-
antritte, im Jahre 976, den Dom des
hl. Stephan ausbessern ließ. Das zeigt,
daß jenes Gotteshaus damals schon alt
gewesen sein muß, und in der Tat führt
uns die erste urkundliche Erwähnung
eines Passauer Domes bis ins Jahr 624
zurück. Nach Pilgrims Zeit hat die
Stadt während des Mittelalters noch
drei Domneubauten erlebt. Der letzte
ging durch Brand 1662 zu Grunde.
Darauf beschloß der Fürstbischof Wenzel
von Thun den Umbau, der durch den
MailänderLurago ausgeführt ward, doch
ereignete sich an diesem Bau 1672 ein
Einsturz, undeinBrand achtJahre später
zwang zu neuer Bautätigkeit. Diesmal
wurde der berühmte Architekt Carl An-
tonio Carlone, wiederum einKünstler aus
Mailand, herangezogen, und ihm verdan-
ken wir das mächtige Gebäude, das noch
heute durch seine Wucht und Pracht zur
Bewunderung hinreißt(Abb. 33 und 34).
VomChore und vomQuerschiff blieb das
Wesentlichste stehen. Man sieht es bei der
Betrachtung der Außenseite deutlich, wo
dieelegantenspätgotischenFormen so prächtige und
reiche Wirkung tun. Jm Jnnern aber, das diesen
Bau als eine dreischiffige Basilika von schönsten
Verhältnissenerkennenläßt, herrschtüberwältigende
Pracht, einheitlich in Formen und köstlichem
Schmuck edelsten Barockstils, dessen Einzelheiten
noch die Reinheit der Renaissance bewahrt haben.
Ruhige volle Töne der großen wichtigsten Linien,
die ihren Zweck klar und einfach offenbaren,
darüber hin in vollendeter Schönheit der Reich-
tum der Kapitäle, des Figurenschmuckes, der
Malereien, die prächtige Lichtwirkung der Kuppel.
Fürwahr eine Kathedrale, die zu den schönsten
auf deutscher Erde gehört, eine der edelsten Stät-
ten des göttlichen Dienstes. An Zeiten ver-
gangener Größe mahnen die Gräber der Fürst-
bischöfe, erinnern die Reste des einst so herrlichen
Domschatzes. Eine wunderbare Fülle von Kost-
barkeiten barg er vordem, Reliquienbehälter in
Form von Kirchen und Türmen, gegen zwanzig
silberne Arme mit Heiligtümern, dazu Statuen,
bald breit hinwallend, bis sie in weiten Fernen
mit dem Meere sich vereinen. Vom nördlichen
Berglande kommt die dunkle Jlz, vom süd-
lichen Hochgebirge das graue Gewässer des Jnn,
und ob er hier zwar der stärkere ist, so gibt er
sich doch gern dem mächtigeren Strome hin, opfert
sich selbst und seinen Namen, um dem großen
Ziele entgegenströmen zu können. Dort, wo die
drei Flüsse sich gesellen, dehnt sich, von ihnen um-
strömt, an den Uferwänden emporsteigend, wun-
dervoll verteilt, Passaus unvergleichliches Städte-
bild, voll Schönheit und voll Kraft. Ein Ort
auch, dessen Wichtigkeit dem Beschauer ohne wei-
teres einleuchtet. An dieser Stelle mußte eine
Stadt entstehen, mußte Kultur und Gesittung,
Handel und Verkehr und des Landes Wehrhaf-
tigkeit eine Stätte finden, der die Stürme der
Weltgeschichte niemals dauernden Schaden tun
konnten. Auf diesen Höhen, an diesen Wässern
begründeten lange vor Christi Geburt die Bojer
eine Stadt, die Römer eins ihrer wichtigsten Ka-
stelle. An diesemOrteward vom hl.Maxi-
milian, hl. Florian, vom hl.Severin dem
Christentum eine Heimstätte bereitet, und
des hl. Bonifatius untrüglicher Blick er-
kannte, daß Passau geeignet sei, ein Bi-
schofssitzzuwerden, vonwo gleich wie von
Regensburg, Freising und Salzburg die
geistliche Verwaltung jener östlichen Be-
zirkegeleitet werden konnte. Seitdem fing
Passau erst an zu blühen, gottbegnadete
Männer leiteten das Bistum mit Weis-
heit und Milde, und der Bischof Pilgrim
erwarb sich so hohe Ehre beim deutschen
Volke, daß sein Name noch im Nibelun-
genliede gefeiert wird. Er ist es, der
füns Jahre nach seinem Regierungs-
antritte, im Jahre 976, den Dom des
hl. Stephan ausbessern ließ. Das zeigt,
daß jenes Gotteshaus damals schon alt
gewesen sein muß, und in der Tat führt
uns die erste urkundliche Erwähnung
eines Passauer Domes bis ins Jahr 624
zurück. Nach Pilgrims Zeit hat die
Stadt während des Mittelalters noch
drei Domneubauten erlebt. Der letzte
ging durch Brand 1662 zu Grunde.
Darauf beschloß der Fürstbischof Wenzel
von Thun den Umbau, der durch den
MailänderLurago ausgeführt ward, doch
ereignete sich an diesem Bau 1672 ein
Einsturz, undeinBrand achtJahre später
zwang zu neuer Bautätigkeit. Diesmal
wurde der berühmte Architekt Carl An-
tonio Carlone, wiederum einKünstler aus
Mailand, herangezogen, und ihm verdan-
ken wir das mächtige Gebäude, das noch
heute durch seine Wucht und Pracht zur
Bewunderung hinreißt(Abb. 33 und 34).
VomChore und vomQuerschiff blieb das
Wesentlichste stehen. Man sieht es bei der
Betrachtung der Außenseite deutlich, wo
dieelegantenspätgotischenFormen so prächtige und
reiche Wirkung tun. Jm Jnnern aber, das diesen
Bau als eine dreischiffige Basilika von schönsten
Verhältnissenerkennenläßt, herrschtüberwältigende
Pracht, einheitlich in Formen und köstlichem
Schmuck edelsten Barockstils, dessen Einzelheiten
noch die Reinheit der Renaissance bewahrt haben.
Ruhige volle Töne der großen wichtigsten Linien,
die ihren Zweck klar und einfach offenbaren,
darüber hin in vollendeter Schönheit der Reich-
tum der Kapitäle, des Figurenschmuckes, der
Malereien, die prächtige Lichtwirkung der Kuppel.
Fürwahr eine Kathedrale, die zu den schönsten
auf deutscher Erde gehört, eine der edelsten Stät-
ten des göttlichen Dienstes. An Zeiten ver-
gangener Größe mahnen die Gräber der Fürst-
bischöfe, erinnern die Reste des einst so herrlichen
Domschatzes. Eine wunderbare Fülle von Kost-
barkeiten barg er vordem, Reliquienbehälter in
Form von Kirchen und Türmen, gegen zwanzig
silberne Arme mit Heiligtümern, dazu Statuen,